ANATHEMA, BL[A]DFLOWERZ – 27.11.2001, Stuttgart, Röhre

Ein Streifzug durch das jüngere Material ANATHEMAS mit Schwerpunkt auf "Judgement", "Alternative 4" und natürlich ihrem jüngsten Meisterwerk "A Fine Day To Exit" bildete das Gerüst für zwei überaus emotionale, aber nie in destruktiver Depression mündende Stunden wundervoller Musik.

Manchmal erlebt man bei Vorbands noch richtige Überraschungen. Die BL[A]DFLOWERZ sind recht kurzfristig in die ANATHEMA-Tour mit rein gerutscht und so dürfte es für die Band schon etwas besonderes gewesen sein, in einer ausverkauften Röhre vor ANATHEMA die Bretter besteigen zu dürfen. Und obwohl es sich bei BL[A]DFLOWERZ um eine junge Band handelt, wurde die Show professionell gemeistert. Die Jungs in der Band konnten die Sache auch ganz relaxt angehen, hatten sie mit ihrer Sängerin doch eine gesangs- und ausdruckstarke Frontfrau in der Bühnenmitte, die die Blicke auf sich zog. Nett anzusehen war´s auf jeden Fall, musikalisch war der moderne Gothic Rock ebenfalls ansprechend – alles in allem also ein guter Auftakt für ANATHEMA.

Manchmal hat es doch etwas Positives an sich, im konservativen Süden zu leben. Zumindest an diesem Abend erwies es sich als der Show von ANATHEMA extrem zuträglich, daß vor dem Gig augenscheinlich keine größeren Mengen illegaler Kräuterchen den Weg in den Backstagebereich der Röhre gefunden hatten. Somit kam das trotz des gleichzeitig anberaumten MACHINE HEAD-Konzerts im nicht weit entfernten Longhorn (Vielen Dank auch an die Booker, die es sonst oft nicht schaffen, gute Bands nach Stuttgart zu holen und dann an einem Abend gleich zwei Ausnahmeacts parallel spielen ließen…) sehr zahlreich erschienene Publikum in den Genuß einer äußerst starken ANATHEMA-Show. Hellwach präsentierten sich die Gebrüder Cavanagh und Co. und spielten sich und das Publikum lieber in einem legalen akustischen Rausch. Machte die Band auf dem ProgPower-Festival noch einen etwas verplanten und nicht gerade homogenen Eindruck, so präsentierte sie sich an diesem Abend in Höchstform, wenn man mal vom nach wie vor deplatziert und vollkommen unmotiviert sowie unsicher wirkenden Aushilfsbassisten absieht.

Ein Streifzug durch das jüngere Material der Band mit Schwerpunkt auf Judgement, Alternative 4 und natürlich ihrem jüngsten Meisterwerk A Fine Day To Exit bildete das Gerüst für zwei überaus emotionale, aber nie in destruktiver Depression mündende Stunden wundervoller Musik. Und daß die Musik im Mittelpunkt stehen sollte, machten sowohl die sparsamen und doch sympathischen Ansagen von Vinnie Cavanagh als auch die spartanische Lightshow klar. Leadgitarrist Danny, mittlerweile mit bravem Kurzhaarschnitt geschlagen, hatte sämtliche Melodien voll im Griff und erschuf mit wenigen wohlgesetzten Tönen ganze Klanguniversen, in denen sich all jene, für die die letzten drei Alben der Band Göttergaben darstellen, verlieren konnten. Fans älterer Werke mußten sich leider mit A Dying Wish (diesmal mit nur fünfminütiger Improvisation) und dem schon ewig nicht mehr live vernommenen Nocturnal Emission begnügen, Sleepless vom Debüt wurde hingegen nur angedeutet. Dafür erklang mit Angelica diesmal endlich wieder ein Stück von Eternity. Doch die absoluten Höhepunkte stellten eindeutig Temporary Peace, Feel und das von mir zuvor noch nie als derart tiefgehend empfundene Inner Silence dar. ANATHEMA sind ihren Vorbildern PINK FLOYD (denen sie wiederum mit Comfortably Numb huldigten) und RADIOHEAD inzwischen absolut ebenbürtig und werfen in dieser Form live nur die Frage auf, warum sie im Gegensatz zu den erwähnten Acts noch nicht längst in großen Arenen spielen.

Pics & Bl[a]dflowerz: boxhamster

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