ENSLAVEMENT OF BEAUTY: Megalomania

Dekadenz und Aggression. Shakespeare und Schnaps. Vorhang auf für entzückende Kleinode über die alltägliche Perversion.

Dekadenz ist eine Eigenschaft von Menschen, die gemeinhin als negativ ausgelegt wird. Und ja, auch ich betrachte es als mehr als negativ, für die Fahrt zum Briefkasten oder zum Bäcker das Auto zu benutzen. Dekadenz muß aber nicht zwangsläufig negatives bedeuten. Man nehme nur das herrliche Gefühl, abends bei einem Glas Whiskey einen Cigarillo zu rauchen und über die Schlechtigkeit der Welt zu reden, in der festen Überzeugung, selbst nicht dazu zu gehören. Klar ist das vermessen, aber ist es nicht genauso nötig, um der Oberflächlichkeit der Welt wenigstens einmal zu entfliehen?

Wer diesen Ausführungen mit einem Kopfschütteln gefolgt ist, wird auch nicht verstehen, warum ich „Megalomania“, das Zweitwerk der Norweger ENSLAVEMENT OF BEAUTY, so mag und immer wieder höre. Denn hier wird die Dekadenz, das Sich-über-die-Welt-Stellen, quasi zelebriert. Es wird zelebriert, indem unzählige wunderschöne, einfache, harmonische und stark der Klassik und des Barocks entliehene Melodien mit der dreckigen Rohheit des Rock’n’Roll, hier verkörpert durch Black Metal-Gesang und räudiger Gitarre, kombiniert wird. Mischt man dieser Mischung noch lyrisch recht gute Texte bei, die sich an Shakespeare anlehnen, erhält man einen süchtig machenden Cocktail, der das oben angesprochene Glas Whiskey fast schon übertrifft. Schon das erste Stück, „Dainty Delusive Doll“, begeistert mit ungemein viel Rock-Spirit und vermag dabei immer dieses herrlich süße Klassik-Parfum zu versprühen – irgendwie wie Shakespeare nach einer Flasche Rotwein. Spätestens beim vierten der vierzehn Kleinode, „Malignant Midwinter Murders“, ist der Hörer endgültig gefangen in dieser Welt, denn hier treffen wunderschöne Keyboard-Melodien auf einen herrlich bösartigen Text und einen instrumentalen Mittelteil, der einfach nur berauscht.

„I recall the glorious days of our malignant midwinter murders

Oh, how benignly malignant we were…”

Wie wahr – irgendwie ist vielleicht gerade diese Musik, obschon wirklich extrem harmonisch, in ihrer Süßlichkeit extrem böse. Denn Dekadenz und der Anspruch, über dieser Welt zu stehen, verbinden sich nunmal zu einem Gefühl tiefer Verachtung gegenüber Dummheit und Idiotie. Inwieweit dies aber gefährlich werden kann, muß jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil empfinde es hin und wieder durchaus als befreiend.

„Imagine the starry eyed audience chasing us through the cold slop of reality

Exhibited as mannequins in a menage a trois, our design would be their wounds

We would never follow the script, never pass them but a fake smile

And every movement would be motely, dispelled from morals”

heißt es in “Ye That Tempeth, Ye That Bequeth” treffend. Wer sich davon angeprochen fühlt und sich auch von oftmals dominanten Keyboards (die weit von Kitsch entfernt sind!) nicht abschrecken läßt, wer Rock’n’Roll in seiner Bedeutung als Ruf nach Freiheit liebt, wer auch mal der Klassik fröhnt, der wird dieses Album genauso mögen wie ich.

VÖ: 10.9.2001

Spielzeit: 57:02 Min.

Line-Up:
Ole Alexander Myrholt – vocals

Tony Eugene Tunheim – guitars/programming

Hans Age Holmen – bass

Asgeir Mickelson – drums

Label: Head not Found

Homepage: http://www.enslavement-of-beauty.com

Tracklist:
1. Dainty Delusive Doll

2. The Venial Blur

3. Late Night, Red Wine Blight

4. Malignant Midwinter Murders

5. Comme il faut

6. Benign Bohemian Brilliance

7. Prudence Kept Her Purity

8. Seven Dead Orchids

9. The Dying Buds Of May

10. Fifteen Minutes

11. Ye That Tempeth, Ye That Bequeth

12. C17-H19-N03-H20

13. Tangled In Grand Affection

14. Crowd Of Mourners

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