TREACHERY: Verrat ist ein Parasit der Psyche

Angeführt von der charismatischen Frontfrau Hecate durchstöbert das amerikanische Trio TREACHERY auf der selbstbetitelten Debüt-EP die unwirtlichen Gefilde in der Schnittmenge von Black Metal und Dark Ambient. Zeit, mit Hecate hinter die Kulissen zu blicken…

 

Angeführt von der charismatischen Frontfrau Hecate durchstöbert das amerikanische Trio TREACHERY auf der selbstbetitelten Debüt-EP die unwirtlichen Gefilde in der Schnittmenge von Black Metal und Dark Ambient. Bedrohlich wird dies getan und das kurze Werk gibt sich widerspenstig und verstörend. Grund genug, der umtriebigen Fronterin Hecate virtuell einige Fragen zu schicken, um mehr über den Düsterdreier zu erfahren.

Die EP Treachery ist das Debütwerk für TREACHERY, aber du bist als Künstlerin ja schon viel länger in den dunklen Gefilden unterwegs. Was also gibt dir TREACHERY persönlich und musikalisch, was dir deine anderen Projekte nicht geben?

TREACHERY ist schlicht ein weiteres Ventil für meinen endlosen Strom dunkler Vorhaben. Zuerst wollte ich einfach eine Band haben, mit der ich live spielen kann. Mit dem momentanen Line Up wird dies allerdings kaum möglich sein – aus verschiedenen Gründen. Das Ziel war es auch, verstärkt Gitarren und schwarzmetallische Vocals mit Ambientklängen zu verbinden. Schließlich bin ich ziemlich zufrieden damit, wie es rausgekommen ist. Manchmal dachte ich, dass es nicht so gut rauskommen würde…

TREACHERY, also Verrat: Wo ist Verrat deiner Meinung nach am stärksten präsent in der Welt respektive in der menschlichen Natur?

Verrat kann man überall finden, wo es Menschen gibt. Vermutlich lauert der Verrat viel näher an einem, als man vermutet. Wie Verfall und Krankheit, die physischen Konditionen, welche jeden Menschen betreffen, ist Verrat ein Parasit der Psyche – wo Manipulation regiert.

Und diese ist ja international – wie auch das Line Up von TREACHERY. Eure Mitglieder wohnen in den USA, aber auch in Berlin und dem schweizerischen Basel. Wie seid ihr denn ursprünglich zusammengekommen?

Zwei Mitglieder leben in Amerika, ich selber bin eher eine Nomadin. Mal wohne ich in Basel, dann in Berlin, dann in Portland. Aber meistens bin ich unterwegs. Ich habe die anderen zwei einfach gefragt, ob sie mir helfen möchten, meine Vision für den malifiziösen Sound von TREACHERY zu realisieren. Ich hatte schon zuvor mit Abelcain und Slutmachine zusammengearbeitet – für mein eigenes Label, ZHARK INTERNATIONAL. Aber ich würde das nicht wieder tun im Rahmen eines anderen Bandprojekts. Ich möchte in Zukunft Bandmitglieder haben, die in meiner Nähe wohnen und nicht so weit weg.

Ist aufgrund der Distanz TREACHERY eher ein Studioprojekt oder wollt ihr doch mal noch live auftreten?

Wie gesagt, TREACHERY wird nie in diesem Line Up live auftreten. Abelcain ist ein Opfer von Apathie und Agoraphobie geworden, während Slutmachine zu sehr damit beschäftigt ist, seine neue Gitarreneffektefirma, EVOL AUDIO, aufzubauen. Wenn du Glück hast, hörst und siehst du mich Black Metal Karaoke singen bei meinen Soloshows…

Und du bist ja nicht nur solo unterwegs, sondern hast auch schon mit Black Metal Bands wie BELPHEGOR zusammengearbeitet. Auch elektronische Sounds sind dir nicht fremd. Auf Treachery vermischst du Industrial, Black und Doom Metal, um nur einige Genrezutaten zu nennen. Welche Band hat dich denn ursprünglich auf die extremeren Formen des Metals aufmerksam gemacht?

