THEATRE OF TRAGEDY: Assembly

"Assembly" setzt konsequent den auf "Musique" eingeschlagenen Weg fort, wobei die Band mittlerweile sich weitaus wohler und sicherer im Elektro Metal-Gewand zu fühlen scheint.

In meinem Bericht von der Listeningsession zu Assembly klang meine Begeisterung über die elf bärenstarken Songs bereits deutlich an, und diese ließ auch in der Folge nach x-maligem Hören nicht nach, ganz im Gegenteil, kaum ein Album fand sich in den letzten Wochen so oft in meinem CD-Player wieder wie Assembly. Das liegt an mehreren Faktoren. Zuvorderst wäre da Livs erheblich verbesserter Gesang zu nennen. Hatte sie bislang zumeist die höheren Oktaven für sich in Anspruch genommen, so hat sie nun auf Assembly alle Restriktionen fallen gelassen, um den Hörer mal mit tiefer, lasziver Stimme zu verzaubern (Automatic Lover), mal mit feinen Nuancen zum genaueren Hinhören zu verführen (Motion). Konsequenterweise wird dieser Steigerung durch mehr Raum für Livs Gesang Rechnung getragen. Sänger Raymond hält sich mit seinen immer mehr Richtung Sprechgesang tendierenden Vocals im Hintergrund und sorgt dort mit seinem lakonischen Timbre für faszinierende Kontraste zu den lebhaften Leadvocals. Dafür hat Raymond sich zusammen mit Keyboarder Lorentz noch mehr als noch auf Musique den elektronischen Klängen gewidmet, die nun wie aus einem Guss wirken und immer wieder mit unkonventionellen Soundspielereien positiv überraschen können.

Assembly setzt konsequent den auf Musique eingeschlagenen Weg fort, wobei die Band mittlerweile sich weitaus wohler und sicherer im Elektro Metal-Gewand zu fühlen scheint. Das mag einigen Fans der ersten Stunde vielleicht nicht zusagen, ich ziehe jedoch den Hut vor der Experimentierfreude und dem Selbstvertrauen von THEATRE OF TRAGEDY. Sie verstehen es mittlerweile nahezu perfekt, knallharte Riffs (die auf Assembly wieder deutlich mehr Raum zugestanden bekommen), sphärische Keyboards und unwiderstehliche Hooklines miteinander zu verbinden. Während ihre Nachahmer zumeist im kitschigen Gothic-Klischee hängengeblieben sind, wirken THEATRE OF TRAGEDY befreit von Stilzwängen und können so erneut ihren ganz eigenen Sound prägen, der höchstens noch mit dem Megaalbum Version 2.0 von GARBAGE vergleichbar ist, nicht zuletzt dank Livs ebenso charakteristischer Gesangsleistung. THEATRE OF TRAGEDY können inzwischen mit den ganz Großen der Rockszene mithalten, besitzen jedoch auch nach wie vor diese ganz speziellen melancholischen Untertöne, die nur diese Band in dieser Intensität erzeugen kann, z.B. beim Chorus von Starlit zu hören. Im Gegensatz zu Musique scheint diesmal außerdem die Musik wieder mehr aus dem Bauch als aus dem Kopf zu kommen. Insofern ist Assembly – zu deutsch etwa Montage oder auch Zusammensetzen – als Titel leicht irreführend, denn das Songmaterial wirkt ganz und gar nicht zusammengebastelt, sondern äußerst homogen und natürlich. Einzig bei Superdrive dominieren die Popanteile zu sehr für meinen Geschmack. Ansonsten liefern die Norweger hier ein weiteres Meisterwerk ab, das moderne und zugleich zeitlose elektronische Rockmusik in ihrer stärksten Form bietet. Andere Bands wären schon glücklich, hätten sie überhaupt einen eigenen Stil gefunden, THEATRE OF TRAGEDY gelingt dies mit Assembly bereits zum zweiten Mal, nachdem das in seiner heutigen Form von ihnen maßgeblich mitbegründete Gothic Metal-Genre von zu vielen Plagiaten verseucht wurde. Davor sollte jeder Musikliebhaber Respekt haben, und die Klischees und Vorurteile über die Band sollten endgültig verstummen. Entlassen wird man aus dem Album mit Motion, einem rein elektronischen Chill-Out-Song, der nochmals deutlich macht, dass THEATRE OF TRAGEDY sämtliche Genregrenzen inzwischen meilenweit hinter sich gelassen haben und ihr Metier hervorragend und zugleich mit beinahe spielerischer Leichtigkeit beherrschen. Ein ganz großes Album!

Veröffentlichungstermin: 4.3.2002

Spielzeit: 42:29 Min.

Line-Up:
Liv Kristine Espenaes – Gesang

Raymond Y. Rohonniy – Gesang

Hein Frode Hansen – Schlagzeug

Lorentz Aspen – Keyboards

Frank Claussen – Gitarre

Vegard K. Thorsen – Gitarre

Produziert von Hiili Hiilesmaa
Label: EastWest

Homepage: http://www.theatreoftragedy.com

Tracklist:
Automatic Lover

Universal Race

Episode

Play

Superdrive

Let You Down

Starlit

Envision

Flickerlight

Liquid Man

Motion

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner