OCEANSIZE: Frames

Hier werden wieder Weltmeere erschaffen von einer der besten, unterbewertetsten Bands des (Progressive) Rocks.

Auf dieses Album hat die Progressive Rock-Gemeinde gewartet. Und die Alternative Rock-Gemeinde. Und überhaupt alle, auch wenn sie es noch nicht wissen. OCEANSIZE sind so anders und doch so vertraut. Merkt man das erst, wenn man ihre ersten beiden Alben – das fantastische Debüt Effloresce und das leicht schwächelnde Everything into Position – kennt? Nein, bestimmt nicht. Das Quintett aus Manchester nämlich wildert bei allen großartigen (Progressive Rock) Bands der letzten dreißig Jahre und erschafft so einen unaufdringlichen, jederzeit begeisternden Mix, der jeden, der in Sachen epischer Musik nicht gänzlich Scheuklappen trägt, die pure Begeisterung in den Körper treibt.

Nun beginnt das mit Spannung erwartete dritte Album der Band etwas sonderbar. Als wäre Commemorative____T-Shirt nur ein Intro, aber ein achteinhalb Minuten langes, der Songcharakter kommt nicht so richtig dabei raus. Dennoch, mit vielen kleinen Details ausgestattet, hört der Konsument hier genauer rein. Es kann doch nicht sein, dass… und schon haut Unfamiliar den Hörer um. Zweifellos, die beiden Stücke gehören zusammen. Zweifellos ist Unfamiliar der Hit des Albums, hier fahren OCEANSIZE alles auf, was sie können. Von leisen, verspielten Stellen über einen mächtigen Tritt in die Weichteile, bis hin zur totalen Hymnenhaftigkeit ist wirklich alles dabei. Weil die neuen Songs komplexer, verspielter und auch länger als in der Vergangenheit sind – nur zwei Songs sind kürzer als sieben Minuten – schleichen sich viel mehr Details in diese ein. Schwer zu fassen ist das Album, das auch nach dem zehnten Hören, wenn man schon längst infiziert wurde, wie ein kleines Mysterium wirkt.

Nach dem schwer zu fassenden, wieder das ganze Spektrum abdeckende Trail of Fire zollen OCEANSIZE zum ersten Mal auf diesem Album ihrer Herkunft Tribut. Das erste Hälfte vom wunderschönen Savant ist leise, dezent und unaufdringlich, dann kommt eine gewaltige Portion britische Melancholie zum Einsatz mit einem Streicheraufgebot, leicht poppig, aber zu verspielt, um wirklich Pop oder gar kitschig zu sein. Einfach schön. Only Twin ist wiederum auch sehr britisch, der Einfluss von RADIOHEAD ist hier omnipräsent, schadet dem Gesamteindruck aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, es ist schön, dass OCEANSIZE auf diesem Album, mehr als auf ihren anderen Werken, zu ihren großen Inspirationen stehen: PINK FLOYD, RADIOHEAD und – man mag es kaum glauben – alte OASIS und frühe THE VERVE. Dass aber all das auch Fans von Bands wie ISIS und CULT OF LUNA begeistert, liegt eher in der Natur der Hörgewohnheiten, als an dem musikalischen Background. Eine Verwandtschaft ist auf jeden Fall gegeben, das erkennt sogar ein Tauber.

OCEANSIZE stehen auf breite, epische Arrangements, ebenso wie die eben erwähnten CULT OF LUNA, das hört man eindeutig an dem zehnminütigen Instrumental An Old Friend of the Christies, das leise startet und dann über den Weg des düsteren, bedrohlichen, langsam die Fresse eintritt und dabei so erlösend wirkt. Und überhaupt erleben wir OCEANSIZE noch von einer Seite, die härter ist als das meiste von ihnen (lassen wir die Music for Nurses-EP mal außen vor): In Sleeping Dogs and Dead Lions prügeln sie im MESHUGGAH-Stil und verfallen gleichzeitig in Experimente wie man sie von THE MARS VOLTA gewöhnt ist. Das ist ungewöhnlich und anstrengend, doch zum Abschluss zeigen die fünf Musiker aus Manchester noch mal, was sie in Sachen Songwriting drauf haben: Die abschließende Hymne The Frame ist den Umständen entsprechend bodenständig, aber dennoch ein großer Song mit mutig aufgefahrenem Bombast in dem sich Leadgitarren mit Streichern duellieren, man könnte weinen vor Glück.

Auch wenn OCEANSIZE auf Frames ihren Weg konsequent weiterverfolgen, sie zeigen deutliche Ansätze einer Entwicklung: Mehr Bombast, aber auch mehr Verspieltheit, mehr Zugeständnisse an Pop, ohne dabei auch nur im Entferntesten kommerziell zu wirken. Das geschieht vor allem durch die vermehrten Streichereinsätze, aber auch durch die nun häufiger eingesetzten, flächigen Keyboards und Retro-Synthies – dafür wird auf die totale Gitarrenwand auch gerne mal verzichtet. Im Endeffekt sind OCEANSIZE die Gleichen geblieben, die charismatische, komplexe und verspielte Arbeit der drei Gitarristen steckt noch immer alle Konkurrenten in die Tasche, der großartige Gesang von Mike Vennart, der von traurig und leise bis hin zu krankem Geschrei reicht. Aber hauptsächlich klingt er so, wie er am besten ist: Wenn Mike einfach singt, ungefiltert, natürlich und ehrlich läuft dem Hörer nach wie vor ein Schauer über den Rücken.

OCEANSIZE sind alles andere als eine gewöhnliche Rockband, sie sind eine Band, die dem Progressive Rock ein neues Gesicht geben, eben weil sie gänzlich anders sind und doch so vertraut wirken. Selbst wenn ihr Name nach Arroganz klingt, das Quintett hat damit einfach recht. Hier werden Weltmeere erschaffen, hier drin kann man ertrinken und sich verlieren. Auf nimmer wieder sehen, Welt, Umgebung, Probleme, Schmerzen, Gedanken – in dieser Welt, diesem Rahmen möchte ich gerne immer sein.

Veröffentlichungstermin: 28. September 2007

Spielzeit: 65:53 Min.

Line-Up:
Mike Vennart – Lead Vocals, Guitar
Gambler – Guitar, Vocals
Steve Durose – Guitar, Backing Vocals
Steven Hodson – Bass, Keyboards
Mark Heron – Drums

Label: Superball Music

Homepage: http://www.oceansize.co.uk

Tracklist:
1. Commemorative____T-Shirt
2. Unfamiliar
3. Trail of Fire
4. Savant
5. Only Twin
6. An Old Friend of the Christies
7. Sleeping Dogs and Dead Lions
8. The Frame

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