CHRIS CAFFERY: Faces & God Damn War

Da hat sich aber jemand Mühe gegeben: Mit "Faces" veröffentlicht der SAVATAGE bzw. TRANS SIBERIAN ORCHESTRA-Gitarrist Chris Caffery sein mit Spannung erwartetes Soloalbum, das sowohl qualitativ als auch quantitativ eine positive Überaschung darstellt.

Da hat sich aber jemand Mühe gegeben: Mit Faces veröffentlicht der SAVATAGE– bzw. TRANS SIBERIAN ORCHESTRA-Gitarrist Chris Caffery sein mit Spannung herbeigesehntes Soloalbum, dass sowohl qualitativ als auch quantitativ sämtliche Erwartungen übertreffen dürfte. Qualitativ, weil Caffery ein hervorragender Songwriter ist, mit seiner unglaublich variablen Stimme quasi über Nacht zu einem der begnadetsten Sänger der Szene mutiert ist und das Album mit der Unterstützung von Nik Chinboukas mit einer fetten Produktion ausgestattet hat, für die selbst ein Mann wie Caffery wohl etwas tiefer in die Tasche greifen musste. Und Quantitativ, weil der Ausnahmemusiker auf Faces wirklich jede Sekunde der Spielzeit ausnutzt, die ein Tonträger nur hergeben kann und dem Album mit God Damn War sogar noch ein 40-minütiges Bonus-Album beilegt, welches die amerikanische Außenpolitik der letzten Jahre ankreidet und für sich genommen schon einen passablen Release abgegeben hätte. Auffällig ist der starke Kontrast zwischen den beiden Scheiben, so ist Faces ein überraschend dynamisches Hard Rock-Album geworden, während Caffery auf der zweiten CD wesentlich treibender agiert und daher noch einen ganzen Zacken metallischer daher kommt.

Nun, zunächst klingen die oben genannten Formalitäten recht vielversprechend, wie steht es aber mit den einzelnen Songs, kann der Gitarrero tatsächlich über die gesamte Spielzeit des Powerpakets überzeugen? Um es kurz zu halten: er überzeugt nicht nur, er begeistert! Besonders auf Faces scheint sich auch nach vielen Durchläufen keines der insgesamt 16 Stücke im Mittelmaß zu verlieren, vielmehr finden sich hier sehr viele Highlights, die meiner Meinung nach sogar auf dem ein oder anderen SAVATAGE Klassiker hätten stehen können und deren neues Material vollkommen in den Schatten stellen. Schon der eröffnende Titeltrack ist ein Paradebeispiel für Cafferys bis ins kleinste Detail ausgetüfteltes Songwriting – selbstverständlich schimmern wieder einmal seine klassischen Einflüsse durch – und gerade bei diesem Stück macht er auch gesanglich eine tolle Figur. Seine Stimme ist wirklich extrem flexibel und deckt mit aggressiven Growls und dem kernigen, aber melodischen Gesang ein enorm breites Spektrum ab. Ironischerweise hat Caffery für die Aufnahmen lediglich zehn Stunden Gesangsunterricht aufbringen müssen – eine Leistung, die engagierten Nachwuchssängern die Motivation, weiterhin ihre gesamten Erparnisse in teure Übungsstunden zu investieren, etwas erschweren dürfte.

Doch Cafferys Soloarbeit ausschließlich mit den angestaubten Werken seines Brötchengebers zu vergleichen, würde dem Monumentalwerk Faces und seiner stilistischen Vielfalt einfach nicht gerecht. Das Album bietet neben den SAVATAGE-Anleihen nämlich zahlreiche weitere Zutaten: Besondere Eckpfeiler sind der rifflastige Groover The Mold, das Gitarrensolo Preludio und der Beatles-beeinflusste Country-Rocker Music Man. Klingt der Genius besonders bei letzterem Stück ziemlich gereift, so lässt er bei den witzigen 80er-Rockern Pisses Me Off und Evil Is As Evil Does – auf lyrischer Ebene sind die beiden Tracks zweifelsohne Albumhighlights – mit einem fetten Ausrufezeichen (oder Mittelfinger) seinen ganzen jugendlichen Frust ab und plötzlich hat man wieder den Eindruck, Caffery habe etwas an der Uhr gedreht und sei kaum älter als 18 Jahre.

