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CHURCH OF THE SEA: Eva

CHURCH OF THE SEA zeigen sich auf ihrem etwas zu kurzen zweiten Album „Eva“ als experimentierfreudig operierende Doomgaze-Band, die stets die Songs an sich im Blick hat und durch ihre Klarheit mit der internationalen Konkurrenz locker mithalten kann.

Was steht da nun im Buch Genesis geschrieben: Der Sündenfall oder ein Lehrstück darüber, eigene Entscheidungen zu treffen? Die Kirchen haben einen eindeutigen Blick darauf. Das Weib begeht die Ursünde und alle folgenden Zivilisationen sollen darunter leiden. Don’t bite the hand the feeds you, sagt der an unsympathischer Attitüde schwer zu übertreffende Gott, Hauptantagonist des Menschen im alten Testament. Freilich, so eine Geschichte ist perfekt, um Jahrtausende der Unterdrückung zu rechtfertigen. Heute aber werden Personen, die Neuinterpretationen wagen, glücklicherweise nicht mehr ad hoc verbrannt. Ein bisschen schlauer ist die Menschheit also schon geworden.

Die Frau, die vom Baum der Erkenntnis nahm und damit ihren männlichen Konkurrenten hinter sich ließ und sich bewusst gegen Gott stellte, hat das Potenzial für eine kraftspendende Geschichte. CHURCH OF THE SEA erzählen diese mit ihrem zweiten Album, konsequent „Eva“ betitelt. Das griechische Doomgaze-Trio bringt alles dafür mit, das es braucht, um diese Alternativerzählung kohärent wirken zu lassen. Mit ihrem vor drei Jahren erschienen Debütalbum „Odalisque“ hinterließen CHURCH OF THE SEA bereits einen sehr guten Eindruck, lediglich an der Prägnanz und Dringlichkeit ihrer Musik gab es noch etwas zu tun. „Eva“ ist mindestens ebenso kompakt, aber abwechslungsreicher und hat dennoch einen guten Fluss.

Viel Dynamik, schöne Synthesizer, spannende Gitarrenarbeit und eine starke Stimme: CHURCH OF THE SEA spielen ihre Stärken auf „Eva“ selbstbewusst aus.

Der Quasi-Opener „The Siren’s Choice“ beginnt mit beschwörenden Riffs und dunkler Atmosphäre und sortiert die Band irgendwo zwischen KING WOMAN und ISON ein – ein guter Start, der sich Zeit lässt und diejenigen belohnt, die mit voller Aufmerksamkeit und Hingabe dabei sind. Mit den Synthesizern, die auch in der Folge immer wieder eingesetzt werden, spannen CHURCH OF THE SEA musikalisch trotz ihrer vielen Facetten einen roten Faden durch das Album. „Garden Of Eden“ ist heavy, kraftvoll, hat wuchtige Riffs und funktioniert auch mit diesen Sounds prima. Der Titelsong, „Widow“ und „Churchyard“ sind etwas leiser und beschwörender. Sie basieren auf subtilen (E-Bow-)Gitarren, Soundscapes und ein pulsierenden Beats an der Schwelle von Trip-Hop und Industrial mit dynamischen Steigerungen und heavy verzerrten Gitarren.

Nicht nur die Synthesizer färben die Musik auf „Eva“, die Gitarren und Beats sind klug eingesetzt und erdrücken niemals das Gesamtbild. Somit passt hier alles gut rein: die Düsternis, die Atmosphäre zwischen Trip Hop, Post Rock und Industrial, die subtile psychedelische Seite. Weil die Instrumente die Songs so gut zusammenhalten, kann sich Irenes Stimme auch allen Facetten anpassen. Ihr kraftvoller, aber auch gefühlvoller Gesang steht dabei nicht zu sehr im Vordergrund – muss er auch gar nicht, denn ihre Performance hat Klasse und überzeugt in jeder Klangfarbe. Lediglich das letzte Quäntchen Eigenständigkeit fehlt ihrer Stimme. Vielleicht hätten, auch um ihre Stimme etwas ausladender zu präsentieren, ein paar Songs mehr dem Album gutgetan.

CHURCH OF THE SEA machen sehr vieles richtig: „Eva“ ist ein spannendes, reichhaltiges Album mit vielen Details, Stimmungen und einer betörenden Atmosphäre.

Wer ISON und CHELSEA WOLFEs „Abyss“ liebt, sollte bei „Eva“ genau hinhören. CHURCH OF THE SEA sind außerdem lebensfreundlicher als FVNERALS, auch trotz des sehr düster-atmosphärischen Abschlusses „How To Build A Universe Pt. II“ – diese Sounds versprechen kein Happy End für die Alternativgeschichte des Sündenfalles. Oder erhebt sich am Ende doch die titelgebende „Eva“ über ihren Patriarchen und straft ihn? CHURCH OF THE SEA bieten musikalisch viel zu entdecken, aber auch Raum zur Reflexion. Da nur sechs Songs in einer guten halben Stunde auf diesem Album stehen, wirkt es, ebenso wie bei „Odalisque“ eher wie eine EP denn ein volles Album. Natürlich, Qualität sticht immer die Quantität, aber zwei oder drei Songs mehr hätten die Sogwirkung und das Worldbuilding verstärkt. Dass CHURCH OF THE SEA in dreißig Minuten sehr vieles richtig machen, ist aber unbestreitbar: „Eva“ ist ein spannendes, reichhaltiges Album mit vielen Details, Stimmungen und einer betörenden Atmosphäre und ist für diejenigen bestens geeignet, die im Doomgaze eine frische Herangehensweise suchen. Diese Intuition ist es, die CHURCH OF THE SEA mit der Titelheldin gemein haben.

Wertung: 5 von 7 saftige Äpfel

VÖ: 11. April 2025

Spielzeit: 30:31

Line-Up:
Irene – Vocals
Vangelis – Guitars
Alex – Synths and samples

Label: These Hands Melt

CHURCH OF THE SEA „Eva“ Tracklist:

1. How To Build A Universe Pt. I
2. The Siren’s Choice (Official Visualizer bei Youtube)
3. Eva (Official Video bei Youtube)
4. Widow
5. Garden Of Eden
6. Churchyard
7. How To Build A Universe Pt. II

Mehr im Netz:

https://churchofthesea.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/ChurchoftheSea/
https://www.instagram.com/churchofthesea

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