FEUERTANZ-FESTIVAL, 10.-11.5. 2002, Alte Schmiede, Aalen

Impressionen von zwei gelungenen Festivalabenden.

Nur gut ein Dutzend Kilometer vom Abtsgmünder SUMMER BREEZE-Festivalgelände entfernt hatten die SUMMER BREEZE-Macher in der Alten Schmiede, einem ausgedienten Industriekomplex in Aalen, die passende Location für ein zweitägiges Indoor-Festival gefunden, das sich als Appetit machender Vorgeschmack auf die unmittelbar bevorstehende Open-Air-Saison entpuppte. Wie das SUMMER BREEZE zeigte sich auch das FEUERTANZ-Festival bestens organisiert, neben reichhaltigen und günstigen Getränken und Speisen (der 0,4l-Becher Met hatte es nicht nur mir angetan, hehe) stimmte auch das weitere Drumherum, von der freundlichen und hilfsbereiten Security bis hin zum reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. Beste Voraussetzungen also für ein gelungenes Musikwochenende, zumal die Bandauswahl für so manche Überraschung gut war, weshalb man beinahe schon von einer SPRING BREEZE reden konnte…

Freitag, 10.5.

THE BLUE SEASON


Den Anfang machten bei noch durch die Hallenfenster einfallendem Tageslicht die Göppinger THE BLUE SEASON, die jedoch – unterstützt von einer wie auch bei allen Bands später fantastischen Lichtshow – sofort das entgegen allen Befürchtungen der Band bereits zahlreich erschienene Publikum in ihren Bann ziehen konnten. Neben zwei Songs von ihrer letzten Platte Secede, darunter die Bandhymne Dreamdancer, setzte die Band mit dem unvergleichlichen atmosphärisch-melancholischen Sound auf neues, unveröffentlichtes Material, und wie schon bei der CD-Präsentation konnten sie damit das Publikum begeistern und die Neugier auf kommende Taten anheizen. Blickfang war wie gewohnt Sängerin Natalie, die so langsam aber sicher ihre Scheu auf der Bühne ablegt und mit ihrer Natürlichkeit bezauberte. Ihre Jungs gaben ebenfalls alles, besonders Gitarrist Jogi und Keyboarder/Sänger Oli gingen voll auf in den eigenen Songs und ließen sich tragen von den dynamischen, wehmütigen Kompositionen. Nach gerade mal 25 Minuten war leider schon Schluss für die hoffnungsvollen Newcomer, deren Auftritt beim diesjährigen SUMMER BREEZE sicherlich ein guter Geheimtipp sein dürfte. Dass sie auch auf großen Bühnen bestehen können, haben THE BLUE SEASON auf alle Fälle an diesem Abend gezeigt.

FURBISHED FACE

Nicht ganz klar wurde mir, was eine Band wie FURBISHED FACE in diesem Billing zu suchen hatte. Zum einen herrschte – entsprechend dem seltsamen Bandnamen (soll das die Übersetzung von ´polierte Fresse´ sein?) – in der Musik des Quartetts eine Stilverwirrung, die beinahe schon seekrank machte. Zwischen kurzen Schlenkern in Richtung Gitarrenwave dominierten progressive Metalelemente, bevor Alternative/Punk-Versatzstücke plötzlich das Steuer erneut herumrissen. Zum anderen war auch die Bühnenpräsentation alles andere als homogen zu nennen. Der Sänger erinnerte meine Begleiterin an Buddy Holly, während der Rest der Band aus Metal- und Studentenköpp-Bands wahllos zusammengesucht erschien. Alles in allem erweckte die Band einen äußerst orientierungslosen und unfertigen Eindruck und konnte kaum mehr als Höflichkeitsapplaus verbuchen. Der einzige Durchhänger dieses Tages, auch wenn die Jungs sich redlich mühten.

BLOODFLOWERZ

Die Stimmung stieg jedoch in der Folge sofort wieder an, da die BLOODFLOWERZ, vom beständigen Touren gestärkt, überzeugen konnten. Präsentierten sie sich letztes Jahr im Vorprogramm von ANATHEMA noch etwas gesichtslos und eintönig, so haben sie inzwischen gelernt, die Songs ihres Debütalbums Diabolic Angel ausdrucksstärker und sicherer zu spielen und sie somit zu einem echten Ereignis werden zu lassen. Sängerin Kerstin ist nach wie vor der optische Mittelpunkt der Band, unablässig wanderte sie die Bühnenbretter auf und ab, während sie mit ihrer kräftigen Stimme die geradlinigen, zumeist rockigen Gothic Metal-Songs intonierte. Ablaze, Season Of Love, Cold Rain, Sadness oder auch der Titeltrack Diabolic Angel kamen bestens an und sorgten für ordentlich Bewegung im Zuschauerraum. Zwar fehlt manchen Tracks noch das gewisse Etwas, aber gerade in Verbindung mit der energiegeladenen Liveshow überzeugten die BLOODFLOWERZ. Eine Band, bei der man gespannt sein darf, was da noch so alles kommen wird.

