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SENTENCED: Crimson

Fazit: Sentenced werden wohl keinen Song wie "Nepenthe" mehr schreiben, dennoch wissen sie genau wie man einfache, mitreißende Tracks schreibt, die trotz aller Eingänigkeit nicht langweilen. Eine Platte ohne größere Ausfälle, lediglich "My slowing heart", das auf abgestoppten Akkorden aufbaut, lässt den Mitsingfaktor vermissen.

Da ist es nun also, das neue Werk meiner Lieblinge. (Ich soll objektiv bleiben, ich weiß). Also, objektiv gesehen, bietet das neue Album „Crimson“ das, was man seit „Down“ von SENTENCED erwartet: Melodien, Melodien und noch mal Melodien. Und diese Melodien sind wie immer so eingängig, dass man sie bereits nach dem ersten Hören mitpfeifen kann.

Im Vergleich zu „Frozen“ ist der Gitarrensound um einiges aggressiver und brezelt wieder richtig fett (eigentlich wollte ich dieses Wort nie wieder verwenden, aber der Gitarrensound ist nun mal fett – in seiner ursprünglichen Bedeutung) durch die Lautsprecher. Das ist nicht der einzige Unterschied: Der Gesang von Ville Laihiala ist facettenreicher geworden. Wer auf „Frozen“ die Rauheit, mit der Laihiala noch auf „Down“ zu Werke ging, vermisst, wird beim neuen Release wieder voll bedient. Daneben säuselt er sich durch die ruhigeren Parts („one more day“) und hat seinen Stimmumfang nach oben erweitert, was zwar gewöhnungsbedürftig ist – aber spätestens nach dem dritten Durchlauf überzeugt.

Auf „Crimson“ gibt es auch ein paar Überraschungen

„Crimson“ gefällt aber nicht nur durch die unwiderstehlichen Melodiebögen, sondern auch durch viele kleine Spielereien. Verzerrte Gitarren im Wechsel mit dahingeschrammelten Akkorden geben zum Beispiel dem Song „Home in Despair“ ein gewisses Suchtpotential. Gitarreneffekte, verschiedene Keyboardsounds, laute, verzerrte Riffs im Kontrast zu leisen, gezupften oder geklimperten Tönen sorgen für Abwechslung. Damit umgehen SENTENCED die Gefahr, die eingängige Titel so mit sich bringen: Die Platte läuft sich nicht tot, man kann zwar die ungefähre Struktur der Songs erahnen, dennoch gibt es ein paar Überraschungen. „Broken“ zum Beispiel verbindet SENTENCED-typische Melodien mit einen Gitarrenteil, der stark nach IRON MAIDEN klingt, und einem, der von AMORPHIS geborgt wurde, zu einem in sich stimmigen Song, der eindeutig nach SENTENCED klingt. Muss man erst mal schaffen…

Etwas unangenehm fallen mir die nicht zu überhörenden Parallelen zu H.I.M. auf. Der Mittelteil des Songs „Killing you, killing me“, in dem aus dem Gesang die Tiefen und Mitten völlig rausgenommen wurden und als Instrumentierung lediglich ein Klavier vor sich hinperlt, könnte auch von der finnischen Konkurrenz sein. Diesen Effekt scheinen die Finnen zu lieben, darum wird er gleich noch in zwei weiteren Songs verwendet, „Fragile“ und „No more beating as one“. Nicht wirklich originell, und es drängt sich doch der Verdacht auf, dass Producer Hiili Hiilesmaa, der sich auch für H.I.M.s „Greatest Lovesongs Vol. 666“ verantwortlich zeigte, SENTENCED unbedingt seinen Stempel aufdrücken musste.

SENTENCED haben weiterhin ein ausgeprägtes Gespür für Melodien

Überhaupt, auch wenn Herr Lopakka das anders sieht (könnt ihr bald in unserem Interview mit ihm lesen), erinneren die Songs doch manchmal frappierend an die härteren Stücke von Ville Valo und seinen Mitstreiter. Ob SENTENCED einen Stil entwickelt haben, der von H.I.M. übernommen wurde oder ob SENTENCED nun von H.I.M. klauen, sei mal dahingestellt. Spitzfindige Menschen werden bestimmt auch behaupten, dass „Crimson“ nicht nur ähnlich klingt wie „Greatest Lovesongs Vol.666“, sondern dass der Siebdruck auf den CDs ziemlich ähnlich aussieht. Für mich steht allerdings fest, dass SENTENCED eindeutig besser sind, da ihr Gespür für Melodien viel ausgeprägter ist und sie auch um einiges kraftvoller und härter zur Sache gehen.

Fazit: SENTENCED werden wohl keinen Song wie „Nepenthe“ (subjektiv gesehen, mein Lieblingstitel der Band) mehr schreiben, dennoch wissen sie genau, wie man einfache, mitreißende Tracks schreibt, die trotz aller Eingänigkeit nicht langweilen. Eine Platte ohne größere Ausfälle, lediglich „My slowing heart“, das auf abgestoppten Akkorden aufbaut, lässt den Mitsingfaktor vermissen.

Anspieltipp: Home in despair, Dead Moon Rising

SENTENCED „Crimson“ Tracklist

Bleed in my arms
Home in despair
Fragile
No more beating as one
Broken
Killing me, killing you
Dead moon rising
The river
One more day
With bitterness and joy
My slowing heart

Line-Up:

Ville Laihiala – Gesang
Miika Tenkula – Gitarre
Sami Lopakka – Gitarre
Vesa Ranta – Schlagzeug
Sami Kikkohovi – Bass

Spielzeit: 59:54

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