Evergrey live in München 2024

EVERGREY, KLOGR, INNER VITRIOL: Konzertbericht – Backstage Halle, München – 10.12.2024

Gar nicht mal so kopflastig: Mit ihrem aktuellen Album „Theories Of Emptiness“ sprechen EVERGREY doch vornehmlich mit dem Herzen. Auch im Münchner Backstage bleibt die Melancholie der Schweden nicht ohne Wirkung.

Mitte Dezember wartet München zwar immer noch auf den ersten richtigen Schnee, doch zumindest die Temperaturen um den Nullpunkt entsprechen dem heutigen Anlass. Obgleich EVERGREY freilich nicht mit frostigen Klängen aus den norwegischen Wäldern aufwarten, ist der progressiv angehauchte Alternative Metal der Göteborger stets durchzogen von Melancholie – und damit wie geschaffen für das triste vorwinterliche Klima in der Millionenstadt.

Dort freuen sich die früh angereisten Fans gleich doppelt über den zeitigen Beginn: zunächst, um der Kälte vor den Toren zu entfliehen, und anschließend, um an diesem Werktag vielleicht doch zu verantwortungsvoller Stunde in den Federn zu landen. Bis dahin gibt es allerdings noch einiges zu tun und zu erleben: Immerhin haben EVERGREY mit KLOGR und INNER VITRIOL Verstärkung aus Italien mitgebracht.


INNER VITRIOL

Inner Vitriol live in München 2024

Dass Letztere zunächst vor eine nicht ganz zur Hälfte gefüllte Halle treten müssen, bringt die vier Musiker glücklicherweise nicht aus dem Konzept. Im Gegenteil, präsentieren INNER VITRIOL ihren nachdenklichen Progressive Metal blitzsauber und auf fast schon bescheidene Art und Weise. Dabei versteckt sich hinter Sänger Gabriele Gozzis (FALLEN SANCTUARY, INDUCTION) bodenständigem Auftreten eine wirklich ausgezeichnete Singstimme, die in den richtigen Momenten den Saal ausfüllt, um sich dann wieder vornehm zurückzuziehen.

Dadurch bekommen auch seine Mitstreiter ihre Zeit im Rampenlicht, wenn etwa Francesco Lombardo in „The Frozen Wind“ ein kleines Bass-Solo zum Besten geben darf. Herausfordernd wird es bei der noch unveröffentlichten Single „Butterflies“, wo Gozzi die Münchner:innen vor die offenbar unlösbare Aufgabe stellt, den nicht ganz geraden Takt mit zu klatschen. Nach ein paar aufbauenden Worten erkennt der Frontmann aber immerhin Fortschritte, die schlussendlich auch zum Erfolg führen: Im abschließenden „Endless Spiral“ sind dann sowohl Publikum als auch Taktgeber Michele Panpinto am Schlagzeug auf einer Wellenlänge – Grund genug für so manchen Neu-Fan, im Anschluss beim Merchandise-Stand der sympathischen Italiener vorbeizuschauen.

INNER VITRIOL Setlist – ca. 35 Min.

1. Slowly She Dies
2. The Frozen Wind
3. Butterflies
4. Impressioni Di Settembre (PREMIATA FORNERIA MARCONI-Cover)
5. Endless Spiral

Fotogalerie: INNER VITRIOL


KLOGR

Klogr live in München 2024

Außergewöhnliches vermuten wir eine Viertelstunde später eigentlich nicht, als auf den beiden seitlich aufgestellten Videoscreens plötzlich ein bizarres Filmchen abgespielt wird. Die Clown-Fratzen und Zirkusästhetik sollen uns in „One Of Eight“ kurz darauf nochmals begegnen, lassen uns allerdings schon während des Intros unsere Erwartungen neu justieren.

KLOGR spielen zwar recht schmissigen Alternative Rock ohne übertriebene Schnörkel, wissen aber um die passgenaue Präsentation. Die visuelle Untermalung mit einem bunten Lichtkreis um Frontmann Rusty macht ähnlich viel her wie die begleitenden Visuals auf den Displays, ohne den Musikern selbst die Show zu stehlen. Das wäre sowieso ein beachtliches Kunststück, denn so lässig und abgezockt sich der Sänger und Gitarrist mit Sonnenbrille und Mantel präsentiert, müsste schon eine ganze Menge Bombast her, um den Bandkopf aus dem Rampenlicht zu drängen.

KLOGR geben uns zum Abschluss eine prägnante, doch wichtige Botschaft mit auf den Weg

Klogr live in München 2024

Dass es für viele der Münchner:innen die erste Begegnung mit KLOGR ist, betrachten die Italiener indes nicht als Hürde, sondern Gelegenheit, die eigene „Familie zu erweitern“, um es mit den Worten Rustys auszudrücken. Der Erfolg gibt dem Quartett schnell Recht, wie die durchaus positive Resonanz auf groovend-rockige Stücke wie „Face The Unknown“ oder das atmosphärische „Whale Fall“ zeigt, wo die Musiker das Tempo rausnehmen.

Ein kleines Drum-Solo leitet schließlich „Waking World“ ein, bevor uns KLOGR im abschließenden „Guinea Pigs“ eine prägnante und doch wichtige Botschaft mit auf den Weg geben: „Don’t be an asshole!“ – Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, widerlegen die unangenehmen und berührenden Videoaufnahmen im Hintergrund, welche von Walfang über Finning bis hin zum Keulen junger Robben all das Leid dokumentieren, das unsereins der maritimen Tierwelt zufügt. Aufwühlend!

KLOGR Setlist – ca. 45 Minuten

1. Hysterical Blindness
2. One Of Eight
3. Face The Unknown
4. Lead Wings
5. Whale Fall
6. Gravity Of Fear
7. Waking World
8. Unspoken Words
9. The Twisted Art
10. Guinea Pigs

Fotogalerie: KLOGR


EVERGREY

Evergrey live in München 2024

Spannung schüren kann so einfach sein: Als ein dreiminütiger Countdown herunterzählt, strömen die Fans merklich in die vorderen Reihen. Ausverkauft ist die Backstage Halle heute auch aufgrund zahlreicher Parallelveranstaltungen zwar nicht, doch unmittelbar vor den Brettern ist davon jetzt nichts mehr zu spüren. Aus gutem Grund, denn mit den ersten Tönen des Openers „Falling From The Sun“ erklärt sich das Gedränge von selbst: Rockig und eingängig gestalten EVERGREY den Auftakt, der vom guten Sound ebenso profitiert wie von der unbändigen Spielfreude der Band.

Wenn Keyboarder Rikard Zander nicht in die Tasten haut, finden wir ihn etwa immer wieder Nahe des Bühnenrands wieder, wo er die Meute höchstpersönlich anfeuert. Gitarrist Henrik Danhage wiederum lässt sich nicht nur für das eine oder andere Solo feiern, sondern sucht seinerseits den Kontakt zur Anhängerschaft: die ihm in „Say“ entgegengereckten Fäuste Beleg, dass die Botschaft angekommen ist. In Verbindung mit den abwechslungsreichen und nur manchmal etwas zu grellen Visuals generieren EVERGREY somit auch ohne übertriebene Selbstdarstellung eine starke Bühnenpräsenz, die zu keiner Zeit aufgesetzt wirkt. Gitarrist und Sänger Tom S. Englund bleibt bescheiden und authentisch, ohne auf Distanz zu gehen.

EVERGREY kommen in München ihrem Erziehungsauftrag nach

Evergrey live in München 2024

Vielmehr macht das Mastermind den jüngsten Fans in der ersten Reihe sogar ein besonderes Angebot: Für „One Heart“ dürfen die beiden Jungs direkt neben dem Schlagzeug Platz nehmen, um einen Song lang die „Rockstar-Energie“ aufzusaugen. Damit komme man dem Erziehungsauftrag nach, witzelt Englund, bevor er die Nachwuchs-Metalheads per Handschlag begrüßt.

Textsicher zeigen sich die Münchner:innen derweil nicht nur während des rockigen Repertoires der Göteborger, auch „Midwinter Falls“ und das vorzeitige Finale „Save Us“ füllt der hiesige Background-Chor verlässlich aus. Dass EVERGREY heute Abend vorwiegend auf aktuelles bzw. neueres Material setzen, würde Außenstehende sicherlich überraschen: Gefeiert werden selbst die jüngeren Tracks à la „Where August Mourns“ oder „Our Way Through Silence“ wie waschechte Evergreens.

Beständigkeit und Spielfreude zeichnen EVERGREY auch heute aus

Evergrey live in München 2024

Bevor Letzteres den Abend aber zum Ausklang bringt, gehen die Schweden zumindest einmal für zwei Dekaden zurück: „A Touch of Blessing“ leitet den Zugabenblock mit ein wenig nostalgischem Flair ein, wenngleich das tatsächliche Frühwerk der Formation heute nicht zum Zug kommen soll. Dass wir am Ende der gut anderthalb Stunden dennoch nichts missen, spricht für die Beständigkeit, mit der EVERGREY nun schon seit über drei Jahrzehnten ihren Weg gehen – und dabei für ihre Fans selbst heute noch eine wichtige Konstante sind, wenn die Temperaturen wieder fallen und der wolkenverhangene Himmel jeden noch so kleinen Sonnenstrahl im Keim erstickt.

EVERGREY Setlist – ca. 95 Min.

1. Falling From The Sun
2. Say
3. Midwinter Falls
4. Distance
5. Eternal Nocturnal
6. A Silent Arc
7. Call Out The Dark
8. One Heart
9. Where August Mourns
10. Weightless
11. Misfortune
12. Save Us
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13. A Touch of Blessing
14. King Of Errors
15. Our Way Through Silence

Fotogalerie: EVERGREY

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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