JOHN LEES´ BARCLEY JAMES HARVEST: Legacy – Live at Shepherd´s Bush Empire

Bei Kerzenschein und mit einem Glas Wein in der Hand reicht diese CD auf jeden Fall für ein "Hach, damals, weißt du noch…".

Den älteren Vampsteranern braucht man zu den Kuschelrockern BARCLAY JAMES HARVEST wohl nichts mehr sagen. Jüngere Menschen bleiben sicher eher mit einem fragenden Blick zurück oder denken vielleicht kurz an Papas Plattensammlung. Vor 40 Jahren tauchten die Briten in der Musikszene auf, feierten große Erfolge auf dem Festland, während man in der Heimat nie wirklich groß wurde, und gingen durch reichlich mehr Tiefen als Höhen über die folgenden Jahre. Unvergessen bleibt aber das Megakonzert 1980 in Berlin, bei dem die Band eine Show bei freiem Eintritt spielte und so den Höhepunkt in der Bandgeschichte setzte, nachzuhören auf dem Album Berlin – A Concert For The People. Es folgten zu weniger spektakulären Alben reichlich Besetzungswechsel, die soweit führten, dass es irgendwann gleich zwei Bands unter dem Banner BARCLAY JAMES HARVEST gab, eine um Sänger/Basser Les Holroyd, eine um Gitarrist John Lees und Keyboarder Stewart Wolstenholme. Letztere brachte 1999 die Studioscheibe Nexus und kurz darauf das Live-Album Revival raus. Nun steht also eine weitere Live-Platte an mit ausgewählten Klassikern, mitgeschnitten am 05.11.2006 im Londoner Shepherd´s Bush Empire.

Keine Frage, Songs wie Child of the universe oder Poor man´s moody blues sind auch heute noch wunderschön. Und das kitschig-schöne Hymn hört man gerade jetzt zur Weihnachtszeit wieder überall, nur nicht so ausdruckslos wie hier auf dieser Live-Scheibe.
Dazu trägt auch der zeitweise etwas wackelige Gesang bei. Dass John Lees immer noch eine einzigartige, berührende Stimme hat, nun, das wird dagegen niemand bestreiten. Die nachdenklichen Texte tragen den Zeitgeist der späten 70er.
Auch sein gefühlvolles Gitarrenspiel kommt immer noch sehr gut. Es gibt durchgehend ruhigen, leicht progressiven Rock der alten Schule, heute wohl eher Art-Rock betitelt. Hier stehen Song, Gefühle und viel Melodie im Vordergrund. Ein verspieltes Schlagzeug, begleitet vom unaufdringlichen Bass und breiten Keyboardteppichen legen das Fundament für das ebenso verspielte, sehr differenzierte Gitarrenspiel. Laute Momente findet man zumindest hier in dieser recht gelungenen Songauswahl fast nicht, wer die leisen Momente von PINK FLOYD minus Psychedelic oder vielleicht auch die ganz ruhigen MARILLION-Sachen mag, der wird sich von den BARCLAY JAMES HARVEST-Songs gern einlullen lassen.

Nur: sehr auf ruhig getrimmt wird die Gefahr groß sein, dass Legacy vielleicht langweilig wird, zumal sich auch einige falsche Töne eingeschlichen haben. Live in Berlin war einfach phänomenal, da bleibt das aktuelle Album doch weit von entfernt. Demgegenüber steht die intime Atmosphäre einer kleineren Location, womit der Vergleich mit dem Berliner Konzert vor 175000 Menschen natürlich eh etwas hinkt. Nach und nach entfaltet Legacy dann doch seinen Charme, um einen Leseabend oder eine Kuschelrunde zu begleiten reicht das Album durchaus. Nur an die alten Studioalben oder das für mich immer zu bombastische Berliner Live-Album kommt Legacy nicht heran.
Nach ein paar Durchläufen wird mir klar, dass man lieber mal wieder die Gone to earth rausholen und die schönen ruhigen Klänge genießen sollte. Legacy – Live at Shepherd´s Bush Empire ist eher etwas für absolute Fans der Band, und die findet man eher in der Ü-30/40er Generation. Die sollte dann aber eher zur parallel erschienenen DVD greifen, welche das komplette Konzert beinhaltet und das Herz der Fans eher erwärmen wird, wenn sie den Herren beim Musizieren zuschauen können. Bei Kerzenschein und mit einem Glas Wein in der Hand reicht diese CD aber auf jeden Fall für ein Hach, damals, weißt du noch….

Tipp für die jungen Vampsteraner: wenn Ihr immer schon das Gefühl hattet, bei A whiter shade of pale oder Nights in white satin gezeugt worden zu sein und/oder Eure Eltern immer damit angeben, dass sie damals Bands wie SUPERTRAMP, PINK FLOYD, AMERICA und so gehört haben – dann wäre Legacy – Live at Shepherd´s Bush Empire sicher ein willkommenes Last-Minute-Geschenk unter´m Baum! Ratzfatz sind die Herrschaften in Kuschellaune und Ihr habt eure Ruhe…

Veröffentlichungstermin: 05.11.2007

Spielzeit: 77:43 Min.

Line-Up:
John Lees – Gesang, Gitarre
Woolly Wolstenholme – Mellotron, Keyboards, Gesang, Akkustik Gitarre
Michael Bramwell – Keyboards
Craig Fletcher – Bass, Gesang
Kevin Whitehead – Schlagzeug, Percussion, Vocals
J.J. Lees – Cornet

Produziert von Mark Powell, John Lees, Woolly Wolstewnholme
Label: Cherry Red/Rough Trade

Homepage: http://www.barclayjamesharvest.com

Tracklist:
1. Valhalla
2. For no one
3. Child of the universe
4. The iron maiden
5. The great 1974 mining desaster
6. Poor man´s moody blues
7. Suicide
8. Medicine man
9. In search of England
10. Poor wages
11. Mockingbird
12. The poet / After the day
13. Hymn

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