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CODE: Reklamen für Damenbinden sind grotesk

Lemon Instinct, Scrabble und Groteskes – kein Wunder ist der Black Metal von CODE so abgefahren…

 

Das internationale Kollektiv CODE gehört zum spannendsten, was die Black Metal-Szene derzeit zu bieten hat. Bewusst entzieht sich die Band gängigen Klischeemustern, findet ihren eigenen Weg zwischen Härte und akustischer Dissonanz und ist nie um Experimente verlegen. Nach dem überzeugenden Nouveau Gloaming veröffentlichten CODE dieses Jahr Resplendent Grotesque und zeigen gleichzeitig Weiterentwicklung und Eigenständigkeit. Grund genug, sich mit Kvohst in der virtuellen Realität zu treffen…

Da ihr ja bisweilen bizarren Klängen nachgeht: Wenn du eine Droge wärst, welche wärst du und warum?

Ich wäre Lemon Incest. Es ist eine Art von Gras, das wir hier in Amsterdam haben und selber produziert haben. Es ist eine Art Todesstrahl fürs Gehirn. Ich kann es gar nicht mehr rauchen. Wir haben es irgendwann einem Freund gegeben, der hat es wiederum weitergegeben oder weggeworfen, weil es so stark war! Lemon Incest ist außerdem der Name eines schönen SERGE GAINSBOURG-Songs, den er mit seiner Tochter aufnahm. Ich wäre gerne Lemon Incest, weil ich denke, dass es schön wäre, den Namen Lemon zu haben. Wie Jack Lemmon. Überhaupt: Bell Book and Candle – ein toller Film!

Dann machen wir gleich weiter mit der freien Assoziationskette. In Smoother The Crones singt ihr über eine catholic boyschool. Was ist deine Meinung zu Religion?

Ich bin Atheist und kann mit organisierter Religion nichts anfangen. Ich finde, dass Religion international verboten werden und Gläubige gehängt und gevierteilt werden sollten. Ich bin intolerant gegenüber dem Opium fürs Volk, wie Oscar Wilde sagte. Religion ist allein verantwortlich für alles Schlechte in dieser Welt. Schaffe Religion ab und du hast Frieden.

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Schaffe Religion ab und du hast Frieden. – Kvohst (CODE)

Harte Worte und das Zitat erinnert mich irgendwie mehr an Karl Marx… Aber kommen wir zu einer lebenden Berühmtheit, die auf Resplendent Grotesque mitgearbeitet hat: Fenriz (DARKTHRONE). Wie kam die Zusammenarbeit zustande und wie wars?

Diese Zusammenarbeit kam zustande, weil wir Freunde sind und schon seit einigen Jahren die gegenseitigen Werke bewundern. Es ist eine Art Tradition, dass wir seine Lyrics in mindestens einem unserer Songs haben.

Das Resultat kann man in den Texten nachlesen. Ich denke, es ist ziemlich gut rausgekommen. Wir schreiben einander SMS auf unseren Mobiltelefonen, tauschen einzelne Wörter aus, hin und her. Es ist ein Prozess, der sowohl aufregend als auch befriedigend ist. Ich mag es, mit Fenriz zusammen zu arbeiten, weil er mich immer wieder mit seinen Umwegen und seinen merkwürdigen Wortkombinationen überrascht. Er wendet die englische Sprache sehr gekonnt an. Beim Scrabble verliere ich immer gegen ihn!

Hehe… In dem Fall zu einem merkwürdigen Wort: Was ist eine black-hole bride, wie sie in The Rattle Of Black Teeth vorkommt?

Eine black-hole bride ist etwas, dass an dich gebunden, mit dir verheiratet ist, und dich aufisst. Es ist keine Frau, sondern es sind deine eigenen Ängste und Misserfolge, die dich langsam aufessen und zerstören. Es kann auch etwas sein, an das du dich festklammerst – eine Art Krücke. Du weisst, dass Traurigkeit und Leid manchmal ziemlich süchtig machen und man sie kaum mehr los wird.

Interessant. Einige Menschen werden ja dank Jesus ihre Ängste los. Was würdest du tun, wenn du einen Tag lang Jesus wärst?

Mich umbringen? Ich würde vermutlich meine Freunde anrufen und sagen Weisst du was? Ich bin Jesus, also respektiere mich oder ich komme vorbei, verwandle deine Mutter in Wein und gehe über deinen Swimming Pool oder so. Und ich würde wohl den ganzen Tag vor dem Typen wegrennen, der Pontius Pilatus ist.

Hehe… Was findest du grotesk in der heutigen Welt?

Religion und religiöse Leute. Reklame für Damenbinden. Oprah Winfrey.

Wir sollten uns mal eingehend über das zweite unterhalten. Beeinflussen dich Nachrichten aus der Welt (zu Kriegen usw.), wenn du Musik und Texte schreibst? Oder kommt alles aus deinem Inneren?

