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BLIND CHANNEL, GHØSTKID, ROCK BAND FROM HELL: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 27.03.2024

Die Mission BLIND CHANNELs ist ambitioniert: Nicht weniger als die pure Energie eines kleinen und verschwitzten Nachtclubs wollen die Finnen auf ihrer “Exit Emotions”-Tour einfangen. Wie gut das selbst in einer Halle wie dem Backstage Werk gelingen kann, zeigt uns die Gruppe während ihres Aufenthalts in der bayerischen Landeshauptstadt.

Die pure Energie eines zwielichtigen Nachtclubs einzufangen; einen Raum zu kreieren, in dem all die Emotionen ein Ventil finden, die sich während des stressigen Alltags aufgestaut haben. Die Mission, welcher sich BLIND CHANNEL mit ihrem neuen Album „Exit Emotions“ (2024) und der dazugehörigen Tour verschrieben haben, legt die Messlatte gehörig nach oben. Aber genau dort wollen die Finnen auch hin, weshalb sie auf ihrem bis dato größten Headliner-Trip mit dem Werk die größte der drei Münchner Backstage-Hallen gebucht haben. Damit es an der Spitze aber nicht allzu einsam wird, hat das Sextett Verstärkung mitgebracht: Während GHØSTKID ebenfalls eine brandneue Platte präsentieren, erklingen zum Auftakt ungleich heitere Töne.


ROCK BAND FROM HELL

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Dass ROCK BAND FROM HELL mit dem etwas ausgelutschten „Also sprach Zarathustra“-Intro in ihr knackiges Set starten, passt letzten Endes auch zum restlichen Set. Denn mit Originalität punktet der poppige Punk Rock, den man in Nordfinnland zumindest auch kleidungstechnisch vorlebt, kaum. Dafür gehen die eingängigen Stücke wie „Fed Up“ ohne Umwege ins Ohr, was sich gerade in der Anheizerrolle bezahlt macht.

Auch durch die energetische Live-Performance angestachelt, zieht das Publikum im Backstage bald mit: Während Gitarrist Jere Siiviko regelmäßig mit beiden Beinen vom Boden abhebt, tun es ihm die Münchner:innen in „Sex Is On Fire“ gleich, indem sie auf Kommando aus der Hocke springen. Es ist nur eine der zahlreichen Partizipationsmöglichkeiten, zu welchen sich die Menge animieren lässt. Die Smartphone-Leuchten im finalen „Cloud9“ sind etwa ein netter Touch, richtig in Erinnerung bleibt hingegen nur das kurze Drum-Solo Mikko Nykänens, der zu „Freestyler“ (BOMFUNK MCS), der inoffiziellen „Nationalhymne Finnlands“ die Stöcke schwingt und dafür zu Recht eine Menge Jubel einheimst.

Fotogalerie: ROCK BAND FROM HELL


GHØSTKID

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Wie man einen standesgemäßen Auftritt inszeniert, wissen GHØSTKID in jedem Fall: Währen beleuchtete Bühnenelemente das Schlagzeug in einen dezenten Schimmer tauchen, lehnt sich Drummer Steve Joakim während des Intros weit über sein Instrument, als würde er in der ersten Reihe nach einem potenziellen Opfer suchen. Finden wird er nur Augenblicke später hunderte davon, denn als die Band mit „Hollywood Suicide“ von der einen Sekunde auf die andere explodiert, zieht das Backstage unmittelbar mit.

Bis man im Zentrum ähnlich bewegungsfreudig agiert, wie es schon von Beginn an auf der Bühne vorgelebt wird, dauert es nur einen kurzen Moment: Als sich im zweiten Track „Crown“ sowohl Bassist Stanni als auch Kollege Jappo an der Gitarre unter die Leute mischen, bildet sich schnell der erste Circle Pit um die beiden Musiker. Ein cleverer Schachzug, der sich bezahlt macht, ist doch ab diesem Zeitpunkt die Meute in der Arena kaum noch zu bremsen.

