Mehr Musical als Album? Die Worte Sami Hinkkas dürften im Vorfeld bei so manchem Fan für mindestens Stirnrunzeln, wenn nicht gar Kopfzerbrechen gesorgt haben. Wohl auch deshalb stellt das flotte „Winter Storm Vigilante“ nach dem stimmigen Intro „Aurora“ direkt zum Auftakt klar, dass ENSIFERUM ihre Spielwiese zwar um einige Power-Metal-Anleihen erweitert haben, den treibenden Mix aus Melodic Death Metal und Folk-Melodien jedoch immer noch wie im Schlaf beherrschen.
Ein weniger epischer und größer wirkt „Winter Storm“ dagegen trotzdem. Das liegt weniger an den gelegentlichen Fanfarenstößen, sondern den erhaben angelegten Gesangslinien, die Keyboarder Pekka Montin wie auf den Leib geschneidert scheinen. Im Vergleich zum Vorgänger „Thalassic“ (2020) rückt Songwriter Markus Toivonen seinen vielseitigen Kollegen nun deutlich öfter ins Rampenlicht. Das ermöglich einerseits eine bis dato nicht gekannte musikalische Bandbreite, drängt das charakteristische Organ Petri Lindroos‘ im Gegenzug jedoch phasenweise in den Hintergrund.
ENSIFERUM erweitern auf „Winter Storm“ ihre Spielwiese – das offenbart neue Möglichkeiten, aber auch Risiken
Das geht auf Albumlänge unweigerlich zu Lasten der Aggresivität, zumal auch noch die folkige Power-Ballade „Scars In My Heart“ in Gänze von Madeleine Liljestams (ELEINE) lieblicher Stimme getragen wird. Etwas mehr Biss hätte der losen Konzeptgeschichte tatsächlich gutgetan, da ENSIFERUM gerade in der zweiten Hälfte den Elan des Auftakts nicht halten können. So versandet „The Howl“ nach interessantem Beginn zusehends, während das fast neunminütige „From Order To Chaos“ zum Ende sogar ordentlich zulegt und eigentlich nichts falsch macht, würden die Finnen es beim Songwriting nicht zu glatt und risikofrei halten.
Wenn „Fatherland“ hingegen ungebremst nach vorne prescht und dies mit einem feierlich dargebotenen Refrain der SABATON-Schule verbindet, greifen alte wie neue Tugenden lückenlos ineinander. Hier zeigt sich das Potenzial des gegenwärtigen Line-ups genauso wie im aufrüttelnden Finale „Victorious“, wo neben Pekka Montin die komplette Band brillieren darf. Spätestens hier sollten sich auch die Falten auf der Stirn gelegt haben, denn ein Musical im klassischen Sinn haben ENSIFERUM mit ihrem neunten Werk selbstverständlich nicht konzipiert.
Was „Winter Storm“ jedoch versucht, deutet auf die künftige Marschrichtung der Band hin: Mit einem breiteren Repertoire zur Verfügung als je zuvor, dürfte auch das bisherige Korsett für die Nordeuropäer bald zu eng werden. Ganz vom Tisch ist Sami Hinkkas Vision mit Blick auf die Zukunft somit nicht.
Veröffentlichungstermin: 18.10.2024
Spielzeit: 43:17
Line-Up
Petri Lindroos – vocals, guitars
Markus Toivonen – guitars, vocals
Sami Hinkka – bass, vocals
Janne Parviainen – drums
Pekka Montin – keyboards, vocals
Produziert von Janne Joutsenniemi und Jens Bogren (Mix)
Label: Metal Blade
Homepage: https://ensiferum.com/
Facebook: https://www.facebook.com/Ensiferum
Instagram: https://www.instagram.com/ensiferummetal
Bandcamp: https://ensiferum.bandcamp.com
ENSIFERUM “Winter Storm” Tracklist
01. Aurora
02. Winter Storm Vigilantes (Video bei YouTube)
03. Long Cold Winter of Sorrow and Strife (Lyric-Video bei YouTube)
04. Fatherland (Video bei YouTube)
05. Scars in My Heart (feat. Madeleine Liljestam)
06. Resistentia
07. The Howl
08. From Order to Chaos
09. Leniret Coram Tempestate
10. Victorious