Vertrautes Pflaster: Bereits zweimal waren GHØSTKID in den vergangenen zwölf Monaten im Münchner Backstage Werk zu Gast. Erst als Support im Rahmen des letztjährigen X-Mas Bash, dann in der Rolle des Special Guests für BLIND CHANNEL auf deren „Exit Emotions“-Tour. Dass die Modern Metalcore-Band nun ihrerseits als Hauptevent die Leute in die größte der drei hiesigen Hallen locken würde, war so eigentlich gar nicht geplant: Relativ kurzfristig durfte man in die geräumige Spielstätte umziehen – angesichts der hohen Nachfrage war der kleine „Strom“-Club in der Lindwurmstraße an seine Grenzen gelangt.
Die erweiterte Kapazität spielt dem Headliner an diesem Mittwochabend somit genauso in die Hände wie den beiden Anheizern WITHIN DESTRUCTION sowie SETYØURSAILS: Circle Pits und Wall of Death lassen sich in der gestuften Arena selbstverständlich noch leidenschaftlicher zelebrieren als im intimen Nachtclub-Setting.
SETYØURSAILS
Das jedenfalls stellen die vier Kölner:innen unmittelbar auf die Probe, als der Opener „Bad Blood“ mit satten Riffs die eben noch entspannten Plaudereien im Publikum durchbricht. Wie sehr für die Modern Metal-Band diesmal alles im Zeichen des gleichnamigen Albums (2024) steht, verrät ein Blick auf Nicolai Hochs Bassgitarre, wo eben jener Titel in silberfarbenen Buchstaben zu lesen ist.
Nur einen kleinen Augenblick länger dauert es, bis die bayerische Landeshauptstadt in der Folge selbiges leckt: Eine schelmische Frage Jules Mitch ist es, die das Eis bricht: „Habt ihr Bock auf ‘nen Breakdown?“, möchte die Sängerin wissen, bevor sich auch die starrsten Leiber im Zentrum vor der aufrüttelnden Energie des Gespanns kapitulieren. Immer ausgelassener geht es weiter, wenn in „Halo“ gesprungen wird und zum überraschend ins Programm gewanderte „Eternally“ auf einmal ein waschechter Pit formiert.
SETYØURSAILS-Bassist Nicolai Hoch wagt sich in die Menge
Wie man darauf aufbaut, wissen SETYØURSAILS derweil genau. Nicht ohne Grund wagt sich Bassist Nicolai Hoch für „Why“ ins Auge des Sturms: Inmitten der Arena dreht sich bald ein stattlicher Circle Pit um den Musiker, der damit schon einmal für den späteren Headliner proben lässt. Die Mittelfinger hebt man im abschließenden „Fckoff“ somit nur mit den allerbesten Absichten, um eben Sängerin Jules‘ unmissverständlicher Botschaft entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Nur ein wenig Zug dürfen SETYØURSAILS künftig gerne in ihr Set bringen – dass bei einer halben Stunde Spielzeit knapp ein Drittel auf den Publikumsdialog entfällt, nimmt unweigerlich etwas Schwung aus der sonst kurzweiligen Performance.
SETYØURSAILS Setlist – ca. 30 Min.
1. Bad Blood
2. Halo
3. Eternally
4. Bad Company
5. Why
6. Fckoff
Fotogalerie: SETYØURSAILS

















WITHIN DESTRUCTION
Anime und Nerd-Kultur als Antriebsfeder mögen in der extremen Musik nicht die naheliegendsten Assoziationen sein, WITHIN DESTRUCTION führen die beiden Pole trotzdem ganz natürlich zusammen. Mehr noch als das „Nier: Automata“-Motiv auf Fronter Rok Rupniks T-Shirt meinen wir dabei einen kauzigen Track wie „ANIMETAL“, wo fernöstlicher Cartoon-Charme dem Metalcore-Fundament einen bisweilen hyperaktiven Anstrich verpasst.