SCHANDMAUL

Wieso mir die Band SCHANDMAUL bislang völlig unbekannt geblieben war, entzieht sich meiner Kenntnis, vielleicht lag´s ja daran, dass ihre Plattentitel immer etwas mißverständlich gewählt wurden, mit dem Begriff ´Power Folk´ beispielsweise hätte ich nämlich eigentlich eher CVJM-Rocker wie FIDDLER´S GREEN in Verbindung gebracht. Doch falsch geraten, denn schon beim Soundcheck fällt das umfangreiche Instrumentarium auf, vom Dudelsack über Tröte, Akkordeon und Pauke bis hin zu den konventionellen Rock-Instrumenten war alles am Start. Und einen Heidenlärm entfachten die Sechs von SCHANDMAUL damit. Ihr Mittelaltermetal besaß genau die richtige Ausgewogenheit von harten Gitarren, komplexen traditionellen Melodien und straighten, mitreißenden Rhythmen. Dazu kamen noch die vom Sänger mit überzeugender, rauchig-kräftiger Stimme dargebotenen Texte, die denen von SUBWAY TO SALLY nicht unähnlich mit Fantasiereichtum bestachen. Genauso hätte ich mir IN EXTREMO immer gewünscht! Und so gab es kein Halten mehr, egal ob Gruftie, Mittelaltermarktbesucher oder Metaller, niemand stand mehr unbeteiligt herum, sondern alles tanzte und feierte zusammen mit SCHANDMAUL, die sich sichtlich über diese enthusiastischen Reaktionen auf breiter Ebene freuten. Sogar für eine Zugabe wurde die Band zurück auf die Bühne beordert, wodurch aus einem Auftritt, von dem ich mir nicht viel im Vorfeld versprochen hatte, ein Triumphzug sondersgleichen wurde.

SUBWAY TO SALLY


Doch es sollte noch viel, viel besser kommen. Leider werden Begriffe wie ´Gänsehaut´, ´pure Magie´ und ´restlos begeisternd´ viel zu inflationär gebraucht, so dass es mir schwer fällt, den Auftritt von SUBWAY TO SALLY in treffende Worte zu fassen. Eingeleitet von wuchtigen Pyroeffekten legten die Pioniere des mittelalterlichen Metals mit einer vollkommen umgearbeiteten, genial schleppenden Version von Sag dem Teufel los. Was folgte, war ein Freudenfest sondersgleichen. Nachdem die Band auf der Tour zu Herzblut zumindest in meinen Augen ein klein wenig müde gewirkt hatte, hat sie mittlerweile ihre unbändige Spielfreude zurückgewonnen und sogar noch ein Brikett nachgelegt. SUBWAY TO SALLY brannten förmlich darauf, dem dankbaren Publikum einen Hit nach dem anderen um die Ohren knallen zu dürfen. Während andere Bands nach derart vielen Auftritten, wie sie die Berliner inzwischen in ihrer Karriere absolviert haben, einer sich einschleichenden Routine und Abgeklärtheit nicht immer Einhalt gebieten können, explodierten SUBWAY TO SALLY geradezu bei jedem Lied von neuem und wirkten so hungrig, wie sonst nur Newcomer es sind, konnten dabei aber auf ihre enorme Professionalität zurückgreifen. Ich hatte SUBWAY TO SALLY vorher schon vier Mal live bewundern dürfen und wußte also schon, was mich erwartet, doch trotzdem war ich ebenso restlos überwältigt wie Leute, die die Band an dem Tag zum ersten Mal sahen. Wie aus einem Guss, doch keineswegs einstudiert bewegten sich Frau Schmidt und ihre Mannen auf der Bühne zu Songs wie Das Opfer, Der Sturm, Mephisto und Kleid aus Rosen. Bei der Songauswahl der fast zweistündigen Show fiel auf, dass der Schwerpunkt auf dem Material des Meilensteins Hochzeit lag, während vom letzten Album Herzblut lediglich Die Schlacht (in einer leidenschaftlichen Version), Herrin des Feuers und die zwei Fassungen von Kleid aus Rosen zum Einsatz kamen. Ohne Liebe wurde gar auf einen spontan aufbrandenden Zuschauerchor hin gespielt. Doch SUBWAY TO SALLY waren schon immer auch dafür bekannt, auch älteren Songs einen Platz in ihrem Programm freizuräumen, so dass die begeisterten Zuschauer Sie soll brennen! rufen, dem Teufel Guten Tag sagen und mit den Räubern Blut saufen konnten, letzteres mit dem Gastauftritts eines jungen Mädchens, dessen Mut, vor so vielen Leuten auf einer großen Bühne alleine vom üblen Tun der Räuber zu singen, enormer Respekt gezollt gehört. Die geniale Lichtshow und die vielen Effekte und Spielereien auf der Bühne veredelten dieses Liveereignis endgültig, so dass man nach den etlichen Zugaben ausnahmslos glückliche Menschen dem Ausgang entgegenstreben sah, um noch Stunden später Wonneschauer und Gänsehaut zu verspüren. Wenn es doch ein Leben nach dem Tod geben sollte und mir wider Erwarten Einlass ins Paradies gewährt wird, so soll dieses genauso aussehen und sich vor allem so anhören wie der SUBWAY TO SALLY-Gig auf dem FEUERTANZ-Festival an diesem denkwürdigen Abend!

