Wenn ein Breakdown solche Schockwellen auslöst wie das brutale Finale des Openers „My Worst Enemy“, kann ein Albumtitel nicht passender gewählt sein. Völlig unerwartet finden wir uns im Epizentrum dieses Bebens wieder, woraufhin wir dem Nachbarn im Stockwerk unter uns erst einmal erklären müssen, dass nicht die Richter-Skala ausgeschlagen hat, sondern lediglich unser Subwoofer.
Brachial sein können AVIANA also, wie das absolute Brett von Einstiegssong beweist. Dass „Epicenter“ trotzdem ein zugängliches Album ist, liegt auch an der formidablen Singstimme von Neu-Fronter Joel Holmqvist, dem wir angesichts seiner zermalmenden Screams eine derart transparente Gesangsleistung gar nicht zugetraut hätten.
AVIANA haben ein Gespür für das richtige Timing
Neben den Vocals geben sich die Schweden auch im Instrumentalbereich keine Blöße. Beeindruckend ist vor allem, wie Schlagzeug und Bass miteinander harmonieren, um etwa aus „Red Sky“ trotz der melodischen Gitarren einen tonnenschweren Brocken zu machen. Mit ihrer Gratwanderung zwischen brutaler Härte und einprägsamen Melodien begehen AVIANA im Metalcore natürlich kein Neuland – der Klargesang erinnert stellenweise an HEART OF A COWARD („Red Sky“, „My Worst Enemy“), während instrumental auch WAGE WAR und ARCHITECTS ihre Spuren hinterlassen haben.
Manchmal gesellen sich ein paar Deathcore-Vibes zur eher schablonenhaften Vorgehensweise („Erased“, „Heavy Feather“), im Großen und Ganzen arbeitet das Songwriting auf „Epicenter“ aber die übliche Genre-Checkliste ab, ohne altbewährte Songstrukturen durchzurütteln. Dass uns AVIANA trotzdem bei der Stange halten, liegt an den meist starken Riffs und einem feinen Sinn für das richtige Timing: Nie trampeln die Skandinavier eine gute Idee zu Tode. Im Gegenteil, nach dem verletzlichen „Celosia“ klatscht „Frail“ mit seinen tiefen Gitarren sowie dezenten Djent-Anleihen erstmal jegliches Selbstmitleid an die Wand und uns gleich mit.
“Epicenter” legt sich selbst Ketten an
Die Intensität bleibt im Folgenden hoch, weshalb es uns gar nicht so leicht fällt, uns von selbiger wieder zu lösen, während „Hidden“ zwischen seinem Emocore-Chorus einmal mehr brachial-moderne Riff-Walzen auspackt. Schließlich endet „Epicenter“ mit „More Than A Name“ so stark, wie es begonnen hat, wenngleich hier die ARCHITECTS-Referenzen kaum mehr von der Hand zu weisen sind.
Und irgendwo hier liegt der Hund dann auch begraben. Solange wir im Epizentrum dieses Bulldozers von einem Metalcore-Album stehen, klingeln uns permanent die Ohren. Sobald uns AVIANA aber auch nur für eine Sekunde aus dem Schwitzkasten lassen, offenbart sich, dass die Schweden auch nur mit Wasser kochen und dafür nicht einmal ihr eigenes benutzen. Obwohl „Epicenter“ ein gutes Album ist, legt es sich in puncto Songwriting selbst Ketten an. Und doch: Falls sich das Quintett von diesen befreien kann, steht uns für die Zukunft ein Nachbeben erster Güte ins Haus. Unser Nachbar ist bereits vorgewarnt.
Veröffentlichungstermin: 23.8.2019
Spielzeit: 46:10
Line-Up:
Joel Holmqvist – Vocals
Marcus Heffler – Gitarre
Oscar Forsman – Gitarre
Sebastian Colque – Bass
Niclas Bergström – Drums
Produziert von Jeff Dunne
Label: Arising Empire
Homepage: http://www.avianaofficial.com
Facebook: https://www.facebook.com/avianaswe
AVIANA “Epicenter” Tracklist
01. My Worst Enemy (Video bei YouTube)
02. Red Sky (Video bei YouTube)
03. Altitude Sickness
04. Erased
05. Heavy Feather (Video bei YouTube)
06. Look Away
07. Celosia
08. Frail (Video bei YouTube)
09. Melancholia
10. Hidden
11. Ikigai
12. More Than A Name