DORNENREICH, OF THE WAND & THE MOON, TENHI – 3. 10.2001 – Bietigheim, Scheune

Ein Konzerterlebnis der ungewöhnlichen Art featuring Linguistik-Black Metal, Slayer-Rufe und Vampis Lieblingskonzertbesucher…

Daß dieses Gastspiel der drei Bands aus dem Prophecy-Stall kein gewöhnliches Konzert sein würde, war zu erwarten. Und es wurde auch ein ungewöhnliches Konzerterlebnis im regnerischen Bietigheim. Dorthin war das Konzert nach der vorübergehenden Schließung des Limelights in Stuttgart verlegt worden, was kein Nachteil sein sollte, paßte das spinnwebenverhangene Ambiente der sonst als Gothicdisko bekannten Scheune doch weitaus besser zum Billing als der Stuttgarter Club im Keller eines Sexshops. Lediglich die Bühne wirkte etwas improvisiert, wie sie da so auf einen Treppenabsatz gequetscht worden war. Aber große Bühnenaction war an diesem Abend eh nicht zu erwarten, so daß die nur von Kerzenschein und dezenten blauen Scheinwerfern erleuchtete Bühne ihren Zweck vollauf erfüllte. Geschätzte hundert Zuschauer füllten die Scheune ganz ordentlich, auch wenn leider sich ein paar Träger von Shirts politisch fragwürdiger Bands und Typen mit äußerst akkuratem Haarschnitt auf das Konzert verirrt hatten. Hier wären deutliche Aussagen von Persönlichkeiten der Neofolk- und Darkwaveszene wünschenswert, der T-Shirtaufdruck von DORNENREICH – Gänsehaut statt Gänsemarsch geht ja schon mal in die richtige Richtung.

Doch hin zum eigentlichen Konzertgeschehen. Als erste betraten überraschenderweise die Finnen von TENHI die niedrige Bühne. Das Sextett konnte schnell fesseln mit seinen intensiven, dynamischen Kompositionen. Blickfang und treibende Kraft zugleich stellte der blonde Percussionist dar, spätestens nach seinem Anfeuerungsruf sprang der Funke auch auf das Publikum über, das mit Applaus nicht geizte. Die Herren und die Dame aus dem hohen Norden mischten Songs ihres Debüts Kauan geschickt mit Stücken von ihren anderen Veröffentlichungen, wobei aber gerade die Kauan-Tracks die Höhepunkte darstellten. Für so manchen angenehmen Schauer sorgten neben dem gefühlvollen Gitarrenspiel auch der kehlige Gesang des Keyboarders, der einen herrlichen Kontrast zu den wehmütigen, klaren Gesängen der anderen Bandmitglieder bildete, sowie die lebendigen Querflötenmelodien. Zwar hätte für TENHIs Bühnenaktivitäten auch ein Bierdeckel noch genügend Auslauf gewährt, aber sie konnten sich darauf verlassen, mit ihrer gefühlvollen Musik alleine zu faszinieren, ohne optische Ablenkungen nötig zu haben. Dumm nur, daß ein paar Prachtexemplare von Vampis Lieblingskonzertbesuchern das starke Bedürftnis hatten, jede ruhige Stelle – und davon gab es viele in den Stücken von TENHI – sich über Meter hinweg ausführlich darüber auszutauschen, ob das nun TENHI seien oder nicht… Beiträge wie I glaub, des isch Finnisch, was die singet, na müsset´s au TENHI sei… – Aber uff em Plakat stoht, daß dui als Zwoite spielet! waren kaum störender als wenn die Jungs direkt auf die Bühne gegangen wären und mitten im Lied die Band selbst gefragt hätten… Aber das ist nun mal nicht zu vermeiden bei einem Konzert, das quasi in Zimmerlautstärke vor sich ging und eigentlich die volle Aufmerksamkeit der Zuschauer forderte, statt Soundtrack für ins Ohr gebrüllte Kommentare und ein paar gemütliche Bierchen zu sein, wie es auf Rockkonzerten sonst so Usus ist. TENHI ließen sich jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen und begeisterten nicht nur mich zunehmend mit ihrer tiefgehenden Musik, in der auch so ungewöhnliche Instrumente wie eine Maultrommel ihren Platz fanden. Die Band wirkte bei aller Zurückhaltung sehr sicher und reif, was nach dem letzten Stück, lediglich mit Akustikgitarre und mehrstimmigem Gesang dargeboten, mit tosendem Schlußapplaus gewürdigt und belohnt wurde. TENHI wiederum bedankten sich mit einer Zugabe, die diesen gelungenen Konzertauftakt würdig abrundete.

Nach einer Umbaupause, in der zwei lustige Zeitgenossen austesteten, nach wievielen SLÄÄÄÄIJAAA!-Rufen wohl der erste Lacher käme (nun, sie testeten noch sehr ausgiebig in der Folge… mit bescheidenem Ergebnis, hehe), traten OF THE WAND & THE MOON ins Scheinwerferlicht, die mich mit ihrem aktuellen Werk Emptiness:Emptiness:Emptiness schwer beeindrucken konnten. So ganz ging mir nur nicht auf, was nun gemäß der Ankündigung unplugged sein sollte am ersten Stück, das lediglich aus Keyboardblubbern, Sequenzen und ein paar geflüsterten Worten des Sängers bestand… very unplugged indeed! Sei´s drum, als mit dem Percussionisten der Dritte im Bunde auf die Bühne kam, wurde der sehr statische Beginn der Show ein wenig lebhafter. Dennoch ist fraglich, ob gleich zwei Ambient/Ritual-Stücke zu Anfang den richtigen Start in ein Liveset darstellten. So dauerte es bis zu den abwechslungsreicheren, mit Akustik- und E-Gitarre unterlegten Stücken Lost In Emptiness, In A Robe Of Fire und dem schönen Galanda, bis Band und Publikum etwas auftauten. Den Höhepunkt stellte das lediglich auf einer Single erschienene I Crave dar, bei dem der Keyboarder mit einer simplen Rassel erstaunlich viel Schwung in die sonst doch sehr monotone Musik brachte. Hartnäckige Zugaberufe – sogar die SLAYER-Freunde riefen mit – brachten OF THE WAND & THE MOON abschließend in Bedrängnis, da man wohl keinen Track dafür eingeplant hatte. Gelöst wurde das Problem, indem das Trio einfach nochmal kurz I Crave anspielte. Ein gelungener Auftritt, wenn auch nicht so souverän wie TENHI zuvor.

Hätten die beiden ersten Bands auch problemlos vom Ambiente her an einen romantischen Waldsee um ein Lagerfeuer verteilt spielen können, hätten DORNENREICH eher in den Konzertsaal eines alten Schlosses gepaßt. Auch ihr Auftritt war als unplugged angekündigt worden, und bei ihnen war diese Bezeichnung auch begründet, da sie ihre Songs in komplett für zwei Klassikgitarren und Gesang ausgelegte Versionen umgearbeitet hatten. Statt Lagerfeuerromantik kamen nun Fingerzupfmuster und ins Mikro geflüsterte Lyrik zum Einsatz. Ich muß gestehen, daß für mich DORNENREICH mit dem Vorurteil belegt waren, gewissermaßen Linguisten-Black Metal zu machen mit ihrer textlichen Überdosis an Komposita, Genitiven und Inversionen. Doch zumindest in der uneingestöpselten Variante konnten mich die beiden Österreicher durchaus in ihren Bann ziehen. Zum einen lag dies an den ausgefeilten klassischen Gitarrenstimmen, die eine Menge Mühe und Detailverliebtheit beim Ausarbeiten der Akustikversionen vermuten ließen. Zum anderen bot zumindest der Sänger den ersten Anflug von Mimik auf der Bühne, was er aber nicht in Theatralik ausarten ließ. Ich frage mich nur, warum die klare, dunkle Stimme des zweiten Gitarristen nicht öfters zum Einsatz kam, da der dauernde Flüstergesang im Laufe des Auftritts doch etwas eintönig wurde. Dennoch: DORNENREICH setzten einen schönen Schlußpunkt an diesem Abend. Sie konnten zwar die Intensität von TENHI nicht erreichen, zeigten aber auch, daß mehr in ihnen steckt, als meine Vorurteile ihnen anfangs zugestehen wollten. Hinzu kam das sympathische, bescheidene Auftreten der beiden Musiker, die sich ebenfalls mit nicht eingeplanten Zugaberufen konfrontiert sahen. Im Gegensatz zu OF THE WAND & THE MOON verzichteten sie leider jedoch darauf, nochmal ein bereits gespieltes Stück zur Zugabe umzufunktionieren, und schickten die Zuschauer nach dem regulären Set nach Hause.

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