Samstag, 11.5.

MONDSCHEIN

Hoch anrechnen muss man den Veranstaltern, dass sie in Gestalt von MONDSCHEIN und SLYDE zwei Undergroundbands die Möglichkeit, einmal Erfahrungen auf einer großen Bühne vor mehr als den obligatorischen 30 Juze-Konzertbesuchern zu sammeln. Für MONDSCHEIN sollte es gar der allererste Gig ihrer Karriere werden, entsprechend nervös wirkten einige in der Band, allerdings auf eine sympathische Art und Weise, so dass man ihnen kleinere Unsauberkeiten und Unsicherheiten gerne nachsah und den Gothic/Death Metal-Kompositionen lauschte, die ihre Livepremiere erlebten. Einzuordnen war der Sound der Band irgendwo zwischen CREMATORYs deutschsprachigem Album und der ersten TRISTANIA-Scheibe – auf den ersten Eindruck hin zumindest. Die schüchterne Sängerin verfügte über eine angenehm tiefe, kräftige Stimme, von der die Band in Zukunft sicher noch viel profitieren dürfte, während der Drummer den grunzenden Gegenpart übernahm. In Anbetracht der Tatsache, dass dies das berüchtigte erste Mal onstage für die Dame und Herren war, muss MONDSCHEIN ein Kompliment ausgesprochen werden, denn sie vermochten es durchaus, große Teile der Zuhörerschaft gefällig lauschen zu lassen, wenngleich die Kompositionen noch etwas mehr Eigenständigkeit und aufgelockertere, groovigere Rhythmen vertragen könnten. Doch diese Band steht wie erwähnt noch am Anfang des Weges und tat an diesem Abend einen großen ersten Schritt.

SLYDE

SLYDE überraschten in dem ansonsten doch sehr finsteren Billing mit guter Laune, Spielfreude und ordentlich Dreck in den Verstärkern, auf den Stimmbändern und auf den Trommelfellen. Besonders die Gesangsduelle von Sängerin und Sänger sprühten vor musikalischer Leidenschaft. Und so machte das Hardrock-Stoner-Rock´n´Roll-Gebräu ordentlich Spaß, zumal SLYDE geschickt das Tempo variierten und nicht erst seit gestern auf den Bühnen dieser Welt zuhause zu sein schienen. Den großen Pluspunkt der Band stellt wohl die Sängerin dar, die wie ein Derwisch über die Bühne fegte und dabei mit ihrer rauchigen, starken Stimme besonders alle männlichen Anwesenden in ihren Bann zog… inklusive des Sängers, der sie immer wieder begeistert hochleben ließ. Ein äußerst cooler Auftritt und eine prächtige Auflockerung im Billing des Abends!