Es ist nur eines der vielen Gesichter der Slowenen, die zunächst jedoch mit dem synthlastigen „Survival“ den Vorschlaghammer kreisen lassen. Bevor das Ganze in „No Way Out“ aber in einem Circle Pit kulminiert, bedarf es noch ein wenig Vorarbeit. Die punktuellen Deathcore-Vibes schaden dabei sicherlich nicht, doch auch den Alternative- / Nu-Metal-Anstrich von „Neo-Yakuza“ nimmt das Backstage Werk zum Anlass, vor den Brettern etwas aufzuräumen.
Das abwechslungsreiche Konzept WITHIN DESTRUCTIONs geht auf
Hier profitieren WITHIN DESTRUCTION sicherlich auch vom recht guten Soundmix, der harte Ausbrüche wie eingängige Passagen gleichermaßen differenziert wiedergibt. Denn wo Rupnik mit kellertiefen Growls und garstigen Pig Squeals das eine Ende des Spektrums bedient, schmiert uns Gitarrist Howard Fang in „Toxic“ und „Demon Child“ in verlässlicher Weise etwas Honig ums Maul. Live funktioniert das abwechslungsreiche Konzept sogar besser als erwartet, wenngleich der Fokus auf klar gesungene Refrains vor allem die letztgenannte Single in recht vorhersehbares Octanecore-Terrain rückt.
Der Stimmung schaden kann dies allerdings genauso wenig wie der Umstand, dass im Fall des Trios letztlich mehr Instrumente vom Band kommen, als es live zu spielen vermag. Vielleicht springt Shouter Rok Rupnik auch deshalb nach der Wall of Death im abschließenden „Deathwish“ in die Meute, um dort Ausschau nach einem potenziellen Tour-Bassisten zu halten.
WITHIN DESTRUCTION Setlist – ca. 40 Min.
1. Survival
2. Hate Me
3. Toxic
4. ANIMETAL
5. Nightmare
6. Demon Child
7. Neo-Yakuza
8. No Way Out
9. Deathwish
Fotogalerie: WITHIN DESTRUCTION

















GHØSTKID
Angenehmer Nebeneffekt der Hochverlegung ins Backstage Werk: Das liebevoll ausgearbeitete Setdesign GHØSTKIDs darf auf der größeren Bühne nun in voller Pracht erstrahlen. Dabei hat man der bewährten Aufbaut aus dem Frühjahr ein kleines Upgrade spendiert. So wird das Schlagzeug abermals von stimmungsvoll leuchtenden Designelementen eingerahmt, die nun mittels geschwungener Linien die Backline geschmackvoll ausfüllen. Ähnlich viel Sorgfalt beweist das Quintett beim Make-up, wo uns die zahlreichen Details in Jappo van Glorys Corpsepaint regelrecht ins Gesicht springen. Die Show stiehlt dem Gitarristen diesbezüglich allein Bassist Stanni, der mit weißen Kontaktlinsen und roten Farbspritzern auf der schwarzen Kapuze abermals ein herrlich groteskes Bild abgibt.
Zu sehen gäbe es also eine ganze Menge, doch Zeit dafür haben die Anhänger:innen kaum. Schon der Opener „Black Cloud“ bringt den Circle Pit in der Arena zum Rotieren, bevor die geschickt platzierten „FSU“ und „Crown“ diese Energie für sich zu nutzen wissen. Direkt nach vorne und mit maximaler Aggression fordern GHØSTKID vollen Körpereinsatz, ohne sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Vor allem für Stanni scheint es mittlerweile fast Ritual zu sein, in Letztgenanntem Teil des Mobs zu werden. Begleitet wird der Mann am Tieftöner diesmal von Kollege Jappo, so dass plötzlich gleich zwei Fünftel der Band die vergleichsweise sichere Bühne gegen den Trubel davor tauschen.
GHØSTKID-Frontmann Sushi untermalt das emotionale „Heavy Rain“ auch visuell in passender Weise
Doch selbst ohne direkten Körperkontakt frisst das Publikum der Band aus der Hand. Fronter Sushi muss etwa in „You & I“ nicht zweimal bitten, um das Backstage in ein Lichtermeer zu verwandeln. Das Tempo reduzieren GHØSTKID dabei punktuell, wohl auch um unsere Kraftreserven nicht schon frühzeitig zu erschöpfen. Nur zu Atem kommen lässt uns das Quintett selbst dann nicht unbedingt: Den Trap- bzw. Rap-Part von „This Is Hollywood“ bestreitet Sänger Sushi gemeinsam mit den Fans, während Drummer Steve Joakim hinter seinem Kit eine entrückte Tanz-Choreografie hinlegt.
