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EMIL BULLS, CYPECORE, GHØSTKID, GRIZZLY: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 15.12.2023

Eine willkommene Tradition zum Jahresende: Auch diesmal laden EMIL BULLS wieder an zwei Tagen zu ihrem “X-Mas Bash” ins Münchner Backstage. Dank einer ausladenden Setlist und des abwechslungsreichen Vorprogramms aus CYPECORE, GHØSTKID und GRIZZLY verlangt bereits Tag eins den Fans alles ab.

Es gibt immer einen Grund zu feiern. Immerhin sieht man sich doch in dieser zunehmend digitalisierten Welt des 21. Jahrhunderts viel zu selten von Angesicht zu Angesicht. Allein deshalb ist der alljährliche „X-Mas Bash“ der Münchner EMIL BULLS eine willkommene Tradition zum Jahresende. An gleich zwei Abenden hintereinander lädt man diesmal ins ausverkaufte Backstage Werk, um mit Freunden, Familie und treuen Fans die vergangenen zwölf Monate gemeinsam ausklingen zu lassen. Dass die Weihnachtsfeiertage bevorstehen, ist diesmal aber gar nicht mal der wichtigste Anlass für die Sause: Vielmehr haben die Alternative-Metal-Urgesteine auch eine neue Platte in der Hinterhand.

Das Weihnachtskonzert ist deshalb zugleich vorgezogener Startschuss der „Love Will Fix It“-Tour, für den sich EMIL BULLS nach den beiden „Generalproben“ in Essen und Aschaffenburg einiges vorgenommen haben. Dazu zählt auch das bunt gemischte Vorprogramm, das an beiden Showtagen aus GHØSTKID sowie GRIZZLY besteht und am heutigen Freitag durch den ungleich härteren Special Guest CYPECORE komplettiert wird.


GRIZZLY

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Zum Einstieg allerdings drehen wir erstmal den Zeiger ein wenig zurück: GRIZZLY befinden sich zwar eigentlich auf ihrer Abschiedsrunde, katapultieren uns mit einer Breitseite unbeschwerten Pop Punks aber unmittelbar in eine Zeit zurück, als noch „American Pie“ über die Leinwände der Nation flimmerte und BLINK-182 über ihr eigenes Alter sinnierten. Kurzum, wir fühlen uns wieder richtig jung, als das Sextett mit einem synchronen Luftsprung den ausgelassenen Reigen eröffnet.

Dabei weiß die Band ganz genau, wie sie die Stimmung in einer sich allmählich füllenden Halle hochhält: Schließlich sind die Münchner:innen heute zum Feiern gekommen und wie könnte man das besser tun, als zu launigen Riffs und eingängigen Melodien den Alltag zu vergessen? Zwischen dem Frontgespann Zig und Bux wuselt es zudem gehörig auf der Bühne: Still gestanden wird weder auf den Brettern noch davor, zumal die beiden Sänger regelmäßig den über den Fotograben gespannten Steg nutzen, um auf direkte Tuchfühlung mit den Fans zu gehen.

GRIZZLY greifen sogar in die Kiste mit den Festival-Requisiten

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Ist der Gesang in den Anfangsminuten hier und da noch nicht perfekt auf den Punkt, finden GRIZZLY schnell ihren Rhythmus, dem sie mittels einiger härterer Spitzen und Screams ein wenig Kante verleihen. Nur eine Prise wohlgemerkt, denn im Mittelpunkt steht in erster Linie die gemeinsame Party. Dafür greift die Formation sogar in die Kiste mit den Festival-Requisiten: Erst surft Gitarrist Marius während „Why We Move“ auf einem riesigen Stück Pizza durch die Menge, bevor die aufblasbaren Schwimmutensilien gegen Schlauch und Trichter getauscht werden, um die erste Reihe mit Gerstensaft zu versorgen.

Klar, dass es zum Ende des gut halbstündigen Sets in der Arena feucht-fröhlich zugeht, sodass sich selbst Sänger Zig genötigt sieht, sich den munteren Pit im Closer „I Try To Grow“ aus nächster Nähe anzusehen. Wenn man im Hause GRIZZLY nach rund einer Dekade tatsächlich aufhören will, dann offenbar nur, weil es gerade am schönsten ist.

