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U.D.O.: Unmissverständliche Entscheidung

Udo Dirkschneider gibt Auskunft zu nervigen Anfragen, vielen Chinesen, fehlende Gefühle und darüber “wir alle immer noch schön bekloppt sind!”

Über meinen Gesprächspartner Udo Dirkschneider noch großartig einleitende Worte zu verlieren, halte ich persönlich für überflüssig. Ob der ehemalige bzw. gelegentliche ACCEPT-Sänger eine Legende ist, sei mal dahingestellt. Aber dass er eine feste Größe und Institution der weltweiten Metal-Szene ist, dürfte unbestritten sein. Der mittlerweile 53-jährige Sänger veröffentlichte bereits 1979 das erste von zehn gemeinsamen Alben mit ACCEPT und hat mit seiner eigenen Band U.D.O. mittlerweile auch bereits den zehnten Studiolongplayer eingespielt und veröffentlicht. Und erwartungsgemäß ist “Mission No X” – so der Titel der Scheibe – nichts Anderes als ein typisches U.D.O.-Album geworden, das jeden U.D.O./ACCEPT-Fan begeistern wird. Stilistische Experimente sind zumindest Mangelware….

…aber wir wollen und können das Rad ja auch nicht neu erfinden. Außerdem glaube ich, dass sich jemand, der sich ein neues Album von AC/DC, MOTORHEAD, SAXON oder uns kauft, weiß, was ihn erwartet. Wo U.D.O. draufsteht, ist auch U.D.O. drin”

Wurde das Songwriting, das wie gewohnt von Gitarrist Stefan Kaufmann und dir übernommen wurde, durch die ACCEPT-Shows beeinflusst?

Beeinflusst nicht unbedingt, aber wir mussten mit den Arbeiten zum neuen Album viel eher anfangen, als das eigentlich geplant war. Normalerweise war in diesem Jahr ein U.D.O.-Break geplant, d.h. ein neues Album sollte in aller Ruhe geschrieben und aufgenommen werden. Aber irgendwann kam denn die fast schon nervige Anfrage, ob ich in diesem Jahr Zeit für dieses ACCEPT-Ding hätte…

Nervige Anfrage?

Ja, war es in gewisser Weise auch. In den letzten drei Jahren haben die mich förmlich damit gequält. Vielleicht ist “nervig” auch das falsche Wort, aber ich hatte einfach keine Zeit, weil ich mit U.D.O. fast ständig auf Tour oder im Studio war. Es war mir also absolut unmöglich, etwas mit ACCEPT zu machen. Als ich dann noch mehr oder weniger gebeten wurde, ein paar fest gebuchte U.D.O.-Sachen für die ACCEPT-Shows zu canceln, ging mir das alles dann ein bisschen zu weit. Irgendwie bekamen die dann aber raus, dass ich eigentlich ein Break machen wollte. Ich hab mir das dann alles angehört, aber auch nicht gleich “Hurra” geschrieben. Ich wollte auch erstmal mit den Leuten aus meiner Band und der Plattenfirma sprechen, da einige Leute verständlicherweise etwas nervös wurden, als sie von der ACCEPT-Geschichte erfuhren. Dass musste alles geklärt werden, und als alles geklärt war, haben wir uns recht schnell in die Arbeiten zum neuen Album gestürzt. Und dieses spontane, ziel gerichtete und schnelle Arbeiten an dem Album wirklich gut getan, weil wir gar nicht richtig Zeit hatten. Wir haben komponiert, arrangiert, aufgenommen, gemischt – und fertig war die Sache. Dadurch klingt das Album auch direkter, frischer und rock’n’rolliger als z.B. die “Thunderball”.

Ich habe Dich in diesem Jahr mit ACCEPT und im letzten Jahr mit U.D.O. live auf dem “Schweden Rock” gesehen und kann dir – ohne hier rumschleimen zu wollen – sagen, dass mich die U.D.O.-Show wesentlich mehr begeistern konnte.

Bitte verstehe mich nicht falsch, die ACCEPT-Shows haben wir wirklich Spaß gemacht, aber das kann und wird natürlich daran liegen, dass U.D.O. eine über viele Jahre gewachsene Band ist.

Ohne die Leistungen Deiner jeweiligen Bühnenmitstreiter schmälern zu wollen, ist es mir persönlich sowieso scheißegal, welche Musiker mit dir auf der Bühne stehen, da du ja eh durch deine Stimme die Songs prägst…

Im Prinzip ist es auch scheißegal, da die Hauptsache ist, dass die Band die Songs vernünftig spielt. Ich konnte durch die Shows mit ACCEPT einen für mich wichtigen Vergleich ziehen: Wie sieht es live mit beiden Bands aus, bzw. wollte ich für mich herausfinden, ob bei mir eventuell Gefühle aufkommen, die in die Richtung tendieren, dass eine Reunion mit ACCEPT und allem, was dazugehört, das Größte für mich ist. Aber dieses Gefühl ist – und so ehrlich möchte ich das zugeben – nicht aufgekommen.