END OF GREEN

Man sollte meinen, dass nach CD-Besprechung, Interview und Livereview so langsam die Begeisterung und die Worte über END OF GREEN bei mir zur Neige gehen sollten, doch auch diesmal waren die Jungs um Sänger und Gitarrist Michael Huber in bestechender Form und rissen mich voll und ganz mit, und das sogar, obwohl die Bandhymne I Hate fahrlässigerweise von der Setlist ausgeschlossen worden war. Mit einem neuen Song begann die knapp 45-minütige Geisterbahnfahrt in die Abgründe der menschlichen Seele. Michael Huber und seine Stimme bildeten gewissermaßen das Auge des Sturms, welchen die restlichen Bandmitglieder ringsum entfachten. Auch wenn er mit der einzigen Ansage darauf bestand, dass alles etwas komisch klänge, zündeten Motor, Only One und Mirror problemlos. Wie schon in der Röhre perfekt passend zur Grundstimmung der Songs: das Ambiente des Veranstaltungsorts. Die Alte Schmiede – eine charmant-verfallene Industrieruine mit hohen, kahlen Fenstern – ergänzte den düsteren Grundtenor der Songs, wobei ich mittlerweile die Musik von END OF GREEN gar nicht mehr ganz so ausschließlich als trübselig und hoffnungslos empfinde, sondern vielmehr als umfassende Widerspiegelung aller Höhen und Tiefen, durch die man gehen muss und manchmal auch gegangen wird. END OF GREEN lassen einen spüren, dass man am Leben ist, mit allen damit verbundenen Schmerzen, aber auch mit den Ausbrüchen aus der Verzweiflung mittels purem, exzessivem Genuss. Und ein Genuss war es an diesem Abend, END OF GREEN zu lauschen.

EVEREVE

So leid es mir tut, ich verstehe auch nach diesem Auftritt nicht, wie sich der recht hohe Status von EVEREVE rechtfertigen läßt. Sicher, jeder der Musiker beherrscht sein Metier, und auch die stilistische Vereinigung von Gothic Metal und Elektronik sollte mir eigentlich voll reinlaufen, und doch konnte ich mich nur mühsam der aufkommenden Langeweile erwehren. Ihr Sänger versuchte redlich alle Anwesenden zum Mitmachen und -tanzen zu animieren, ihm gelang das trotz geradezu penetranten Anfeuerungen und Einforderungen von Publikumsreaktionen jedoch nur sehr bedingt, was wohl seinen Hauptgrund in den an Höhepunkten armen, stets auf gleichbleibendem, nicht zu hohem Energielevel angesiedelten Kompostionen haben dürfte. Und es war gerade die Nachbarschaft zu END OF GREEN im Ablauf des Abends, die klar machte, dass es der Band an Charisma mangelt. Publikumsreaktionen ebenso wie Rhythmen und Melodien wirkten erzwungen und mit harter Arbeit verbunden, da ist keine inspirierte Leichtigkeit in der Musik und der Bühnenshow der Badener, auf die sich EVEREVE verlassen könnten. Die Madmanperformance des Sängers wirkte zudem erzwungen und gekünstelt, zu jeder Zeit konnte man ihn sich auch problemlos als braven Schwiegersohn vorstellen, da mochte er auf noch so vielen Verstärkertürmen rumturnen und den Ketten-Mikroständer durch die Gegend schmeißen. Da war EVEREVEs Auftreten zu Demozeiten um einiges natürlicher und ansprechender, zumal damals die Stücke der Band auch sehr viel dynamischer und abwechslungsreicher waren als die aktuellen Werke. Ebenfalls nicht herausreißen konnte es die nicht umwerfende Version von Fade To Grey, die abschließend dargeboten wurde.

IN EXTREMO


Weitaus professioneller und unterhaltsamer präsentierten sich da IN EXTREMO. Zwar kann ich mit den Alben der Band nach wie vor nichts anfangen, doch live gewinnen die zuvor biederen Stücke enorm an Wucht und Appeal. Hinzu kommt die inzwischen wirklich perfekt arrangierte Liveshow mit Feuerfontänen, Galgenkulissen, riesigen Trommeln und aufeinander abgestimmten Laufwegen der Dudelsackspieler. Und so sollten sich IN EXTREMO auch beim FEUERTANZ-Festival als würdiger Headliner erweisen, wie sie es schon beim letztjährigen SUMMER BREEZE getan hatten. Diesmal klappte auch die Intonation der Merseburger Zaubersprüche mit Laute und stimmungsvoller Lightshow. Die Zuschauer dankten es der Band mit Beifallsstürmen und nahezu epidemischem Tanzen, was wiederum Frontmann Das Letzte Einhorn und seine Kollegen zu weiteren Höchstleistungen anstacheln und für mehr als eineinhalb Stunden Unterhaltung vom Feinsten sorgen sollte. Ein würdiger Abschluss eines äußerst schönen Festivals, das sicher nicht nur mich die Tage bis zum ersten Outdoor-Wochenende zählen lässt.

(Link zur Feuertanz Bilder-Gallery)

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner