Auch wenn dieses Konzert als Aufwärmübung angekündigt war, gab es die absolute Vollbedienung in Sachen kraftvollem US-Metal. Der W.O.M.-Club in Hechingen war zwar nicht bis zum Anschlag voll, aber doch gut bevölkert. Entsprechend war die Stimmung entspannt und freundlich – ganz wie man sie vom eigentlichen BANG YOUR HEAD her kennt. Die auftretenden Musiker hatten keinerlei Allüren und mischten sich unters Publikum, wenn sie nicht gerade selber auf der Bühne standen.
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Den Anfang machten AGE OF EVIL. Wer bereits von der Band gehört hatte, erwartete den Auftritt gespannt oder vielleicht sogar skeptisch. Sie traf die Wucht der Songs letztlich aber ebenso unvorbereitet wie alle anderen. Denn das Quartett preschte vom ersten Ton an mit größter Leidenschaft los. Die anfangs noch ungläubigen Gesichter mancher Anwesenden verwandelten sich schnell in bangende Köpfe. Auch auf der Bühne dominierten Haare und reichlich Bewegung das Bild. Frontteenager Jeremy Goldberg sang noch einen Tick kräftiger als auf CD und sorgte ansonsten mit tightem Rhythmusgitarren für das Fundament, auf dem Frickelspezialist Jordan Ziff geschmackvoll die Kunst der Metalgitarre zelebrierte. Bei den eingestreuten Uptempo-Passagen klang das Schlagzeug bisweilen nach Polka. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt an der Show. Und den machten AGE OF EVIL mühelos durch ihr agiles, selbsbewusstes Auftreten wett. Stücke wie The Storm oder der Titelsong des Debüts Living A Sick Dream zündeten auf Anhieb und der Rausschmeißer Call Me Evil sollte die letzten Zweifler überzeugt haben. So gut kann Metal klingen!
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Danach waren LETHAL an der Reihe. Gitarrist Eric Cook war aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen zu Hause geblieben, was jedoch glücklicherweise keine gravierenden Lücken im Klangbild zur Folge hatte, zumal die Band einen wesentlich besseren Sound als beim KEEP IT TRUE-Festival hatte. In Sachen Heaviness hätten LETHAL so oder so nicht mit den anderen drei (Doppelaxt-)Bands konkurrieren können. Dafür hatte sie im Bereich Melodie und Gesang ganz klar die Nase vorn. Bereits beim Opener Fire In Your Skin demonstrierte Tom Mallicoat, dass er zu den allerbesten Metal-Sänger dieses Planeten gehört. Spätestens beim nachfolgenden Programmed sorgten seine mit Herzblut intonierten Gesanglinien für eine Gänsehaut nach der anderen. Seine Mitstreiter erzeugten derweil ordentlich Druck und punkteten durch ihr frisches, spielfreudiges Auftreten. Nicht einmal der Strohhut von Mallicoat und die neue Frisur von Gitarrist David McElfresh konnten die Freude der Fans vor der Bühne trüben, die jeden Song mit lautstarkem Jubel honorierten. Und so entwickelte sich der Auftritt zu einem ähnlichen Triumphzug wie ihre Europapremiere vor zwei Monaten. Wohl oder übel gab es keine Veränderungen in der Setlist – und auch keine Zugabe, als die Band nach 55 Minuten die Bühne verließ. Das trübte die Stimmung jedoch wenig. Dafür sind Stücke wie Swim Or Drown, Obscure The Sky, Immune und das abschließende Killing Machine einfach zu stark, zu bewegend, zu sensationell. Außerdem stand ja in gut 15 Stunden bereits der nächste LETHAL-Auftritt an.
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ONSLAUGHT kommen zwar nicht aus den USA, passten mit ihrem Bay Area-lastigem Thrash Metal aber gut ins Programm. So bekam man etwas Abwechslung geboten, ohne sich gleich komplett auf einen anderen Musikstil einstellen zu müssen. Das Quintett unter der Führung von Sänger Sy Keeler schwang eine kräftige Thrash-Keule, die die Menge vor der Bühne im Nu in ein Meer aus Headbangern verwandelte. Los ging es nach einem kurzen Intro mit dem Titeltrack des Comebackalbums Killing Peace. Vom ersten Ton an war klar, dass die Band keine halben Sachen machen würde. Egal ob neues Material wie Twisted Jesus oder Oldies der Marke Angels Of Death: Souverän und unverbraucht zeigten ONSLAUGHT, dass ihre Musik kein bisschen angestaubt klingt. Das Publikum quittierte die engagierte Show der Engländer mit reichlich Beifall, so dass am Ende überall glückliche Gesichter zu sehen waren.
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VICIOUS RUMORS mussten als letzte Band nicht nur die verbleibenden Energiereserven der Anwesenden aktivieren, sondern zusätzlich mit Equipment spielen, dass ihnen COURAGEOUS geliehen hatten, da beim Flug Band und Instrumente an verschiedenen Orten gelandet waren. Beide Aufgaben löste die Band mit Bravour. Selbst eine technikbedingte Zwangspause nach dem Opener Digital Dictator konnte Geoff Thorpe und seine Mannen die gute Laune nicht vermiesen. Mit dem Dreierpack Sonic Rebellion, Mr. Miracle und Dying Every Day wurde das aktuelle Warball-Album vorgestellt. Die Publikumsresonanz war positiv, obwohl erst die Oldies Don´t Wait For Me und Minute To Kill für echte Begeisterung sorgten. Sänger James Rivera (HELSTAR) meisterte die alten Songs zufriedenstellend. Er versuchte erst gar nicht, alle Passagen originalgetreu wiederzugeben, sondern übertrug sie gekonnt in seine kraftvolle Stimmlage und streute an den passenden Stellen hohe Schreie ein. Drumtier Larry Howe ging höllisch ab und auch Tourbassist Stephen Goodwin war ausgesprochen spielfreudig. Thaen Rassmussen (ANVIL CHORUS) trat dagegen etwas zurückhaltender auf und brillierte lieber durch sein exzellentes Gitarrenspiel. Geoff Thorpe vereinte die besten Eigenschaften seiner Mitstreiter und sammelte reichlich Sympathiepunkte durch Ansagen, Stageacting und Gitarrenkunststücke. Nach dem coolen Oldie Soldiers Of The Night gab es mit Immortal und Warball zwei weitere neue Songs. Natürlich durften bei einem VICIOUS RUMORS-Auftritt On The Edge und Abandoned nicht fehlen. Zu meiner großen Freude stand auch You Only Live Twice vom Welcome To The Ball-Meisterwerk auf dem Programm. Nach March Or Die war dann erst einmal Schluss. Die verbliebenen Fans waren glücklich, aber nach mehr als fünf Stunden erstklassigem Metal etwas erschöpft. Die Zugabe Lady Took A Chance geriet dadurch eher zu einem (zugegeben aggressiven) Gute-Nacht-Lied, was nicht weiter schlimm war. Denn alle Bands hatten an diesem Abend tolle Auftritte aufs Parkett gelegt und alle Anwesenden bestens auf die kommenden Festivaltage eingestimmt.