Er ist mittlerweile ein eigenes Genre: The one and only Kristian Eivind Espedal, besser bekannt als Gaahl. Im vergangenen Jahr war Bergens Bad Boy recht präsent, einmal mit den wiederbelebten TRELLDOM, deren Avant-Album „…By The Shadows“ eher gemischt aufgenommen wurde, und einmal mit WHISPERING VOIDs Debüt „At The Sound Of The Heart“. Sein derzeit aktuelles Flaggschiff GAAHLS WYRD ließ indes provokativ lange auf sich warten, nun ist „Braiding The Stories“, Album Nummer zwei, da – sechs Jahre nach dem Debüt „GastiR – Ghosts Invited“ und dreieinhalb Jahre nach der letzten EP „The Humming Mountain“.
GAAHLS WYRD haben Black Metal noch in der DNA, „Braiding The Stories“ lässt sich dem Genre aber nicht mehr zuordnen.
Der lahme Spruch, dass Gaahl ein eigenes Genre sei zeichnete sich schon auf „The Humming Mountain“ ab. Black Metal ist das nur noch in seinen Grundzügen, vor allem die ersten beiden Tracks. Nach dieser Entwicklung war nun wirklich nicht damit zu rechnen, dass GAAHLS WYRD den Weg zurück in den grimmigen Black Metal nehmen würde, richtig? Oder, jetzt erst recht? Nein, „Braiding The Stories“ entwickelt GAAHLS WYRD konsequent weiter. Der Black Metal-Anteil wird weiter zurückgefahren, zugunsten von dunkler, zum Greifen dichter Atmosphäre. Die große Qualität von „Braiding The Stories“ ist es dabei, die Dynamik via Push and Pull effektiv zu steuern, wobei sich das Album eher selten entlädt und eher sparsam mit den großen Höhepunkten umgeht.
Dabei ist der Titel nicht zufällig gewählt. GAAHLS WYRD mäandern stilistisch durch vieles, dunklen Metal auszeichnet. Es ergibt sich ein Geflecht aus Stimmungen und Themen, aus Songs und Fragmenten. Wie verflucht gut das funktionieren kann, zeigt nach kurzem Intro „The Dream“ der Titelsong, der sich in seinen achteinhalb Minuten von einem schaurigen Gothrock-Stück hin zu einem von melancholisch-erhabenen Leadgitarren getragenen, leidenschaftlichen Epos steigert, bei dem Gaahls dunkles Timbre fast zum Beiwerk verkommt. Ein sagenhaft guter Auftakt für dieses Album, allerdings hat es der Rest der Songs ab diesem Moment naturgemäß schwer, auch weil die Stücke dann kürzer und unberechenbarer werden. „Time And Timeless Timeline“ setzt den Fokus auf Thrash-Riffs und Blast Beats – das ist schmissig und in Verbindung mit den Vocals auch irgendwie frisch, aber bei weitem nicht so bewegend wie der Titelsong.
Gaahl zeigt, wie breit sein Gesangsspektrum ist – die Musik von GAAHLS WYRD folgt entsprechend: „Braiding The Stories“ ist ein Potpourri aus All Things Dark Metal.
Generell brilliert Gaahl mit seiner Gesangsperformance. Er verzichtet völlig auf extreme Vocals, baut sein Spektrum des dunklen Gesangs aber erstaunlich gut aus. Ein Song wie „And The Now“ basiert dann fast auf seiner Präsenz, wobei viele Details mit Gitarren und Synthesizern in dem leisen, aber unruhigen Stück Spannung aufbauen. Allein, wirklich entladen kann sie sich nicht, auch nicht mit dem stampfenden Noise-Finale zwischen schwarzmetallischer Schroffheit und Industrial. Klassischer muten die ersten Takte von „Visions And Time“ an, in der Folge ist der Song aber reichlich zerfahren und man meint, GAAHLS WYRD hätten zur Zeit der Komposition etwas zu viel GENESIS der 1970er gehört. Immerhin liefert das Stück dann zumindest eine angedeutete Klimax.
Wie bei „The Humming Mountain“ und „GastiR – Ghosts Invited“ stammt die Produktion von Iver Sandøy, doch gerade der Gitarrensound wirkt etwas flach und trocken, weshalb „Braiding The Stories“ zumindest dann, wenn die Gitarren verzerrt sind, zu komprimiert klingt. Schade, denn die Drums und der Bass sind sehr gut räumlich eingefangen. Deutlich wird das bei „Root The Will“, das abermals eine etwas gebremst-thrashige Seite von GAAHLS WYRD zeigt. Am Ende reißt sich die Band dann aber noch zusammen und hat mit „Flowing Starlight“ den zweiten großen Hit zu bieten: Ein treibender Post Punk-Rhythmus, flirrende Post Black Metal-Riffs und kaum kitschige Synthesizer wechseln sich mit düster-beschwörenden Momenten ab. Ein versöhnlicher Abschluss für ein unentschlossenes Album.
Vielschichtig und abwechslungsreich, aber auch unentschlossen und nicht immer auf den Punkt kommend: GAAHLS WYRD haben auf „Braiding The Stories“ erstmalig mit dem Songwriting zu kämpfen.
„Braiding The Stories“ hat viel zu bieten und fährt ein großes Panorama auf. Die Songs und das Album als Ganzes sind vielschichtig und abwechslungsreich, kommen aber zu oft nicht auf den Punkt. Somit erreichen Espedal und seine Mitstreiter einzelne unglaubliche Höhen, dümpeln zwischendurch aber auch ziellos dahin. Als wären GAAHLS WYRD nach einem vielversprechenden Beginn des Songwritings in ein kreatives Loch gefallen. „Braiding The Stories“ ist also nicht ganz das, was man sich erwarten durfte. Dank Lust Kilmans ausgezeichneter Gitarrenarbeit und Gaahls vielleicht bester Gesangsperformance überhaupt und den beiden ganz starken Songs, retten GAAHLS WYRD ihr zweites Album. Und wer weiß, vielleicht waren die vielen Projekte der letzten Zeit doch etwas viel für Kristian Eivind Espedal.
Wertung: 6,5 von 9 Zottelige Zöpfe
VÖ: 6. Juni 2025
Spielzeit: 42:13
Line-Up:
Kristian Eivind „Gaahl“ Espedal – Vocals
Ole „Lust Kilman“ Walaunet – Gitarre
Andreas „Nekroman“ Salbu – Bass
Kevin „Spektre“ Kvåle – Schlagzeug
Label: Season Of Mist
GAAHLS WYRD „Braiding The Stories“ Tracklist:
1. The Dream
2. Braiding The Stories (Lyric-Video bei YouTube)
3. Voices In My Head
4. Time And Timeless Timeline (Official Video bei YouTube)
5. And the Now (Official Audio bei YouTube)
6. Through the Veil
7. Visions And Time
8. Root The Will
9. Flowing Starlight
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