GRIZZLY Setlist – ca. 35 Minuten

1. Day & Night
2. We Stop At Nothing
3. Dirty Dudes
4. Why We Move
5. Step Out / Daydream
6. Confined By Reflection
7. Fire Fighter
8. I Try To Grow

Fotogalerie: GRIZZLY


GHØSTKID

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Zeit zu verlieren haben GHØSTKID eine gute Viertelstunde später ebenfalls nicht. Vielleicht nimmt Frontmann Sushi gerade deshalb die Meute vor sich direkt zum Auftakt in die Pflicht, als er den Innenbereich in die Hocke beordert. So in eine Show starten kann man natürlich nur, wenn man sein Publikum kennt. Sorgen machen muss sich die Alternative / Modern Metal-Band daher nicht, schließlich ist man heute Abend unter Freunden, wo nur Augenblicke später wie wild auf und abgesprungen wird.

Überhaupt ist das Backstage Werk um kurz vor acht auf Betriebstemperatur, so dass selbst die technischen Probleme an der Gitarre während „Crown“ nicht weiter ins Gewicht fallen. Die Blicke richten sich währenddessen vielmehr in die Arena, wo gerade Bassist Stanni inmitten des Circle Pits sein Instrument bedient. Auf den Brettern selbst fegt derweil Sänger Sushi, der heute überaus gut bei Stimme ist, von einer Seite zur anderen, während Drummer Steve hinter seinem rhythmisch aufleuchtenden Kit selbst zur Rampensau mutiert.

GHØSTKID können selbst in der Support-Rolle die Massen aufrütteln

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Es ist also wirklich in jeder Ecke der Halle was los, sodass das Ende des kurzweiligen Auftritts deutlich schneller kommt als erwartet. Das abschließende „Supernova“ mit seinen mächtigen Percussion-Schlägen singen die Münchner:innen dafür begeistert mit, bevor ebenfalls nach einer halben Stunde schon wieder Schicht im Schacht ist. Was bleibt, ist eine überzeugende Darbietung der Live-Qualitäten GHØSTKIDs, die sich bei weitem nicht auf ihr visuell stimmiges Erscheinungsbild reduzieren lassen, sondern dank einer energiegeladenen Performance selbst in der Support-Rolle die Massen aufrütteln können.

GHØSTKID Setlist – ca. 30 Min.

1. Fool
2. Start A Fight
3. Crown
4. Hollywood Suicide
5. Ugly
6. Heavy Rain
7. Supernova

Fotogalerie: GHØSTKID


CYPECORE

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Exakt diese Eigenschaften bilden auch das Rückgrat der Melodic-Death-Metal-Band CYPECORE, welche heute als exklusiver Special Guest stilistisch ein wenig aus dem Rahmen fallen mag, aber unserer anfänglichen Befürchtungen zum Trotz doch mit offenen Armen empfangen wird. Dass sich das unterkühlte SciFi-Konzept auch ohne Weiteres in einen derart bierseligen Kontext transportieren lässt, spricht für das natürliche Charisma der Musiker, die gar nicht daran denken, auch nur eine Sekunde ihren Rollen zu entschlüpfen.

Mittels leuchtender Brustpanzerung, dekorativer Verkabelung und akzentuierter Kriegsbemalung im Gesicht findet sich das Backstage Werk plötzlich in einer Art postapokalyptischen Welt wieder, wo sich die verbliebene Menschheit um einige wenige Führungsfiguren schart. Eine Rolle, die Frontmann Dominic Christoph mit fast stoischer Selbstverständlichkeit auszufüllen weiß: Bündige Aufforderungen und nachdrückliche Gesten reichen aus, um der Menge die gewünschte Richtung vorzugeben.

CYPECORE halten es kurz, aber kraftvoll

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So braucht es kaum mehr, als ein beherztes „München!“, um in „Where The World Makes Sense“ den Pit zu befeuern. Dass der Sänger, der im neuen Track „I’ll Be Back“ auch stimmlich durchweg souverän auftritt, nebenbei dem ersten ankommenden Crowdsurfer die Hand zur Unterstützung reicht, sorgt ganz unaufgeregt für Sympathiepunkte und eine anschließend umso knackigere Wall of Death im treibenden „Values Of Death“.

