Hölzerner Wahnsinn: Über Kontaktanzeigen, Pathos und die Armee der Finsternis

Fall ihr euch noch nie gefragt habt, warum 90% aller Kontaktanzeigen in Metal-Magazinen von "Schwarzen Seelen" geschrieben werden – lest das. Wenn doch – lest es auch.

Die Wahrheit ist immer konkret, pflegt mein Vater zu sagen, und ich kann dem nur hinzufügen: Der Winter ist kalt. Kalt ja, schön aber auch, insbesondere dann, wenn der Vollmond scheint. Am Tage wiederum ist die Weiße Hölle nur dann zu ertragen, wenn man sich mittels einer zünftigen Stereo-Anlage laute Musik anhört. Ich wähle zu solchen Anlässen meistens das Debütalbum von BORKNAGAR, jenes selbstbetitelte und wunderbar dreckig produzierte Werk mit der Hütte auf dem Cover. In dieser Hütte wäre man gerne, denkt der Hörer sich, bevor er der Minusgrade vor der Haustür gewahr wird. Irgendwie ist es schön, zivilisiert zu leben.

„Western Civilisation? That would be a good idea!“ steht an der Wand eines Menschen. Darunter liegt dieser Mensch, irgendwo anders sitzt meine Wenigkeit. Hier ist die Welt noch in Ordnung, denke ich, und verlasse die Wohnung; draußen weht ein scharfer Wind, doch er kann mir nichts anhaben, weiß ich doch um mein warmes Bett, das mich erwartet. Als ich darin liege, fühle ich nichts außer Bedauern, denn die großartigste aller großartigen Erkenntnisse, welche sich mir vor nur zehn Minuten eröffnet hatte, ist wieder von mir gegangen. Das Bett fühlt sich kalt an, trotz alledem.

An dieser Stelle sollte irgend jemand die Notbremse ziehen, denn der Text beginnt pathetisch zu werden. Kollege Fierce schrieb über mich, ich hätte einen Hang zum Überpathetischen. Das ist richtig, aber nur teilweise. Irgendwann kommt auch mir die Galle hoch. Das beste Beispiel für solchen Pathos-Quatsch, den kein Mensch braucht, sind Kontaktanzeigen in Metal-Magazinen. Ich lese sie immer wieder, um mich daran zu delektieren und vielleicht einmal nur etwas originelles zu finden, was nicht ganz so triefend ist wie die anderen. Andererseits könnte es einem auch angst und bange werden im Angesichte tausender sog. „Schwarzer Seelen“, die „sehnsüchtig andere schwarze Seelen“ kennenlernen möchten. Na toll. Und was ist mit mir? Kann es denn wirklich sein, daß es unter den zahllosen Trotteln auf der Welt in der Gruppe, die vielleicht nicht ganz so trottelig ist wie alle anderen, immer noch so viele Trottel gibt?

Ja. Das beweist folgende Anzeige: „Suche sehnsüchtig schwarze Seelen, die sich ganz und gar dem Teufel verschrieben haben, (…), mit allem drum und dran.“ Wie putzig. „Mit allem drum und dran“. Sind damit vielleicht Ziegenhufe und Schwefelgestank gemeint? Himmel hilf!

Oder dies hier: „Seele (m, 19)…“ AUA! Eine 19jährige, männliche Seele? Hier zeigt sich ein eklatanter Mangel an Philosophiekenntnissen. Setzen, sechs!

Herrlich klingt auch folgende Anzeige: „Ich (m,15) suche Satanisten (…) zum Gedankenaustausch. Ich bin besessener Dimmu Borgir-Fan, also Black Metal.“ Bezeichnenderweise trägt der junge Mann den Nachnamen „Stumpf“. Nomen est omen, oder wie?

Aber es gibt auch Lichtblicke. „Metaller (15) sucht Metaller aus’m Raum Hamburg!“ Wunderschön! Kurz, prägnant, sympathisch. Man wäre glatt geneigt anzurufen, wenn man nicht schon genug 15jährige kennte und zudem eher aus Westfalen kommt. Recht anzüglich hingegen wird der junge Mann da drunter: „Suche schwarzhaarige, einsame Metallerin (…) für alles, was zu zweit Spaß macht.“ Oho! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Warum aber schreibt er nicht gleich „Will ficken, du auch?“ Platz sparen ist bei den heutigen Papierpreisen schließlich wertvoll. Dieses Prinzip wiederum ignorierend bedient sich eine Dame weiter unten ihrer Kenntnisse aus dem VHS-Grundkurs „Lyrik leichtgemacht“ und schmalzt eine wahre Litanei von pathetischem Geschwurbel zusammen, die zwar wunderschön klingt, aber inhaltlich rein gar nichts verrät. Macht aber nichts, denn dafür werden andere konkreter: „Ausgeburt der Hölle will Armee der Finsternis gründen!“ brüllt eine Chiffre-Anzeige uns an. Mal sehen, das Heft ist von Oktober 2001… nein, bislang leben wir noch. Ein Glück! Und außerdem: Wieso eine neue Armee gründen, wenn man auch einfach der CDU beitreten kann? Die hat in ihrer „K-Frage“ (Kommunismus, Kapitalismus oder doch wieder Ku-Klux-Klan?) immer noch keine Fortschritte gemacht, liefert aber weiterhin genug Witz, damit man die Tagespresse gerne liest.

An dieser Stelle ein radikaler Bruch von CDU zu Sex, denn: „Suche schmachtend WG von einem satanistischen Orden. Bin weiblich, begehrenswert“, lallt eine „Mistress of the beast“ und klingt dabei wie eine der unglaublich attraktiven Wichsvorlagen aus „Sexy“ oder „Pfiff“. Es ist doch immer wieder interessant, wie gerne manche Menschen sich selbst erniedrigen. Unverständlich zwar, aber für den „satanistischen Orden“ sicherlich vorteilhaft. Man möchte fast schon Satanist werden, bevor einem einfällt, daß man ja Intelligenz besitzt. Dann benutzt man diese und erkennt, daß Schwachsinn und Satanismus weit mehr miteinander zu tun haben als nur den Anfangsbuchstaben.

Wenn man nun all diese herrlichen Wortgebilde (und Tausende andere) zusammennimmt und dabei einen klaren Kopf behält, kommt folgendes dabei raus: „Schwarze Seele sucht Armee für Satanisten-Sex!“, und das kann es doch nicht sein, liebe Leute! Seid kreativ! So geht das nicht weiter!

Und genau aus diesem Grunde, verehrtes Publikum, schreibe ich jetzt mal selbst eine Anzeige, als so eine Art Muster für kommende „einsame schwarze Seelen“.

Also: „Junger, gut gebauter und ungemein attraktiver, unverständlicherweise aber immer noch einsamer und deshalb leicht wahnsinniger Mensch sucht anderen Menschen zwecks Kennenlernprozeß. Hang zum Pathos und zur Melancholie vorhanden, Gegengift erwünscht, alles andere auch.“

Ist das nicht herrlich? Ich bin mir sicher, alle Welt wird verrückt sein nach dieser Kontaktanzeige. Und wenn nur das schon erreicht ist, sind wir schon ein ganzes Stück weiter.

Nicht wahr?

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