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LUSTMORD & KARIN PARK: Alter

„Alter“, die Kollaboration zwischen LUSTMORD und KARIN PARK, ist in der tiefsten Finsternis und im hellsten Licht zu Hause.

Betreten wir unsicheres Terrain, auch auf der Metaebene. Dark Ambient-Erfinder Brian Williams alias LUSTMORD selbst könnte schon ein ganzes Magazin füllen, und wer nicht mindestens zehn seiner Alben im Schrank hat, verdient es nicht einmal, als Anfänger bezeichnet zu werden. Und ja, zu diesen Menschen zähle ich. Davon abgesehen kann seine Musik nicht gerade als Wohlfühlmusik bezeichnet werden, sodass auch auf diese Art der Boden unter den Füßen immer wieder wackelt. Zusammen mit KARIN PARK, die immer wieder als Sängerin von ÅRABROT für Aufhorchen sorgt, aber auch ansonsten eine geachtete Avant-Pop-Künstlerin ist, entstand eine Kollaboration, die kaum mehr Tiefe besitzen könnte.

LUSTMORD beschwört den Horror herauf und bildet so die Basis für KARIN PARKs erlösende Gesangsperformance

Und scheinbar ist es eine echte, musikalische Liebesaffäre, die wir hören und spüren dürfen. KARIN PARK sagt, Williams sei der Gustav Doré der Musik, und die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Immerhin „malt“ LUSTMORD Bilder von atemberaubender Detailfreudigkeit als Basis für die Performance von KARIN PARK. Konkret liegt „Alter“ zwischen Sounds aus den tiefsten Höllenschlünden und bedrohlichen Drones, ohne offensiv verstörend zu werden oder sich billiger Schockeffekte zu bedienen. Der Horror kriecht leise aus den hintersten Ecken des Bewusstseins dem Hörer entgegen, aber dann gibt es auch immer wieder Momente, die wie ein Licht wirken.

Bildlich gesprochen wirkt es so, als wäre ein tiefer Graben zwischen LUSTMORD und KARIN PARK, und beiden blicken sich vom jeweils gegenüberliegenden Kraterrand an, während sich die Töne in der Mitte treffen und miteinander verweben. Zwischen den beiden Parteien ist ein Abgrund, die bodenlose Schwärze LUSTMORDs und der ätherische Gesang von KARIN PARK spielen und ringen miteinander. Wenig verwunderlich, dass „Alter“ eine sehr cineastische Wirkung hat. Überhaupt, diese Musik wirkt, als wäre sie für surreales Kino, wie den estnischen Film „November“ von Rainer Saarnet geschrieben worden.

„Alter“ verändert ständig die Form und scheint ein Eigenleben zu besitzen

Über eine Stunde dauert die Vermengung beider Pole, und immer wieder gibt es neue Facetten zu entdecken. Und gerade hier kommt KARIN PARK so richtig ins Spiel. Die totale Anmut ihrer Stimme bringt ein Licht in die Schwärze. Wer einen Anhaltspunkt braucht: Ja, es darf an DEAD CAN DANCE gedacht werden. Manchmal beleuchtet sie mit ihrem Gesang dabei das Furchtbare, das eigentlich im Dunkeln bleiben sollte. Manchmal leuchtet sie aber gerade wegen der umgebenden Dunkelheit wie der hellste Stern. Und in „Song of Sol“ zieht sie sogar die sie umgebende Musik aus der Finsternis empor. Dennoch ist der Titel Programm: „Alter“ verändert ständig die Form, was beim ersten Hören wunderschön klingt, kann beim kommenden Durchgang schon wieder fast unerträglich grimm sein. Man könnte meinen, dieses Album hat ein Eigenleben.

Langsam pulsierende Beats ziehen sich immer wieder durch die Stücke, wodurch auch lange Lieder wie „The Void Between“ und „Twin Flames“ etwas Repetitives haben. Das gelingt aber auch mittels der spärlich eingesetzten Melodik, wie in „Kindred“, in dem die Stimme ausnahmsweise schweigt. In Summe ist „Alter“ ein rauschhaftes Gebilde, das durch die Gesangsperformance, die auf Intuition statt auf Lyrik setzt, massiv aufgewertet wird. Somit ist es KARIN PARK, die aus dieser Kollaboration das Maximum herausholt. LUSTMORD selbst liefert natürlich einzigartig dunkle Sounds, aber ein wenig Business as usual ist es dann doch – auf seiner Seite liegt das Überraschungsmoment sicherlich nicht. Insgesamt beglückt und verstört „Alter“ gleichermaßen und bietet viel Stoff für Tage, in denen man das Haus lieber nicht verlässt und sich eher mit sich selbst befasst. Also vielleicht doch ein Komfortzonenalbum, aber auf einer wieder anderen Ebene – wer weiß das schon.

Wertung: 6 von 8 Metaebenen

VÖ: 25. Juni 2021

Spielzeit: 66:02

Line-Up:
LUSTMORD
KARIN PARK

Label: Pelagic Records

LUSTMORD & KARIN PARK „Alter“ Tracklist:

1. Hiraeth (Official Video bei Youtube)
2. The Void Between
3. Perihelion
4. Twin Flames (Official Audio bei Youtube)
5. Entwined
6. Kindred
7. Song of Sol (Official Video bei Youtube)
8. Sele

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