Auch hier bleibt der einzige Wermutstropfen somit, dass nach der aktuellen Single „Neoteric Gods“ mit den bewährten Hits „The Alliance“ sowie „Saint Of Zion“ der Blick in die Zukunft ein viel zu frühes Ende findet. Am Ende nur ein Akt der Barmherzigkeit? Angesichts des bevorstehenden Headliners gar nicht so abwegig.

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CYPECORE Setlist – ca. 35 Min.

1. Chosen Chaos
2. Where The World Make Sense
3. I’ll Be Back
4. Values Of Death
5. Neoteric Gods
6. The Alliance
7. Saint Of Zion

Fotogalerie: CYPECORE


EMIL BULLS

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Wer bereits ein Konzert der Lokalmatadoren miterleben durfte, weiß natürlich um die Anforderungen, die EMIL BULLS an ihr Publikum stellen. Zwei Stunden Vollgas ist selbst nach 25-minütiger Umbaupause eine Herausforderung, die selbst die leidenschaftlichsten Fans an ihre Grenzen treiben kann. Zumal das Quintett nach dem eröffnenden „The Devil Made Me Do It“ erstmal einen energiegeladenen Hit nach dem anderen zündet. War der Pit schon beim Opener ein regelrechtes Schlachtfeld, dreht das Werk zu den Nu-Metal-Rhythmen von „Man Or Mouse“ sowie „Pants Down“ komplett durch.

Ob während der härteren Songs nun Leiber ineinander fliegen oder in den Singalongs „The Age Of Revolution“ und „The Architects Of My Apocalypse“ inbrünstig mitgesungen wird: Die schier unbändige Energie der kraftvollen wie eingängigen Tracks verwandelt die Arena in einen Hexenkessel, den zwischendurch nicht einmal Frontmann Christoph von Freydorf noch zu kontrollieren vermag. Mehr oder minder vergeblich versucht der Sänger in „The Most Evil Spell“ das Publikum für eine Wall of Death zu teilen – nur mitbekommen will das vor lauter Körpereinsatz im Pit nicht jeder.

EMIL BULLS zeigen sich heute enorm publikumsnah

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Eigentlich ist das allerdings ein gutes Zeichen, denn offenbar treffen Band und Songs heute auf eine derart ekstatische Zuschauerschaft, die jedes noch so durchgeknalltes Spielchen bereitwillig mitspielen würde. So bittet von Freydorf einen gerade angekommenen Crowdsurfer ob seines „schwachen Abgangs“ noch einmal zurück auf die Bühne, um es zum folgenden „Between The Devil And The Deep Blue Sea“ per Stagediving „richtig“ zu machen.

Ohnehin zeigt sich der gut gelaunte Sänger heute überaus fan-nah; hilft erst in den vorderen Reihen bei der Suche nach einer verlorenen Brille und verteilt dann mit seinen Kollegen wahlweise Wasser oder Bier an die dehydrierte Meute zu seinen Füßen. Selbigen begegnet er im Verlaufe der Show zudem immer öfter auf Augenhöhe, wenn er nicht gerade in „Smells Like Rock ‘N‘ Roll“ selbst die Gitarre umschnallt. Immerhin schlagen die Fans bald im Sekundentakt auf dem improvisierten Catwalk auf, wo sie nicht selten mit einem freundschaftlichen Drücker empfangen werden, bevor es auf den Händen der Menge zurück ins Getümmel geht.

Im Zweifelsfall können sich EMIL BULLS auf ihre Fans verlassen

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Das funktioniert natürlich nur so reibungslos, weil das Kollektiv EMIL BULLS auch sonst mit Routine und Spielfreude gleichermaßen bei der Sache ist. Allen Späßchen und Neckereien zum Trotz bringen die beiden Gitarristen Moik und Bocko mit einem neuen Track à la „Whirlwind Of Doom“ ähnlich viel Zug in die Show, wie es erprobte Abrissbirnen Marke „Here Comes The Fire“ vermögen. Dass das Rhythmusfundament bestens funktioniert, beobachten wir kurz darauf im Klassiker „Nothing In This World“, wo Christoph von Freydorf das Mikrofon kurzerhand einem Fan in die Hand drückt und sich zwischenzeitlich hinter die Bühne verkrümelt.

Ehrensache, dass selbiger dem jungen Mann, der zwischenzeitlich im Alleingang die Fahne hochgehalten hatte, im Anschluss als Dankeschön ein kühles Bier in die Hand drückt. Gemeinsam mit den nassgeschwitzten Anhänger:innen gönnen sich EMIL BULLS auf diese Weise eine kurze Verschnaufpause, bevor auf diesen intimen Moment schon das erste Finale folgt.

Mit EMIL BULLS scheint heute auf einmal alles möglich

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Allzu lange hält es der Fünfer abseits Bühne allerdings nicht aus, bevor es mit dem BILLIE EILISH-Cover „You Should See Me In A Crown“ eindringlich weitergeht. Dass zwischen Hits wie „Hearteater“ in der zweiten Sethälfte auch die Ansagen etwas ausufernder werden, können wir EMIL BULLS nicht einmal ankreiden. Schließlich sind die wenigen ruhigen Stücke wie „Winterblood (The Sequel)“ kaum ausreichend, um inmitten des sonst so fordernden Sets zu Atem zu kommen. Nach selbigem gerungen wird im vorderen Hallenbereich zudem während der neuen Single „Love Will Fix It“: Während sich der Circle Pit im Zentrum dem Titel entsprechend eher in eine launige Polonaise verwandelt, spielt sich nahe des Wellenbrechers eine ungleich kuriosere Szene ab.

Es ist nicht der erste Heiratsantrag, den wir auf einer Metal-Show beobachten dürfen. Dass sich um das glückliche Pärchen derweil schützend ein kleiner Circle Pit bildet, haben wir so noch nicht erlebt. Und doch passt auch dieses Ereignis irgendwie zur heutigen Atmosphäre. Immerhin ist es einer dieser Abende, an denen plötzlich alles möglich erscheint. Auch ein zweiter Zugabenblock, bei dem EMIL BULLS sogar das A-HA-Cover „Take On Me“ vom Debüt auspacken und so nicht nur die Halle, sondern auch unsere Trommelfelle explodieren lassen. Doch im Ernst, gesanglich ist das nach fast zwei Stunden Vollgas durchaus beeindruckend, weshalb die Wall of Death im abschließenden „Worlds Apart“ einen mehr als gerechtfertigten Lohn für diesen X-Mas Bash darstellt.

Zum Finale stürmen die Fans die Bühne

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Der Einladung, für die letzten Minuten der Band auf den Brettern Gesellschaft zu leisten, folgen die Münchner:innen im Anschluss gerne, um auf diese Weise auch das inoffizielle Motto der Veranstaltung mit Leben zu füllen. „Family means family forever“, gibt uns Fronter Christoph dabei mit auf den Weg und bringt auf den Punkt, was eine solche Veranstaltung doch im Kern ausmacht – ein freudiges Wiedersehen mit langjährigen Wegbegleitern, mit Familie und Freunden. Es mag natürlich immer einen Grund zu feiern geben, einen besseren als das können wir uns aber kaum vorstellen.

EMIL BULLS Setlist – ca. 130 Min.

1. The Devil Made Me Do It
2. The Age Of Revolution
3. Man Or Mouse
4. Pants Down
5. Euphoria
6. Not Tonight Josephine
7. The Architects Of My Apocalypse
8. Between The Devil And The Deep Blue Sea
9. Smells Like Rock ‘N’ Roll
10. Here Comes The Fire
11. The Most Evil Spell
12. Whirlwind Of Doom
13. The Saddest Man On Earth Is The Boy Who Never Weeps
14. Nothing In This World
15. When God Was Sleeping
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16. You Should See Me In A Crown
17. Close To The Wind
18. Hearteater
19. Love Will Fix It
20. Winterblood (The Sequel)
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21. The Ninth Wave
22. The Jaws Of Oblivion
23. Take On Me
24. Worlds Apart

Fotogalerie: EMIL BULLS

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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