Manchmal merkt man erst, wenn etwas weg ist, dass es fehlt. So geht es auch MONO, die mit dem ersten Teil ihrer „Heaven“-EP-Serie sich auf ihre hoffnungsvollsten und schönsten Momente konzentrieren wollen. Im Prinzip ist das eine schöne und auch wichtige Sache, in diesen Zeiten der Klimakrise, der Kriege, der wild gewordenen Autokraten. Doch in diesen zwanzig Minuten wird deutlich, wie sehr MONO Pathos brauchen, wie wichtig das Drama ist, damit sie relevant bleiben. Denn hieran fehlt es, und „Heaven, Vol. 1“ gerät einer harmonischen, schönen Ehe gleich: Es wird etwas langweilig, weil die Reibung fehlt.
MONOs neue EP-Serie beginnt mit viel Harmonie und wenig Pathos und Drama: „Heaven, Vol. 1“ fehlt die Reibung, um wirklich relevant zu sein
Immerhin: MONO sind Meister ihres Fachs, und das zeigt sich auch auf dieser EP. Der cineastische, rein instrumentale Post Rock der japanischen Formation ist routiniert geschrieben, und rein objektiv betrachtet bietet „Heaven, Vol. 1“ alles, was solide MONO-Songs brauchen. Das zehnminütige „Lucia“ feiert die Geburt des Kindes des TEMPORARY RESIDENCE-Gründers (das US-Label der Band), steigert nach einem ruhigen Beginn im weiteren Verlauf seiner der Minuten in ein lautes, flirrendes, lärmendes Crescendo, mit allerhand verzerrt schreiender Gitarren. Dass dieses Stück jedoch nur laut wird, und nicht an den Eingeweiden packt, ist die andere Sache. So wuchtig „Lucia“ am Ende ist und so bezaubernd die Absicht ist, diesem jungen Menschen ein Lied zu widmen, so schnell ist es auch wieder vergessen.
Das synthesizerbasierte „Smile“ geht im Anschluss ziemlich unter. Es besteht aus reduziertem Schönklang, ist unaufgeregt und leider auch nicht wirklich aufregend – ein klassisches Füllstück, das die Grenze zum Kitsch mit Anlauf überspringt. Auch „Silent Embrace“ kreist um ein immergleiches Thema, angeführt von Piano, unterlegt mit sehr sanften Streichern, einer relativ unspektakulären Gitarre und entspannt, aber doch kräftig groovenden Drums. Jedoch: In diesen sechs Minuten geht der Plan MONOs schließlich auf, auch durch das Konzept des Songs das Erwachsenwerden zu untermalen. Das Thema des Stücks ist dabei so bezaubernd, die Arrangements sind derart liebevoll gestaltet, dass das mit sanfter Melancholie gewürzte, poetische „Silent Embrace“ eine kleine Ladung Serotonin im Gehirn auslösen kann.
Ein versöhnlicher Abschluss und rettet „Heaven, Vol. 1“ – MONO haben in ihrer Karriere dennoch stärkere EPs geschaffen.
Dass MONO im EP Format begeistern können, bewiesen sie in der Vergangenheit so manches Mal, sei es vergleichsweise experimentell mit anderen Musiker*innen wie „Exit In Darkness“ mit A.A. WILLIAMS, oder auch als ganz sie selbst mit der legendären „Memorie Dal Futuro“-EP. „Heaven, Vol. 1“ wirkt im Vergleich dazu und im Angesicht zum starken 2021er-Album „Pilgrimage Of The Soul“ eher lau. Das ist schade, da MONO als Instrumentalisten und Songwriter zu den allergrößten der Post Rock-Zunft gehören. Ein richtiger Ausfall ist diese EP zwar nicht geworden, dank des sentimental-schönen Abschlusses. Am ehesten finden an „Heaven, Vol. 1“ daher wohl die eingefleischten MONO-Fans gefallen. Freche Menschen würden behaupten, dass es sich dabei um diejenigen handelt, die keinen Ehekrach riskieren wollen und sich ganz, ganz viel Harmonie wünschen.
VÖ: 24. März 2023
Spielzeit: 20:17
Line-Up:
Takaakira „Taka“ Goto – Guitar
Tamaki – Bass, Piano
Yoda – Guitar
Dahm – Drums
Label: Pelagic Records
MONO „Heaven, Vol. 1“ Tracklist:
1. Lucia
2. Smile
3. Silent Embrace (Official Visualizer bei Youtube)
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