Meine Werke haben mehr mit Träumen als mit Politik zu tun, auch wenn es Fragmente aus der Realität in den Songs gibt. Wir sind nicht wirklich eine War Metal-Band. Ich mag Nachrichten über enorme Zerstörungen wie zum Beispiel Erdbeben oder Überschwemmungen. Momentan ist es großartig mit der ganzen Schweinegrippe-Berichterstattung.

Und, wovor hast du Angst?

Ich habe Angst vor mir selbst. Geisteskrankheit und das Alter.

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Bei diesem Album hatten wir einen Plan – Kvohst über Resplendent Grotesque

Noch ist es nicht soweit… Kommen wir also zur nahen Vergangenheit zurück. Inwiefern war die Arbeit an Resplendent Grotesque anders als diejenige an Nouveau Gloaming?

Bei Resplendent Grotesque wussten wir viel mehr über Aufnahmetechnik und wir wussten, was wir erreichen wollten. Bei Nouveau Gloaming waren wir sehr jung und noch grün hinter den Ohren. Beim aktuellen Album haben wir professionell gearbeitet und hatten einen Plan!

Bei diesem Plan würde ich doch gerne mal wissen, wie der Songwriting-Prozess aussieht. Schließlich wohnen die einzelnen CODE-Mitglieder alle in verschiedenen Ländern, also in England, Norwegen und Holland…

Ich lebe in Amsterdam. Aort – Gitarrist und Hauptsongwriter – wohnt in England und Vicotnik, unser Bassist, ist in Oslo. Wir arbeiten also viel allein, irgendwo zwischen E-Mails, Briefen und Telefonanrufen. Die Band ist eine ziemlich isolationistische Gruppe. Wir proben nicht wie andere Bands, aber wir haben regelmäßig Kontakt. Meistens läuft es so ab, dass Aort den Rahmen komponiert und das Resultat dann an Vicotnik und mich schickt. Wir fügen unsere Ideen dazu. Eigentlich funktioniert dieser Teil gleich wie bei vielen anderen Bands. Aber wir sind wahrscheinlich ein bisschen freier im kreativen Prozess und erlauben einander mehr künstlerische Freiheiten.

Nun war ja bei Resplendent Grotesque noch ein vierter Mann an Bord: Drummer Adrian Erlandsson. Wieso wurde er euer Session-Drummer?

Wir suchten ziemlich lang nach der richtigen Person für den Job, wir brauchten einen guten Drummer dafür. Durch einen gemeinsamen Freund haben wir Adrian gefunden. Er wohnt in England, also war er die perfekte Wahl für den Job, da er (geografisch) nah mit Aort zusammenarbeiten konnte. Aber auch die persönliche Chemie stimmte einfach. Er war sehr enthusiastisch und engagiert und hat viel eigenes beigesteuert. Natürlich sind wir auch große Fans seiner Arbeit bei SKITSYSTEM und AT THE GATES. Also war er in vielerlei Hinsicht die perfekte Wahl.

Wieso ist er dann nur ein Sessionmusiker und kein festes Mitglied von CODE? Wollt ihr keinen festen Drummer?

Wir wollen einen festen Drummer, aber es ist schwer jemanden zu finden, der sich wirklich engagieren kann. Ich glaube, wir kamen dem Ziel fester Drummer am nächsten, als wir mit Alsvid (Ex-SETH, ENTHRONED) zusammenarbeiteten. Wir hätten ihn gerne als festen Drummer gehabt, aber er hat seinen Job und seine Familie und hat genug zu tun mit seinem eigenen Leben.

Adrian ist deshalb ein Sessionmusiker auf dem Album, weil es klar war, dass er nicht mit uns live performen könnte, weil er in anderen Bands aktiv ist. Er hat ja die Band mit seiner Frau und jetzt auch noch PARADISE LOST, also hat er alle Hände voll zu tun. Wir arbeiten jetzt mit einem neuen Drummer für unsere Tour und hoffentlich wird er unser Vollzeitdrummer – wenigstens für unsere Konzerte…

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Solange sich die Leute an CODE erfreuen, spielen wir live und kreieren neue Alben – Kvohst (CODE) 

Jetzt sind ja nicht nur eure Drummer in anderen Bands aktiv, sondern auch die anderen Mitglieder von CODE. Welche Priorität hat CODE da für die einzelnen Mitgliedern? Und hat sich diese über die Jahre hinweg verändert?

CODE hat einen echten Platz im Herz jedes einzelnen Mitglieds. Ich denke, es ist schwer für mich zu sagen, welche Priorität CODE genau hat. Ich glaube, wir versuchen einfach, unser Bestes zu geben – auf dem neuen Album, wenn wir Konzerte geben und Resplendent Grotesque so sehr wie möglich promoten. Natürlich dauert das nicht für immer – Vicotnik und ich haben ja DHG und die anderen haben ebenfalls ihre anderen Projekte und Bands. Wir werden also immer auch andere Prioritäten haben, aber so lange sich die Leute an CODE erfreuen, spielen wir live und kreieren neue Alben.