Hätte eine längerfristig angelegte ACCEPT-Reunion zwangsläufig das Ende für U.D.O. bedeutet? Oder hätten beide Band gleichberechtigt existieren können?

Nein, das würde nicht funktionieren. Ich hätte beim Aufkommen dieses Gefühls U.D.O. auf Halde legen müssen, zumal mir sicherlich auch die U.D.O.-Mitglieder, die sich wirklich sechs, sieben Jahre mit mir den Arsch aufgerissen haben, freundlich mitgeteilt hätten, dass ich sie am Arsch lecken kann (lacht). Nein, das hätte wohl ganz böses Blut gegeben. Ich habe für mich ganz klar und unmissverständlich herausgefunden, dass meine Zukunft ausschließlich bei U.D.O. liegt. Man vermisst ja auch nichts, denn die alten ACCEPT-Songs werden ja noch von meiner Band gespielt. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Bands ist für mich das Solospiel von Wolf Hoffmann – sonst nichts. Was die sonstige Gitarrenarbeit angeht, würde ich sogar sagen, dass die bei U.D.O. viel ACCEPT-mässiger ist, als sie bei ACCEPT je war. Bei U.D.O. arbeiten wir nämlich schon lange mit zwei Gitarristen und bei ACCEPT war es halt immer so, dass Wolf im Studio alle Gitarrenparts eingespielt und es den zweiten Gitarristen eigentlich nur auf der Bühne gegeben hat.

U.D.O. Interview 2005 - Accept Live Sweden Rock 2005
Auf Tour ging es bei ACCEPT ganz locker zu, im Nachhinein gab es böses Blut

ACCEPT-Gitarrist Wolf Hoffmann hat sich in den letzten Wochen sehr häufig nicht gerade nett über Dich geäußert. In erster Linie geht es da wohl um eine DVD, deren Veröffentlichung Du wohl momentan blockierst und verzögerst?!

Um diese DVD gab es ein Riesen-Tammtamm. Ich habe überhaupt nichts gegen eine solche DVD. Ich habe mir nur verbeten, dass sie zeitnah zum neuen U.D.O.-Album in die Läden und mir dadurch ins Gehege kommt. Es sind im ACCEPT-Lager so viele Dinge passiert und so viele Statements abgegeben worden, dass ich da mittlerweile drüber stehe. Ich weiß auch nicht, was solche Kommentare sollen, zumal während der Festival-Tour eigentlich eine ziemlich lockere Atmosphäre herrschte und man ziemlich viel miteinander gelacht hat. Das hatte schon fast etwas von einem Klassentreffen. Und zum Thema “Wer etwas nötig hat!” möchte ich nur sagen, dass ICH angerufen worden bin. Ich habe nicht bei Wolf und Peter angerufen und die beiden angefleht, ein paar ACCEPT-Shows zu spielen. Peter Baltes, eines der Urmitglieder der Band, hat mir wortwörtlich gesagt, dass das alles nicht mehr seine Welt sei, was ich auch völlig in Ordnung finde. Wolf hat wahrscheinlich Gefallen an der ganzen Sache gefunden. Aber wenn er das alles so toll findet, dann soll er halt eine eigene Band gründen – habe ich doch auch gemacht.

Kommen wir nun zum neuen Album, auf dem es ein Wiederhören mit eurem ehemaligen Gitarristen Don Dieth gibt, der ein Solo zu “Way Of Live” beisteuerte. Etwas befremdlich wirkte bei ersten Hören von “Mean Streets” der integrierte Rap-Part.

Das ist doch wirklich nur ein ganz kurzer Part in “Mean Streets”, den wir einfach nur so aus Spaß gemacht haben. Und anfangs gab es, gerade bei den sehr traditionellen Fans, einige kritische Töne. Aber interessanterweise äußern sich diese Fans mittlerweile und nachdem sie den Song wohl etliche Male gehört haben, durchaus positiv. Aber Musik ist zum Glück ja auch immer Geschmackssache!

Textlich beschreitet ihr dieses Mal welche Wege?

U.D.O. Interview 2005 - Udo Dirkschneider live auf dem Summer Breeze 2005
Auf dem neuen Album redet Udo Dirkschneider viel über die Band und wie sie sich sieht.

Dieses Mal sind die Texte eher Musiker-lastig, d.h. wir reden in den Texten viel über uns selbst und darüber, dass wir mit unserer Musik immer noch auf einer Art Mission sind. Davon handelt auch der Titelsong. “24/7” ist eine Art Redewendung und in dem Song es geht den Rock´n´Roll-Lifestyle, den man 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche lebt. In “Mean Streets” geht um die allgemeine Verrohung auf den Straßen und richtet sich bis zu einem gewissen Grad auch gegen die Kirche! In “Primcecrime On Primetime” geht es natürlich um das Fernsehen bzw. die Fernsehlandschaft, in der es halt Programme gibt, die für Kinder definitiv nicht geeignet sind, aber trotzdem zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden. “Eye Of The Eagle” ist ein Song, in dem wir uns darum geht, dass wir etwas vorsichtiger mit der Natur umgehen sollten. “Shell Shock Fever” beschreiben wir das Fieber, das wir nach in den Jahren im Business immer noch in uns spüren. “Stone Hard” ist ein eher auf mich gemünzter Song in dem es darum geht, dass ich nach all den Jahren immer noch hinter dieser Musik stehe und sie verkörpere. “Breaking Down The Borders” handelt von den Grenzen, die es im Musikbusiness eigentlich gar nicht gibt. “Cry Soldier Cry” ist ein Anti-Kriegssong. “Way Of Life” spricht eigentlich für sich und “Mad For Crazy” handelt davon, dass wir alle immer noch schön bekloppt sind! (lacht)

Eine derart langen und erfolgreiche Karriere schreit ja förmlich nach einem Buch, in dem du diese Karriere mal aus deiner Sicht Revue passieren lässt.

Das wird mit Sicherheit kommen, zumal ich auch eine wirklich große Sammlung von Tagebuch-artigen Aufzeichnungen habe. Das sind natürlich auch viele Anekdoten aus den frühen ACCEPT-Tagen, aber bis das Buch kommt, wird noch einige Zeit vergehen.

So versaut wie bei MÖTLEY CRÜEs “The Dirt” dürfte es dabei aber sicherlich nicht zugehen, oder?

(lacht) Nein, eher nicht. Ich möchte auch gar nicht so gerne, dass das wie eine Autobiografie rüberkommt, sondern eher wie eine Geschichte, bei er viel zu lachen, aber vielleicht auch ein bisschen was zum Weinen gibt. Das soll es auch um Dinge aus dem Business gehen, die man sonst vielleicht nie erfahren würde.

Was liegt sonst noch in den nächsten Wochen/Monaten an?

Die Tour wird erst Anfang des Jahres stattfinden, da ich vorher noch ein bisschen Urlaub machen möchte, bevor ich auf Promotion-Tour nach Russland, Frankreich und eventuell noch Skandinavien gehe. Wir werden dieses Mal auch unsere Fans mitbestimmen lassen, welche Songs wir live spielen werden. Und es werden da bestimmt auch einige alte U.D.O.-Songs auftauchen, die wir schon lange nicht mehr oder vielleicht sogar nie gespielt haben, zumal es für uns immer schwerer wird, eine Setlist zusammenzustellen. Schließlich müssen auch noch einige Vorbereitungen getroffen werden, was den optischen Aspekt der Show zur neuen Scheibe betrifft. Über zuwenig Arbeit kann ich mich eigentlich nicht beklagen.

Kannst Du Dir nach zehn eigenen Scheibe eine U.D.O.-Setlist ohne ACCEPT-Songs vorstellen?

Nein, aber es wird auf der nächsten Tour mit Sicherheit nicht mehr sieben oder acht ACCEPT-Songs geben. Es ist halt immer noch ein U.D.O.-Gig, aber an den Klassikern werden und wollen wir nicht vorbeikommen. Wir können halt nicht ohne “Metal Heart”, “Princess Of The Dawn” oder “Balls To The Wall” von der Bühne gehen, behalten uns aber auch die eine oder andere Überraschung vor.

Ist eine Amerika-Tour immer noch oder wieder ein Thema für Dich?

U.D.O. Interview 2005 - Udo Dirkschneider live auf dem Bang Your Head Festival 2003
Udo Dirkschneider schwärmt mehr vom Erfolg in China als in den USA.

Nur, wenn wir eine vernünftige Tour zustande kriegen. Es hat sich in den Staaten eigentlich im Vergleich zu früher wenig geändert. Um in den Staaten überhaupt wahrgenommen zu werden, musst du dich da drüben etwa ein Jahr lang aufhalten und spielen bis zum Abwinken. So etwas wäre vielleicht früher mit ACEEPT machbar gewesen, aber heute habe ich soviel andere Dinge zu tun, dass das absolut nicht möglich ist. Amerika ist für uns auch nicht die absolute Nummer Eins, dafür spielen wir aber zum ersten Mal in China und in der Mongolei, was ich ziemlich abgedreht finde, zumal China der nächste große Markt werden wird, auf dem sich viele Möglichkeiten ergeben werden, zumal der US-Markt auch ziemlich abgegrast ist.

Richtig, China ist der flächengrößte Staat in Ostasien. Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat mit seinen 1,3 Milliarden Bürgern mehr Einwohner als die “Europäische Union” und Afrika zusammen. Es gibt also reichlich Chinesen…

(lacht) Eben, und wenn nur ein Prozent aller Chinesen unser Album kauft, dann können wir zufrieden sein…

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