MORTIIS, SUSPERIA und ENIGMATIK am 2.11.2004 im Z7, CH-Pratteln

Norwegische Elektronik mit Gummiohren trifft auf SUSPERIA-Spielfreude. Treffpunkt: Z7, Pratteln.

Der Stau auf der A1 bedeutete nichts Gutes. Als wir die Z7-Halle betraten, schien es erst, als hätte das Konzert noch nicht begonnen. Leider handelte es sich jedoch bereits um die erste Umbaupause, die Westschweizer Black Metal Truppe ENIGMATIK hatten wir leider verpasst. Gerade bei den Jungs aus der Romandie wäre es interessant gewesen, ein Ohr zu riskieren, da sich nach Line Up-Wechseln (Sängerin Miss Luna und Keyboarder weg, Schlagzeuger ausgewechselt) offenbar auch einiges im musikalischen Bereich getan hatte. Sprich: Weg vom Keyboard-DIMMU BORGIR-Klondasein, zurück zur roheren Seite des Schwarzmetalls. Nachzuhören ist diese Verwandlung auch auf ihrer neuen Scheibe Forgotten Memories.

Wenig später betraten SUSPERIA die Bühne. Die Handvoll Leute, die sich an diesem Abend eingefunden hatte, schien besonders träge. Während den ersten Songs war so gut wie keine Emotionen im Publikum zu spüren. Dies schien jedoch weniger von der intensiven Publikumsinteraktion des Sängers Athera als vielmehr mit dem grausamen Sound zusammenzuhängen. Die getriggerten, zu lauten Drums zerstörten jegliche Atmosphäre, die von den kompetenten Gitarristen mit filigranen Melodien aufgebaut worden war. Erst als Songs wie Home Sweet Home und Situational Awareness (bei letzterem waren mehr als deutliche Parallelen zu THE KOVENANT auszumachen) angestimmt wurden, erwachte die kleine Meute aus ihrem Dornröschenschlaf. Die SUSPERIA-Setliste konzentrierte sich vor allem auf neuere, thrashige Stücke aus dem Album Unlimited, aber auch ältere Songs wie The Bitter Man vom Vindication-Werk wurden – vom Sound abgesehen – überzeugend dargeboten. Dies, obschon der Sänger einmal kurz innehielt, um seinen Geruchssinn zu bestätigen: What do I smell here? – Antwort vom Publikum: Swiss grass. Die Präsenz dieser kleinen Schweizer Wiese hielt ihn jedoch nicht davon ab, das Publikum nach vorn zu bitten, um so die Stimmung für den Song Welcome the beast anzuheizen. Beim letzten Track im SUSPERIA-Set wurde dann noch eine dritte, unsichtbare Akustikgitarre und gesampelte Gitarrenriffs beigezogen, was doch etwas erstaunte. Überraschender Lichtblick während des gesamten Gigs war Basser Memnock, der mit einem absolut halsbrecherischen Drei-Finger-Picking und souverän gezupften 16teln auffiel. Selbst bei seinen Tappingeskapaden war er es sich nicht zu schade, durch Gesten das Publikum zu animieren, mitzusingen oder sonst herum zu wandern auf der Bühne. Zeitweise wurde man das Gefühl nicht los, dass der gute Mann technisch hoffnungslos unterfordert sei mit seiner Aufgabe und mit seinen 15 Jahren Spielerfahrung genau so gut seine Basslines in einer Jazzband darbieten könnte. Als SUSPERIA von der Bühne verschwunden waren, zeigte sich indes der Lohn ihres Live-Einsatzes. Das Publikum war mehr als erwacht und einem gewissen Enthusiasmus verfallen, so dass die Skandinavier nochmals die Bretter betraten und es mit einer metallischen Coverversion eines A-HA-Songs beglückten. Hier zeigte sich dann auch, dass der eine oder andere beinharte GORGOROTH-T-Shirt Träger eine gewisse Pop-Vergangenheit hatte, anders lässt sich das begeisterte Mitwippen nicht erklären …

Die folgende Umbaupause gab reichlich Zeit, um über den SUSPERIA-Gig zu diskutieren und nicht wenige deckten sich – frisch überzeugt – mit Merchandise ein. Ein reichlich Industrial-angehauchtes Intro kündigte schliesslich MORTIIS an. Den Mann, der als Bassist bei EMPEROR begonnen hatte und dann nach einer Ambient-Phase den Industrial/Elektrometal-Klängen à la NINE INCH NAILS zu huldigen begann. Allerdings ist es mit der Beschreibung der musikalischen Ausrichtung noch nicht getan, nein, an einem Konzert des Norwegers darf natürlich auch seine obligatorische Maskierung nicht fehlen: Ork-Style ist angesagt. Dies gilt jedoch, wie während des Intros bald klar wurde, nicht für seine Mitmusiker. Zur rechten Hand wurde MORTIIS von einem Irokesengitarristen begleitet und für die linke Seite schien Legolas engagiert worden zu sein. Selbst verzichtete er natürlich nicht auf seine überdimensionalen Spock-Ohren und die Hexennase, kombiniert mit Dreadlocks sicherlich eine einmalige Erscheinung. Das Set begann mit einem Urschrei und bald wurde klar, dass sich das Stageacting des Gnomenmeisters primär auf das Herumschwingen von Mikrophonständern beschränkte. Nach dem fünften Mal übermannte manch einen im Publikum das Verlangen, eine Strichliste für diese sportlichen Aktivitäten anzulegen. Jedes Mal stürzte sogleich ein Roadie auf die Bühne, der den Ständer ersetzte, nur um wenige Sekunden später schon wieder dasselbe zu tun. Abwechslungsreicher als diese Starallüren war indes die dargebotene Soundwand. Reichlich Industrialelemente, Synths aus der Dose, hämmernde Beats, dann wieder ruhige, verträumte Passagen und eine düstere Grundstimmung, die trotz dieses Sammelsuriums niemals durchbrochen wurde. Der Fokus des dargebotenen Materials lag eindeutig auf The Grudge, die älteren, monotonen Zeiten von Keiser av en dimensjon ukjent und The Crypt of the Wizard sind für immer vorbei und leben nicht mehr auf. So wähnte man sich zeitweise auch eher an einem DEPECHE MODE-Gig auf 45rpm oder an einer überdrehten Seti-Darbietung von THE KOVENANT erinnert. Die treibende Kraft der Rhythmen liess indes das Publikum nicht kalt, eine Gothic-Ausdruckstänzerin taumelte zufrieden ins Tanzflächennirwana, und auch der Black Metaller mit Panzerknacker-Corpsepaint konnte sich der MORTIIS-Energie nicht entziehen. Dies obschon der Gnomenmeister die Interaktion mit der dunklen Zuhörerschaft so überhaupt nicht suchte, die Ansagen nuschelte er ins Mikrophon und blickte hierbei stets in die Richtung seines Schlagzeugers – eine Angewohnheit, die ab einem gewissen Zeitpunkt nervt, da selbst bei MORTIIS nur die Vorderseite sprechen kann.

Kurz nach elf verabschiedeten sich MORTIIS und seine Mannen emotionslos, eine Zugabe wurde trotz lautstarkem Verlangen nicht gegeben. Böse Zungen vermuteten als Grund für den zugabenlosen Gig, dass es einfach zu lange gedauert hätte, das Tape mit den Konservenelementen zurück zu spulen. Schliesslich blieb der Eindruck, dass man die Spontaneität und Spielfreude, die SUSPERIA an die Nacht gelegt hatten, eben nicht durch Elektrospielereien ersetzen kann …

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