STRAPPING YOUNG LAD, TEABAG, DAEMOS, VIII FRAUD – San Diego, Brick By Brick, 18.05.2002

Devin Townsends Penismonologe trafen auf eine geballte Ladung Undergroundbands und einige nostalgische Momente für PSYCHOTIC WALTZ-Fans…

Wie in meinem Metalreiseführer bereits erwähnt, ist es in Amerika – anders als in Deutschland – gang und gebe, lokalen Undergroundbands die Gelegenheit zu Auftritten im Vorprogramm von bekannteren Acts zu gewähren. Und so bekamen an diesem Abend gleich drei Bands aus der Gegend um San Diego die Chance, den über hundert Zuschauern ordentlich einzuheizen. Als erste nahmen die kurzfristig für MORTUUS TERROR auf´s Billing gerutschten VIII FRAUD diese Aufgabe in Angriff. Die Band um die burschikose, mit einer derb-melodischen Stimme auftretenden Sängerin überraschte mit einer eigenwilligen Progmetalvariante. Angenehm hoch waren Härtegrad und Energielevel angesiedelt, unterstützt von agilem Stageacting, wenngleich die Sängerin deutlich aus dem Rahmen fiel. Lobenswert auf jeden Fall das deutliche Bemühen um Eigenständigkeit, das der Band in naher Zukunft weit mehr Aufmerksamkeit garantieren dürfte, als es an diesem frühen Abend noch der Fall war.

DAEMOS können bereits auf etliche Livegigs zurückblicken, u.a. spielten die Jungs schon beim Metalfest in L.A. vor zwei Jahren. Entsprechend sicher und beeindruckend war die Liveperformance des Quartetts, das soundmäßig zwischen Deathmetal und modernen, leicht industriell anmutenden Rhythmen pendelt. Tight wie der sprichwörtliche Entenarsch ballerten DAEMOS ein Lied ums andere runter, nur kurz von legendär unverständlich genuschelten Ansagen unterbrochen. Faszinierend fand ich wie schon so oft bei amerikanischen Nachwuchsbands das erstaunlich hohe Level an Professionalität und Instrumentbeherrschung. Und auch der Sänger holte, während er die durchaus komplexen Riffs auf seiner Klampfe runterhackte, jeden Fetzen Aggressivität und Power aus seinen Stimmbändern raus.

Wohl eher als alte Hasen denn als Undergroundnewcomer kann man TEABAG bezeichnen, da sich im Line-up der Teebeutel, wie aufmerksame Leser von Fiercens Interview her wissen, Norm Leggio und Steve Cox von der Progmetallegende PSYCHOTIC WALTZ befinden, die beide auf mehrere hundert Gigs zurückblicken können. Komplettiert wurde die Band durch Sänger Ron Lerma und den neuen Bassisten Marty, der sich gut ins Bandgefüge integriert hat und selbst die komplexen wie derben MESHUGGAH-Anleihen von Tracks wie Resisting Posession mittlerweile drauf hat. Begonnen wurde der Set jedoch mit einem neuen Song, der enorm knallte und fast schon Schwedendeath-lastige Riffs mit rasantem Thrashdrumming verband, bevor ein mitreißender Midtempopart einem den finalen Todesstoss versetzte. Norms Präzision ist mittlerweile fast schon beängstigend, während Steve und Marty wild bangten, ersterer hüpfte zudem auf seine unvergleichliche Art kreuz und quer über die Bühne, ohne dabei das Kopfschütteln auch nur ansatzweise zu unterbrechen oder die komplizierten Riffkaskaden und Soloparts zu vernachlässigen. Sänger Ron hat sich die Kritik an seinem Gesangsstil zu Herzen genommen und unternimmt nun öfters auch Ausflüge in tiefere Gefilde, was der Band gut zu Gesicht steht. Doch es war mehr als nur ein weiterer normaler Gig für die ehemaligen PSYCHOTIC-Haudegen, denn zum Abschluss des halbstündigen Sets wurden sie von ihrem damaligen Kollegen Brian MacAlpine für eine furiose Version des Klassikers …And The Devil Cried vom PSYCHOTIC WALTZ-Erstling verstärkt, für den dieser Abend die Rückkehr auf die Bretter nach sage und schreibe sechs Jahren Bühnenabstinenz darstellte.

Entsprechend glückliche Gesichter sah man ringsum, einige Fans der ersten Stunde waren fast zu Tränen gerührt, als sie die faszinierenden zweistimmigen Soli noch einmal vernehmen durften. Ein wahrhaft nostalgischer Moment, den auch Drumtier Gene Hoglan und der ebenfalls anwesende NEVERMORE-Drummer im Publikum genossen.

Gene Hoglan war dann selbst an der Reihe, für offenstehende Münder zu sorgen, als STRAPPING YOUNG LAD gewohnt brachial mit All Hail The New Flesh in ihren wohl derbsten Set ihrer Karriere einstiegen. Mastermind Devin Townsend hatte diesmal nämlich anders als auf dem With Full Force und der Tour im Vorprogramm von FEAR FACTORY darauf verzichtet, auch Songs seiner anderen Projekte als auflockernde Ruhepole ins Konzert zu integrieren. Und so bekamen die Anwesenden statt melodischer Meisterwerke wie Earth Day oder Seventh Wave ausschließlich die grobe SYL-Kelle um die Ohren geballert. Songpausen nützte Devin nicht zum Ausruhen seiner voll belasteten Stimmbänder, sondern schrie reichlich unausgeglichen wüste Beschimpfungen, Kanadier- und Amerikanerwitze und vor allem ausufernde Monologe rund um sein bestes Stück und allerlei Schabernack, den man damit anstellen könne, ins Mikro. So richtig wußte keiner, wie all das zu verstehen war, doch Devin entschädigte mit einer gewohnt brachialen und beängstigend perfekten Performance, zu deren Höhepunkten vor allem Detox und Oh My Fucking God zählten. Zudem zog der Wahnsinnige mit der Einstein-hat-Haarausfall-und-greift-in-eine-Steckdose-Frisur drei Nummern vom in nicht allzu ferner Zukunft erscheinenden neuen STRAPPING YOUNG LAD-Album aus dem imaginären Zauberhut. Ein als erste Singleauskopplung angekündigter, im 3/4-Takt gehaltener Track wirkte noch etwas unausgegoren, die beiden weiteren Neugeborenen hingegen knallten ähnlich kompromisslos und komplex wie die City-Songs aus der voll aufgedrehten P.A. Leider verhinderte der etwas matschige Sound einen detaillierteren Eindruck vom neuem Material, aber die aufs Wildeste moshende Menge nahm jeden von der Bühne abgefeuerten Hassklumpen dankbar auf, bevor sich Devin Townsend, der bemerkenswerterweise zuvor den ganzen Abend über den Fans am Merchandisingstand Rede und Antwort gestanden hatte, auf die Suche nach demjenigen in der Menge machte, der ihm am meisten Gras spendieren würde… Alles in allem also ein wiederum beeindruckendes Liveerlebnis des Kanadiers und seiner Mannen, auch wenn das stete Geballer etwas Terria– oder Ocean Machine-Auflockerung gut hätte vertragen können und auf Dauer ein klein wenig eintönig zu werden drohte, zumal auch Devins seltsame Ansagen dem Abend eine zusätzliche bizarre Note verliehen.

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