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BRUCE DICKINSON: Anthology [DVD]

"Anthology" wird dem Schaffen von Bruce Dickinson in qualitativer Hinsicht leider nur teilweise gerecht.

Bruce Dickinson kann nicht nur auf eine lange und erfolgreiche Karriere mit IRON MAIDEN zurückblicken, sondern mittlerweile auch auf immerhin sechs Studioalben, die er als Solokünstler veröffentlicht hat. Da macht eine Veröffentlichung wie die vorliegende Anthology durchaus Sinn. Dem Anspruch, den man an eine solche Anthologie stellen kann, wird dieses aus drei DVDs bestehende Set zumindest in quantitativer Hinsicht absolut gerecht: In einer Spieldauer von mehr als drei Stunden werden in Form von drei Konzerten sämtliche Phasen der Solokarriere des Ausnahmesängers abgedeckt. Zusätzlich enthält Anthology sämtliche jemals veröffentlichten Videoclips, ein ausführliches Interview und den Kurzfilm Biceps Of Steel, den Dickinson mit seiner alten Band SAMSON 1980 drehte und der zu einem gesuchten Sammlerobjekt wurde. Insgesamt kommt man somit auf eine respektable Spielzeit von fast sechs Stunden.

Wird Anthology dem Schaffen dieses großartigen Metalsängers aber auch in qualitativer Hinsicht gerecht? Nur teilweise. Der Mitschnitt des ersten Konzerts, Dive Dive Live, das im August 1990 in einem Club in Los Angeles aufgezeichnet wurde, geht sound- und bildtechnisch in Ordnung. Natürlich genügt der Mitschnitt nicht unbedingt den Maßstäben, die man heute anlegt, wenn man eine Live-DVD veröffentlichen will – mehr als drei Kameras scheinen nicht vorhanden gewesen zu sein. Dafür kommt die Energie, welche die Band an diesem Abend versprühte, bestens herüber. Besonders Dickinson und der zum damaligen Zeitpunkt noch frisch gebackene neue MAIDEN-Gitarrist Janick Gers, der sich hier als Poser und Shredder präsentiert, legen sich mächtig ins Zeug. Wenn das Album Tattooed Millionaire auch bis auf wenige Ausnahmen nur solide Hausmannskost zu bieten hat und etwas zu glatt gebügelt klingt, so ist dieser Auftritt doch Rock´n´Roll pur und sehr unterhaltsam. Höhepunkt: No Lies, bei dem Janick Gers seine Gitarre vergewaltigt, während sich Bruce Dickinson seinem Drummer dabei hilft, das Schlagzeug zu malträtieren.

Das einstündige Skunkworks Live, das 1996 bei zwei Konzerten in Spanien mitgeschnitten wurde, ist zwar klanglich ebenfalls in Ordnung, die Bildqualität lässt hier jedoch zu wünschen übrig. Das Bild ist zu kontrastarm und unscharf, was besonders dann auffällt, wenn sich die Kamera oder die Musiker bewegen, und die Kameraführung und die Schnitte sind sehr unruhig. Wirklich schön anzusehen ist das nicht, und auch die ab und an auftretenden Soundschwankungen wirken störend. Musikalisch ist die Skunkworks-Phase sowieso umstritten. Dickinson präsentierte sich hier nicht nur erstmals mit einer neumodischen Kurzhaarfrisur, sondern ließ sich auch musikalisch stark vom Zeitgeist beeinflussen. Kein Glanzlicht seiner Karriere und somit auch nicht dieser Anthologie.

Die zweite DVD enthält den Mitschnitt Scream For Me Brazil, der 1999 während der Tour zu The Chemical Wedding in Sao Paolo entstand. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Dickinson auf dem kreativen Zenit, und dementsprechend ist dieser Mitschnitt, der die Höhepunkte von The Chemical Wedding, Accident Of Birth und dem ebenfalls in Zusammenarbeit mit Roy Z entstandenen Balls To Picasso enthält, musikalisch am interessantesten. Leider ist dies aber auch der Mitschnitt mit dem schwächsten Sound. Hier handelt es sich nicht um die Soundspur des gleichnamigen Live-Albums, vielmehr klingt das Ganze sehr roh und dadurch auch etwas drucklos. Angesichts der Tatsache, dass diese Aufzeichnung unter Bootleg-Bedingungen entstanden ist, wundert das zwar nicht, ärgerlich ist es aber schon, denn ein echter Hörgenuss stellt sich so natürlich nicht ein. Dafür ist hier aber die Bildqualität wieder besser als beim Skunkworks-Konzert und besticht vor allem durch eine gelungene Kameraführung mit schönen Nahaufnahmen des Solospiels von Roy Z und Adrian Smith, denen man somit wunderbar auf die Finger gucken kann. Technisch und musikalisch ist dieser Auftritt perfekt, besonders die originalgetreue Umsetzung von Tears Of The Dragon mit Akustikgitarren lässt die minimalistische Skunkworks-Version alt aussehen. Beim abschließenden The Road To Hell durfte dann allerdings offenbar der Praktikant die Kamera bedienen und war auch noch für den Schnitt verantwortlich: Das wilde und hektische Hinein- und Hinauszoomen und die Szenenwechsel im Halbsekundentakt wirken nicht wirklich professionell.

Nichts zu kritisieren gibt es schließlich an der dritten DVD. Es sind nicht nur alle vierzehn Videoclips enthalten, die Dickinson bislang veröffentlicht hat, diese wurden von ihm auch noch ausführlich kommentiert, so dass man Informationen erhält über die Entstehung der Clips und über die dahinter stehenden Ideen und Gedanken. Mag bei anderen Künstlern eine Sammlung von Videoclips nicht besonders attraktiv sein und allenfalls ein netter Bonus auf einer DVD sein, so stellt diese Sammlung eines der Höhepunkte der Anthologie dar, denn fast alle Clips von Dickinson haben ein Konzept oder erzählen eine Geschichte und sind voll von tollen Ideen und Metaphern. Während viele dieser Clips mit Witz und viel Humor bestechen, ist der künstlerisch anspruchsvollste, professionellste und aufwändigste Videoclip, Tears Of The Dragon, ungewöhnlich ernst ausgefallen und kann mit wunderschönen, mystischen Bildern begeistern.

Das Interview mit Bruce Dickinson ist ebenfalls weit mehr als ein Bonus. Wo andere DVDs nur kurze Interviews enthalten, in denen nicht viel Gehaltvolles erzählt wird, geht das zirka fünfzigminütige Interview, das zur Promotion des Tyranny Of Souls-Albums gefilmt wurde, trotz teilweise nicht besonders einfallsreicher Fragen in die Tiefe, denn Bruce Dickinson gibt von sich aus viele Informationen preis über das aktuelle Album und besonders seine Arbeitsweise beim Schreiben neuer Songs sowie die Zusammenarbeit mit Roy Z. Das fünfzehnminütige, kultige Biceps Of Steel-Video schließlich ist zwar nicht essenziell, rundet die Anthologie aber sehr gut ab.

Nun stellt sich nur noch die Frage, ob man Anthology angesichts der Schwächen der Live-Mitschnitte unbedingt haben muss. Ist man in erster Linie auf der Suche nach Konzertmitschnitten von Dickinson, so ist Anthology wohl verzichtbar, da deren Qualität einfach nicht stimmt. Angesichts des Preises, der sonst gerne schon für eine einzige DVD verlangt wird, ist Anthology besonders zu empfehlen, wenn man es auf die erstklassigen Videoclips sowie die vielen Anekdoten und Hintergrundinformationen abgesehen haben und die Konzertmitschnitte nur als netten Bonus sieht. Dann, aber auch nur dann, macht ein Kauf wirklich Sinn.

Audio-Format: PCM Stereo
Bildformat: PAL (4:3)
Sprache: Englisch

Veröffentlichungstermin: 16.06.2006

Spielzeit: ca. 360 Min.

Line-Up:
DIVE DIVE LIVE:
Bruce Dickinson – Gesang
Janick Gers – Gitarre
Andy Carr – Bass
Dickie Fliszar – Schlagzeug

SKUNKWORKS LIVE:
Bruce Dickinson – Gesang
Alex Dickson – Gitarre
Chris Dale – Bass
Alessandro Elena – Schlagzeug

SCREAM FOR ME BRAZIL:
Bruce Dickinson – Gesang
Roy Z – Gitarre
Adrian Smith – Gitarre
Eddie Casillas – Bass
Dave Ingraham – Schlagzeug

Label: Sanctuary Records

Homepage: http://www.screamforme.com

Tracklist:
DVD 1:

Dive Dive Live:

1. Riding With The Angels
2. Born In ´58
3. Lickin´ The Gun
4. Gypsy Road
5. Dive Dive Dive
6. Drum Solo
7. Zulu Zulu
8. The Ballad Of Mutt
9. Son Of A Gun
10. Hell On Wheels
11. All The Young Dudes
12. Tattoed Millionaire
13. No Lies
14. Fog On The Tyne
15. Winds Of Change
16. Sin City
17. Bring Your Daughter To The Slaughter
18. Black Night

Skunkworks Live:

1. Space Race
2. Back From The Edge
3. Tattooed Millionaire
4. Inertia
5. Faith
6. Meltdown
7. I Will Not Accept The Truth
8. Laughing In The Hiding Bush
9. Tears Of The Dragon
10. God´s Not Coming Back
11. Dreamstate
12. The Prisoner

DVD 2:

Scream For Me Brazil:

1. King In Crimson
2. Gates Of Urizen
3. Killing Floor
4. Book Of Thel
5. Tears Of The Dragon
6. Laughing In The Hiding Bush
7. Accident Of Birth
8. The Tower
9. Darkside Of Aquarius
10. The Road To Hell

DVD 3:

Promotional Videos:

1. Tattooed Millionaire
2. All The Young Dudes
3. Dive Dive Dive
4. Born In ´58
5. Tears Of The Dragon
6. Shoot All The Clowns
7. Back From The Edge
8. Inertia
9. Accident Of Birth
10. Road To Hell
11. Man Of Sorrows
12. Killing Floor
13. The Tower
14. Abduction

Extra Features:
Tyranny Of Souls EPK
Samson: Biceps Of Steel

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