Auch die Bonus CD God Damn War sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, denn dieser Tonträger ist ebenfalls erstklassig geraten – allerdings frage ich mich, wieso man das für sich genommen schon bärenstarke Faces mit diesem Album weiter aufplustern musste und God Damn War nicht einfach nach einer kleinen Verschnaufpause unter die Leute gebracht hat. Ist es jedoch ein Kritikpunkt, dass zwei Hochkaräter, die textlich und musikalisch grundverschieden sind und somit recht wenig miteinander zu schaffen haben, zusammen veröffentlicht werden? Wäre es verwerflich gewesen, wenn ICED EARTH ihr Burnt Offerings Meisterwerk noch mit einer Bonus CD namens Something Wicked This Way Comes gestreckt hätten? Ich denke nicht. Jedenfalls finden sich auch auf God Damn War die oben genannten Attribute allesamt wieder, auch wenn der Grundsonor auf dieser Scheiblette wie gesagt etwas härter ausgefallen ist. Auch hier tummeln sich wieder zahlreiche Meisterstücke, hervorzuheben sind der exzellente Titeltrack, das folgende Fool, Fool und das gleichsam kontroverse wie geniale Saddamize, das sämtliche Zweifel über Cafferys politische Gesinnung aus dem Weg räumen sollte und sich mit seinem hohen songwriterischen Anspruch und den eingeschobenen Dialogen vollkommen unvorhersehbar seinen Weg durch das auf volle Emfangsleistung gestellte Rezensentenohr bahnt.

Genau diese Unberechenbarkeit ist es, die Cafferys Solo-Debüt für Genrefans zu einem unumgänglichen Pflichtkauf macht: Hier ist alles genau aufeinander abgestimmt, der Ausnahmegitarrist frickelt problemlos einen roten Faden – berücksichtigt man die Komplexität und Härte des Longplayers, wäre die Bezeichnung Stahlseil vielleicht noch etwas treffender – der sich mit eleganter Leichtigkeit quer durch beide Tonträger zu schlängeln scheint. Da fällt es dem Rezensenten auch schwer, mit dem Abwischen der Freudentränen überhaupt noch mitzukommen, aber der ein oder andere schädliche Tropfen der salzigen Augenflüssigkeit auf der lieblosen Aufmachung der Promo-Version (zwei gebrannte CDs und ein kopiertes, nicht einmal orignialgetreues Artwork) kann ihn nicht sonderlich verärgern. Das wäre beim Doppel Jewel-Case, dem wunderschön aufgemachten Digipack oder der streng limitierten Holz-/Metallbox – in diesen Formaten wird Faces in wenigen Tagen im Plattenladen zu ergattern sein – wesentlich verwerflicher!

Veröffentlichungstermin: 24.09.2004

Spielzeit: 76:45 + 42:50 Min.

Line-Up:
Chris Caffery – lead guitar, lead vocals

Paul Morris – keyboards, piano

Dave Z – bass guitar

Jeff Plate – drums

Produziert von Nik Chinboukas
Label: Black Lotus Records

Homepage: http://www.chriscaffery.com

Tracklist:
Faces:

01. Alas

02. Faces

03. Fade Into The X

04. Pisses Me Off

05. Remember

06. The Fall

07. Music Man

08. Life, Crazy Life!!!

09. The Mold

10. Bag o´Bones

11. Evil Is As Evil Does

12. Never

13. So Far Today

14. Jealousy

15. Preludio

16. Abandoned

God Dawn War:

01. God Dawn War

02. Fool, Fool

03. Edge Of Darkness

04. Saddamize

05. I

06. Amazing Grace

07. Piece Be With You

08. Beat Me, You´ll Never Beat Me

09. Curtains

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