blank

WORMROT: Hiss

Wer zuletzt lacht! WORMROT beenden ihr aktuelles Karrierekapitel mit einem Meilenstein: „Hiss“ zeigt, wie beklemmend, emotional und bitter Grindcore sein kann.

Nicht lange lauern WORMROT im Wasser. Nach wenigen Sekunden stürzt sich das Trio aus Singapur auf die Hörer und schon beginnt der Rachefeldzug. Vielleicht ist das der letzte Kampf, den WORMROT ausfechten. Dass Sänger Arif und dessen Frau und Bandmanagerin Azean die Band nach Veröffentlichung von „Hiss“ verließen, ist hart, allerdings gibt das Trio zum Abschied nochmal restlos alles. Gründer Arif hinterlässt eine gewaltige Lücke, zumal er als Sänger und Texter viel persönlichen Schmerz und Frustration in dieses Album steckt und so viel von der Intensität erzeugt, die „Hiss“ ausmacht.

WORMROT, die mit „Dirge“ und „Voices“ zu einer der zügellosesten Formationen der Szene wurden, potenzieren nun ihre Stärken und daran hat auch der Rest des Trios maßgeblichen Anteil: Gitarrist Rasyids Riffing ist weit mehr als nur Grindcore und Powerviolence und auch Drummer Vijesh präsentiert sich als extrem versierter Instrumentalist. Das alles hätte ganz schnell in ziellosem Chaos und heillosen Durcheinander münden können, doch WORMROT spinnen einen sehr klugen konzeptionellen Faden durch ihr viertes Album und ziehen von Song zu Song mehr die Spannungsschraube an. Dazu muss man natürlich hier und da für das Genre ungewohnte Wege gehen, die von elitären Stinkstiefeln als „Sell-Out“ oder „Unnachvollziehbar“ verschrien werden.

WORMROT gehen ungewohnte Wege: „Hiss“ zieht von Song zu Song die Spannungsschraube mehr an.

Mindestens die Hälfte des Materials ist allerdings recht traditionell und damit äußerst intensiv und impulsiv ausgerichtet. WORMROT, die selbst nie den Anspruch hatten, das Genre zu erneuern, bedienen sich bei ihren Vorbildern und zollen ihnen mit kleinen Details Tribut. Hier Riffs von PIG DESTROYER, da Mosh von BRUTAL TRUTH, Blasts von INSECT WARFARE, die ungebremste Intensität von DISCORDANCE AXIS und GRIDLINK, die aberwitzige, fast schon karikierte Wut von frühen AGORAPHOBIC NOSEBLEED: Das erzeugt starke Tracks, die sowohl für sich funktionieren, sich andererseits auch zu einem gewaltigen Berg der Wut auftürmen. „Behind Closed Doors“, „When Talking Fails It’s Time For Violence“ „Hatred Transcending“ und „Vicious Circle“ treten mehr als einmal einem Stiefel gleich in den Kiefer.

Spätestens in der zweiten Hälfte von „Hiss“ lassen WORMROT neben dem hochenergetischen Grindcore auch psychischen Terror sprechen. Denn hier nimmt eine Melodik zu, die man WORMROT nicht zugetraut hätte. Dass Harmonien, die stellenweise das Chaos gar dominieren, bitter und bisweilen melancholisch klingen, ist mehr als überraschend. „Hiss“ wird durch „Your Dystopian Hell“, „Voiceless Choir“ und „Sea of Disease“ zu einer geradezu beklemmenden Angelegenheit. Einerseits staut sich die Energie und Wut auf, andererseits entlädt sie sich konstant. Das schüttelt auch emotional durch. Gerade dann, wenn Violinistin Myra Choo ihre Einsätze hat. Besonders unbehaglich: Das Instrumental „Grieve“ klingt nach einem verstörenden Horrorthriller; Kakofonie und Gewalt dominieren mit emotionalem Überbau. Passend dazu ist auch das exzellente, sehr brutale Video, das WORMROT als korrupte Cops zeigt.

Grindcore als bittere Rachefantasie: WORMROT speien auf „Hiss“ alles Schlechte und Schmerzende der Welt aus sich heraus.

Wenn wie im abschließenden „Glass Shards“ die Brutalität des Grinds der Bitterkeit weicht, ein süßer Abgesang mit Violinen eingeleitet und das von Post-Black Metal Riffing abgelöst wird, wenn sich dazu Arif todessehnsüchtig alles Schlechte und Schmerzende der Welt aus der Seele zu schreien versucht, dann bleibt mit Sicherheit auch denen der Atem weg, die um Grindcore sonst einen weiten Bogen machen. In diesen vier Minuten wird alles kumuliert, das WORMROT in der vergangenen halben Stunde ausmacht und in eine Richtung erweitert, die so nicht zu erwarten gewesen wäre.

Immerhin, WORMROT sind gewillt das Chaos weiterleben zu lassen, suchen einen neuen Frontmann und werden 2023 mit Gabriel Dubko von IMPLORE als (Übergangs-)Sänger touren. Wie nachhaltig das ist, wird sich zeigen, WORMROT haben ein Album von einer Qualität veröffentlicht, mit der ich niemals gerechnet hätte. Arifs Fußspuren sind enorm, seine variable und kraftvolle Stimme, die überraschenderweise sogar cleane Burton C. Bell-Vocals beinhaltet, wird schwer zu ersetzen sein. Doch egal, ob „Hiss“ der Schwanengesang von WORMROT bleiben sollte, dieser gnadenlose Vergeltungsschlag könnte bald schon als moderner Genre-Klassiker gelten.

Wertung: 19 von 21 Rachegelüste

VÖ: 8. Juli 2022

Spielzeit: 32:59

Line-Up:
Arif – Vocals
Rasyid – Guitars, Bass, Noise
Vijesh – Drums, Percussions

Gastmusiker:
Myra Choo – Violin

Label: Earache Records

WORMROT „Hiss“ Tracklist:

1. The Darkest Burden
2. Broken Haze
3. Behind Closed Doors (Official Video bei Youtube)
4. When Talking Fails It’s Time For Violence (Official Audio bei Youtube)
5. Your Dystopian Hell
6. Unrecognizable
7. Hatred Transcending
8. Doomsayer
9. Pale Moonlight
10. Seizures
11. Voiceless Choir (Official Video bei Youtube)
12. Grieve (Official Video “Grieve – Weeping Willow – Voiceless Choir bei Youtube) 
13. Sea of Disease
14. Noxious Cloud
15. Shattered Faith
16. Desolate Landscapes
17. Spiral Eyes
18. Vicious Circe
19. Weeping Willow
20. All Will Wither
21. Glass Shards

Mehr im Netz:

https://wormrot.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/wormrot/
https://www.instagram.com/wormrot.official/
https://twitter.com/Wormrot/

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner