ELÄKELÄISET: Substage, Karlsruhe, 08.04.2011

Alt, aber nicht tot. Etwas reifer, aber immer noch mit ungehemmter, bisweilen anarchistischer Spielfreude. Kurzum, die perfekten Vorraussetzungen für einen zweistündigen Freudentanz im 2/4-Takt.

Ich gehe nur alle paar Jahre mal auf ein ELÄKELÄISET-Konzert aus Angst vor Abnutzungserscheinungen. Nun war es wieder einmal so weit. Im Karlsruher Substage hatten sich zahlreiche Humppa-Jünger versammelt, als kurz nach 21 Uhr das Quintett unter lautstarkem Jubel die Bühne betrat. Schon vor dem ersten Lied unterhielt sich die Gruppe erst einmal auf Finnisch. Wahrscheinlich waren es ganz normale Sachen, die da gesagt wurden. Aber mit etwas Fantasie konnte man sich urkomische Sachen vorstellen. Als es schließlich mit der Musik losging, fiel mir sogleich auf, wie aktiv die Musiker auf der Bühne agierten, obwohl sie eigentlich alle fünf saßen. Ständig waren die Oberschenkel dabei, den Takt mitzustampfen. Ich werde auch nicht müde zu betonen, dass ELÄKELÄISET gesanglich dank einer schönen Mischung aus Talent, Leidenschaft und Wahnsinn in der Live-Situation grandios klingen. Auch die Instrumente wurden ohne Rücksicht auf Verluste gespielt. Wie die Band zwei Wochen lang ohne freien Tag dazwischen derart Gas geben kann, blieb mir auch nach dem Konzert in Karlsruhe ein Rätsel. Andererseits braucht es nach jeder Tour auch wieder elf Monate, um die Leber zu schonen und die Batterien aufzutanken.

Ich muss gestehen, dass ich das ganze Konzert über nüchtern war. Freilich schwappte das ein oder andere Bier auf meine Kleidung;, so etwas verzeiht man angesichts der guten Stimmung aber gerne. Auf der Bühne floss erstaunlich wenig Alkohol, neben ein paar Flaschen Bier und etwas Wein tauchten sogar Wasserflaschen auf. War das ein Alterungsprozess? Das Publikum störte sich jedenfalls nicht daran, sondern feierte die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Zu Beginn gab es eine Reihe Lieder mit eher moderaten Tempi (u.a. Viinaa hanuristille, Pyjamahumppa und Seinakukkahumppa). So konnten alle Beteiligten gemütlich auf Betriebstemparatur kommen. Nach einem halben Dutzend Songs kam dann mit Hera Kekkonen, Humppamuoti und Sorvarin humppa richtig Schwung in die Sache. Auch wenn die Band insgesamt einen Tick reifer wirkte, agierte sie immer noch mit ungehemmter, bisweilen anarchistischer Spielfreude. Das höfliche Bedanken nach jedem Stück fehlte ebensowenig wie die sporadische Keyboardmisshandlung durch Onni Waris.

ELÄKELÄISET

Petteri Halonen und Onni Waris bei der Arbeit

Im normalen Leben mache ich leider nur selten Freudentänze. Es geht mir zwar gut, aber so richtig übersprudeln vor Glück – das passiert doch selten. Die Nachbarn schauen dann immer so komisch und der Arzt verschreibt einem seltsame Pillen. Ein ELÄKELÄISET-Konzert bietet dagegen die perfekte Umgebung für langanhaltende Freudentänze. Man befindet sich in bester Gesellschaft, und die Musik passt super. Dabei kann die Band aus dem Land der 1001 Humppa-Lieder mittlerweile die Setlist schön variieren. Immer die gleichen Lieder spielen ist ja auch blöd. Von Langeweile gab es – trotz des Fehlens von Elän humppalla, Jukolan humppaa und Humppa tai kuole – keine Spur. Einer von vielen Höhepunkten war Humppaaava Jeesus. Dagegen wirkte das alles andere als schlechte Original von BAD RELIGION mächtig blass. Bei Humpataan ja tanssataan machte die Band sich einen Spaß daraus, den letzten Refrain unzählige Male zu wiederholen, jedesmal aus einem anderen Grund (Widmungen, Spaß, zum Abschluss, weil es so schon war noch einmal).

ELÄKELÄISET
Kristian Voutilainen, Martti Waris und Lassi Kinnunen hatten auch bei ihrem zehnten Auftritt im Karlsruher Substage jede Menge Spaß beim Musizieren

Bei En saa millään humpatuksi und Lisää humppaa packte Onni Waris eine Geige aus, die er erstaunlich musikalisch behandelte. Natürlich sangen alle mit, egal wie wenig Finnisch man konnte. Das Schöne bei ELÄKELÄISET ist, dass das schier unerschöpfliche Repertoire auch mal richtige Liedersalven erlaubt. Konkretes Beispiel: Das Model, Humppaleka, Humpataanko Saksassa – KRAFTWERK, ELVIS, KIM WILDE. Noch Fragen? Ich hatte keine. Ich war mit meinen Freudentänzen beschäftigt. Ranttalihumppa, Humppaa, Saatanat!, Humppapommi, Hump – die Hits hörten einfach nicht auf. Nun ja, nach zwei Stunden markierte Humppalaki das Ende des regulären Sets.

Mein Körper verlangte nach einer Pause, meine Füße schmerzten. Aber die Sucht verlangte nach mehr. Humppa – die ganze Nacht! Oder zumindest noch für eine weitere Viertelstunde. Der Zugabenblock bestand aus Humppasonni, Puliukko, Perjantaina humpassa, Humppaleski 45 sowie Pöpi (mit Lambada-Exkurs). Er unterstrich noch einmal alle Stärken von ELÄKELÄISET. Unsterbliche Melodien trafen auf den unverkrampften Umgang mit haushaltsüblichen Musikinstrumenten. Gewürzt wurde das ganze mit Chaos – fertig war der gelungene Konzertabend, der satte 36 Songs umfasste und ausgesprochen schweißtreibend war! Gerne wieder!

PS: Erfreulich war auch der Fan-freundliche Eintrittspreis (16,40 Euro im Vorverkauf). So blieb noch Geld übrig, um sich am Merchandise-Stand mit T-Shirts, CDs, Socken, Krawatten, Mützen und Schnürsenkeln einzudecken.

 

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