GHØSTKID finden das ideale Gleichgewicht aus Gefühl und purer Energie

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Pause macht der Moshpit eigentlich nur, wenn Frontmann Sushi in „Start A Fight“ zum Springen auffordert oder in „You & I“ kurzzeitig die Smartphone-Leuchten gezückt werden. Im Allgemeinen aber finden GHØSTKID das ideale Gleichgewicht aus Gefühl („Heavy Rain“) und purer Energie („FSU“), was früher oder später natürlich in einer Wall of Death enden muss. Weil zwischen fliegenden Drumsticks und Publikumskontakt sowohl Rockstarattitüde als auch Chemie zwischen Band und Zuschauerschaft stimmen, gelingt selbst die finale Gesangsübung „Supernova“ ohne weiteres Zutun: In München zeigt man sich schon vor dem Main-Act überaus textsicher.

GHØSTKID Setlist – ca. 45 Min.

1. Hollywood Suicide
2. Crown
3. Start A Fight
4. You & I
5. FSU
6. Ugly
7. Heavy Rain
8. Murder
9. Dahlia
10. Supernova

Fotogalerie: GHØSTKID


BLIND CHANNEL

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Warum die 30-minütige Umbaupause anschließend wie im Flug vergeht, liegt an einem witzigen, wie kongenialen Einfall: BLIND CHANNEL haben für die Wartezeit ein eigenes Mock-Radioprogramm zusammengestellt – inklusive Werbeunterbrechungen, Live-Anrufen und dem Wetterbericht. Dazwischen läuft eine Auswahl an Musikstücken und Genres, welche die Finnen in ihrer Jugend inspiriert haben: Nu Metal, Rap oder auch auf Wunsch eines nuschelnden finnischen Landwirts METALLICAs „Enter Sandman“. Kurzum, „Radio Exit“ ist ein voller Erfolg, dem wir tatsächlich noch länger zugehört hätten, als Sirenen und Blaulicht die bevorstehende Show ankündigen.

Dass selbige direkt in die Single „Deadzone“ mit ihren US-Rock-Vibes überleitet, ist wohl kein Zufall – und natürlich ein Garant dafür, dass man im Backstage direkt weiß, wo es lang geht. Denn zu catchy Melodien und satten Riffs zeigt das Sextett binnen Sekunden, wie man das Maximum aus den Bühnenmaßen herausholt, ohne sich die Köpfe einzuschlagen. Wenn Gitarrist Joonas und Sänger Joel während „Over My Dead Body“ doch einmal die Schädel aneinanderdrücken, dann ist dieses Kräftemessen eher als spaßiger Teil der Choreografie zu verstehen, die vor allem eine Botschaft aussendet: BLIND CHANNEL sind hochmotiviert und lieben, was sie tun – die energetische Performance mehr Ausdruck dieser Leidenschaft denn aufgesetztes Pflichtprogramm.

Von Pop-Appeal bis brachialem Metalcore – die Bandbreite BLIND CHANNELs ist enorm

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Das kommt auch bei der textsicheren Anhängerschaft an, die in „Where’s The Exit“ wie selbstverständlich auf die Knie geht, um danach umso höher in die Luft zu segeln. Ein gar nicht so unpassendes Sinnbild dieser Show, denn obwohl es im Zentrum gerade während des ersten Drittels noch etwas dauert, bis richtig Bewegung in die Sache kommt, ist eigentlich in jeder Ecke der Halle etwas los. Am meisten natürlich auf der Bühne, wo DJ Aleksi in „Red Tail Lights“ auch mal sein Percussion-Set erklimmt, bevor BLIND CHANNEL den Breakdown von „XOXO“ mit einer kleinen Choreografie begleiten, um ihrem scherzhaften Beinamen auch tatsächlich gerecht zu werden.

Eine treue Gefolgschaft wissen die „Backstreet Boys des Nu Metal“ schon jetzt hinter sich: Zu „We Are No Saints“ wird begeistert gesprungen; die Ballade „Die Another Day“, bei der Gitarrist Joonas den Part von Sängern Rory mit absolut formidabler Singstimme intoniert, wiederum begleiten zahlreiche Lichter. Von Pop-Appeal in „Phobia“ bis brachialen Metalcore-Einflüssen in „Not Your Bro“ streckt sich die Bandbreite des heutigen Abends, was wiederum der Menge in der Arena einiges abverlangt. Tatsächlich scheint der Moshpit während des letztgenannten Tracks dem Backstage so sehr einzuheizen, dass sich selbst Sänger Niko seiner charakteristischen Mütze entledigt, um die Haare endlich richtig fliegen zu lassen.

Zum Abschluss zücken BLIND CHANNEL ihren ESC-Hit “Dark Side”

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Den Spagat aus eingängig und heavy befeuern BLIND CHANNEL überdies gezielt durch die Songauswahl: Nach der Solo-Rapeinlage Nikos („Violent Bob“) schieben die Finnen mit dem SYSTEM OF A DOWN-Cover „B.Y.O.B.“ einen furiosen Live-Kracher hinterher, bei dem überraschenderweise DJ Aleksi die Screams übernimmt, um den Circle Pit zu neuen Geschwindigkeitsrekorden anzustacheln. Spätestens jetzt ist die bayerische Landeshauptstadt auf dem Level angekommen, das wir von genre-verwandten Shows gewohnt sind: Von der Wall of Death in „Wolves Of California“ über Huckepack im Circle Pit („Balboa“) bis hin zu den Crowdsurfern im vorzeitigen Closer „Bad Idea“ spulen die Münchner:innen das komplette Programm ab.

Wie man das steigern soll? Die Antwort liefern BLIND CHANNEL mit dem zweiteiligen Zugabenblock, wo u.a. das mitreißende „Flatline“ das Backstage Werk dank Hardstyle-Anleihen und einer pulsierenden Lightshow für drei Minuten zu einem schwitzigen Nachtclub umgestaltet. Der abschließende ESC-Hit „Dark Side“ hat dann als eingängig konzipierter Singalong ohnehin leichtes Spiel, die euphorische Fanschar noch einmal an den Rand der Ekstase zu treiben.

BLIND CHANNEL setzen das Motto “Exit Emotions” in die Tat um

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Zufriedene Gesichter auf, neben und vor der Bühne sind die Folge, als sich die sechs Musiker zu den Klängen des Backstreet-Boys-Hits „Everybody“ schlussendlich verabschieden. Einen Raum zu schaffen, in dem alle Emotionen ein Ventil finden können, war die selbstauferlegte Mission – „Exit Emotions“, um es mit dem Tour-Motto auf den Punkt zu bringen. Ohne Wenn und Aber ein ambitioniertes Vorhaben, dem wir 75 Minuten später jedoch unsere Anerkennung aussprechen müssen. Ein Lächeln sagt laut Volksmund schließlich mehr als tausend Worte – und davon begegnen uns auf dem Weg zurück in die angenehm kühle Frühlingsnacht wohl mehr, als wir in dieser kurzen Zeit zählen können.

BLIND CHANNEL Setlist – ca. 75 Min.

1. Deadzone
2. Where’s The Exit
3. Over My Dead Body
4. Red Tail Lights
5. We Are No Saints
6. Phobia
7. XOXO
8. Not Your Bro
9. Died Enough For You
10. Die Another Day
11. Keeping It Surreal
12. One Last Time…Again
13. Violent Bob
14. B.Y.O.B.
15. Wolves In California
16. Balboa
17. Bad Idea
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18. Happy Doomsday
19. Flatline
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20. Dark Side

Fotogalerie: BLIND CHANNEL

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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