Wenn wir es gerade schon von Konzerten haben: Ihr seid diesen Herbst ja mit SECRETS OF THE MOON auf Tour. Was magst du persönlich am meisten daran, live zu spielen?

Ich genieße es zu sehen, wie die Menge gut unterhalten wird und glücklich ausschaut. Ich genieße es, wenn jemand nach dem Konzert zu mir kommt und mir sagt, dass wir etwas in ihnen berührt oder ausgelöst haben. Außerdem gibt es mir ein sehr gutes Gefühl, wenn ich diese Songs performe, die geraderaus aus meinem Herzen kommen. Sie zu singen, bringt mir gleichzeitig seelische Läuterung und viel Freude.

In dem Fall freue ich mich umso mehr darauf, euch live zu sehen, auch weil ich mich frage, wie ihr eure ziemlich komplexen Songs live umsetzt. Ihr drückt euch nicht davor, cleane Vocals und ungewöhnliche Strukturen anzuwenden, seid aber gleichzeitig tief im Black Metal verwurzelt. Welche Band hat dich ursprünglich zum Black Metal gebracht?

Ich denke, das waren BATHORY für mich. Die Elemente waren alle da – das epische Gefühl, der Gesang und die unorthodoxe Spielweise. Natürlich waren DARKTHRONE und BURZUM ebenfalls wichtige Bands für mich. Es ist schwierig, eine oder zwei Bands herauszupicken, da wir alle von vielen verschiedenen Bands und Musikstilen beeinflusst werden.

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Hat im Pfadfinderlager zum METAL(lica) gefunden – Kvohst (CODE)

Und wann hast du zum ersten Mal Metal gehört?

Ich war in einem Pfadfinderlager und einer hat The Four Horsemen von METALLICA aufgelegt und angefangen zu headbangen. Er hat mir dann ein Tape von And Justice For All und Ride The Lightning ausgeliehen – da war es um mich geschehen. Die Pfadfinder waren ein großartiger Ort, um zum Metal zu kommen. Ich war jung, frei, hatte meinen ersten Schluck Alkohol und die Pfadfinder waren praktisch alle Metalheads. Alle hörten Metal damals, es war das goldene Zeitalter.

Dahingegen wirkt euer Bandname CODE eher unüblich für eine (Black) Metal-Band. Außerdem kann man euch praktisch nicht googeln. Was steckt hinter der Namenswahl?

Ich denke, es ist lächerlich einen Bandnamen so zu wählen, dass man gegoogelt werden kann. Auf jeden Fall haben wir diese Band vor dem Internetboom gestartet, also haben wir uns nicht darum gekümmert. Der Name bedeutet versteckt, Mysterium oder Geheimnis. Leben oder Tod programmieren Instruktionen – nicht so sehr als eine systematische Sammlung von Gesetzen und Regeln sondern als eine Art von menschlicher Version von HTML, welche das innere Universum baut.

Ich mag es auf jeden Fall, dass der Name die Leute verwirrt und atypisch ist für die generelle Metalszene.

Atypisch sind ja auch eure Cover-Artworks. Ich mochte das Cover von Nouveau Gloaming, weil es für mich die Angst aus dem Inneren repräsentiert hat. Welche Gedanken stecken hinter dem Cover-Artwork von Resplendent Grotesque und wer war dafür verantwortlich?

Das Cover stammt von Stephen Kasner, einem bekannten amerikanischen Künstler, den ich seit Jahren bewundere. Das Cover stellt eine Seele in Aufruhr dar. Ich liebe es, wie Stephen Kasner malt und arbeitet. Seine Kunst hat ein Gefühl wie aus einer anderen Welt.

Wie wichtig ist der visuelle Aspekt bei CODE?

Sehr wichtig. Wir haben viel Zeit und Energie reingesteckt in den visuellen Aspekt, damit die Musik so auch richtig dargestellt wird. Es ist keine Popmusik und das Gefühl, das wir hervorrufen möchten, benötigt einen starken visuellen und ästhetischen Stimulus.

Was kannst du heute schon über die audiovisuelle Zukunft von CODE verraten?

Wir planen, ein Video zu machen, und ich denke, wir werden uns auch weiterentwickeln mit unseren visuellen Effekten auf der Bühne. Wir haben auch vor, einige spezielle Backdrops zu machen für die Tour, und wir werden auch Projektionen anwenden live. Allerdings denke ich, dass die visuelle Seite der Stageshow ein bisschen an Bedeutung verlieren wird in Zukunft. Wir würden gerne was Spezielles machen für Festivals, aber auf Tour wird es etwas schlichter zu und her gehen, da viele der Clubs eher klein sind.

Fotos: Label
Layout: Arlette Huguenin Dumittan

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