Textsicher zeigt sich die bayerische Landeshauptstadt zudem im solo vorgetragenen „Valerie“, das schließlich in einen unstrittigen Höhepunkt des Abends mündet. Von einer toxischen Beziehung handle das schwermütige „Heavy Rain“, lässt Frontmann Sushi wissen, um den titelgebenden Niederschlag sodann auch visuell auf die Bretter zu bringen. Die Tropfen, die auf das Haupt des Masterminds niederprasseln, mögen aus seiner eigenen Wasserflasche stammen, die emotionale Schwere des Songinhalts verbildlicht der künstliche Regenschwall dennoch in passender Weise.
GHØSTKID ist der Spaß auf der Bühne trotz schauriger Maskierung anzumerken
Wer anschließend nach einem Ventil lechzt, wird glücklicherweise nicht enttäuscht. Rauslassen dürfen wir die aufgestaute Energie aber erst, nachdem GHØSTKID namentlich auf ihre treue Crew angestoßen haben. Die Zeit dafür ist gut investiert, denn nicht nur der Sound, sondern auch der komplette organisatorische Ablauf lassen in München keine Wünsche übrig.
Was bis dahin fehlt, ist nur die Wall of Death, welche im anschließenden „Dahlia“ nachgeschoben wird. Wobei natürlich ein paar Hits noch ausstehen: Dass bei „Supernova“ einzig Gitarrist Jappo van Glory mit breitem Grinsen vor Sushis Mikrofon flieht, ist halb so wild. Immerhin stärkt Kollege Chris Canterbury an der Seite hunderte weiterer Kehlen dem Sänger verlässlich den Rücken. Dass man im Hause GHØSTKID trotz der schaurigen Maskierung überhaupt den Raum für derlei Scherze findet, ist der gesamten Performance anzumerken.
Zum Abschluss nimmt GHØSTKID-Bassist Stanni ein letztes Bad in der Menge
Was seinerzeit als Solounterfangen Sushis begann, scheint über die Jahre zur festen Einheit zusammengewachsen zu sein. Eine Einheit, die man auch mit den Fans zelebrieren will: Seite an Seite springt das Backstage Werk in „Fool“ aus der Hocke, lässt in „Hollywood Suicide“ den Pit noch einmal durchdrehen und trägt im abschließenden „The Sickness“ den völlig losgelösten Bassisten Stanni ein letztes Mal auf den Händen durch die Halle – die mittlerweile von dessen Rücken nahezu vollständig abgeblätterte Theaterfarbe ein Testament für den Einsatz, den Musiker wie Publikum in den vergangenen 75 Minuten gezeigt haben.
Man wolle wiederkommen, lässt Sänger Sushi die erschöpften Anhänger:innen schließlich wissen. Dann möchte man aber auf den schwarzen Vorhang, der heute die obere Reihe der gestuften Halle abtrennt, verzichten. Ein ehrgeiziges Ziel, das uns aber keineswegs zu hoch gegriffen erscheint. Wer innerhalb eines Jahres mit so viel Drive und Engagement vom Support zum Headliner heranwächst, dürfte schon in naher Zukunft auch in einer Location wie dem Backstage Werk vor ausverkauftem Haus spielen.
GHØSTKID Setlist – ca. 75 Min.
1. Black Cloud
2. FSU
3. Crown
4. You And I
5. S3X
6. Ugly
7. Drty
8. This Is Not Hollywood
9. Valerie
10. Heavy Rain
11. Murder
12. Dahlia
13. Supernova
—————————
14. Fool
15. Start A Fight
16. Hollywood Suicide
17. The Sickness
Fotogalerie: GHØSTKID

























Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)