Der Künstler, der mich urspünglich zum Metal gebracht hat, war ein Scratcher, DJ Baseck, anno 2002. Ich wohnte einige Monate mit ihm in Los Angeles. Nicht gerade der übliche erste Vermittler für Metal… Eines Nachts tranken wir Rum. Er scratchte nur Vocal Intros zu Black Metal-Tracks dazu und mixte die nahtlos zusammen. Es war eine einzige urkomische Lästerung. Später nahm er mich mit zu einem CANNIBAL CORPSE und DARK FUNERAL-Konzert und kaufte mir die erste NILE CD zu meinem Geburtstag. Da war es um mich geschehen und seit da an bin ich immer auf der Suche nach der schwärzesten und brutalsten Mucke da draußen…

Damit bist du zwar kein Einzelfall, aber die Metalszene wird nicht gerade von Frauen dominiert. Du bist ja auch noch als Labelchefin bei ZHARK INTERNATIONAL aktiv. Was ist deiner Meinung nach die größte Herausforderung für eine MusikerIN in der Metalszene?

Ich möchte hier nicht für alle Frauen sprechen… Ich wurde in diesen Körper geboren, der 100% pur weiblich ist – dennoch finde ich es meistens schwer, andere Frauen zu verstehen. Für sie bin ich die andere, die ein Leben lebt, von welchem sie nur wagen können, zu träumen. Das Wichtigste ist, dass man die Leidenschaft und die Motivation hat, etwas zu kreieren – egal welche Probleme auf einen zukommen, während man auf seiner Mission unterwegs ist.

Die meisten Frauen, die ich bis jetzt getroffen habe, haben diese innere Motivation, obskure Kompositionen zu kreieren, nicht. Sie möchten lieber Windeln wechseln – oder sonst etwas ähnlich Banales tun.

Trotzdem bist du als Frau dem gesellschaftlichen Druck ausgeliefert, nach welchem Frauen eher nach ihrem Äußeren beurteilt werden als Männer. Wie wichtig ist dir der visuelle Aspekt, wenn du auftrittst? Hängt dein Äußeres damit zusammen, in welchem Genre du dich an der jeweiligen Performance bewegst?

Ich würde nie ohne schwarzen Eyeliner spielen – das ist sicher! Da meine Gigs überall sein können – vom sehr schönen Club bis zum dreckigen, verlassenen Lagerhaus – hängt das Stageoutfit wirklich davon ab, wo ich auftrete. Gewöhnlich mag ich es, Stiefel zu tragen. Außerdem liebe ich Leder. Kürzlich habe ich mein Stageset mit einem entsprechenden schwarzen Lederbanner ergänzt, welches mir sehr gefällt. Ich kann also nicht sagen, dass der visuelle Aspekt, das Image keine Rolle spielt bei mir, selbst wenn ich weiß, dass am Ende die Soundqualität und das gute Abmischen das Wichtigste überhaupt ist.

Mein Image ändert sich allerdings nicht mit meinen verschiedenen Projekten. Ich vereine immer Elemente aus Punk, Gothic und Metal – wenn man meinen visuellen Stil kategorisieren will…

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Die Finger sind der mächtigste Körperteil einer Frau – Hecate

Dann kommen wir doch mal dazu, was du mit deinem Outfit verdeckst – oder auch nicht. Drei der fünf Stücke auf der Debüt-EP haben Titel, die sich auf Körperteile beziehen. Welches ist deiner Meinung nach der mächtigste Körperteil einer Frau und warum?

Ihre Finger. Sonst könnte sie keine E-Mails an ihre Mitarbeiter und Freunde schicken, keine Interviews beantworten, keine Shows organisieren, keine Breaks sequenzieren, keine Platten scratchen. Sie könnte nicht Männern einen runterholen, auf Tour masturbieren, Leute schlagen, die es verdienen, Keyboardknöpfe drehen, einen Joint rollen, ein Bier schnappen, ein Mädchen schnappen, Metalposen machen, Bilder malen, sich die Möse rasieren, eine Seite umwenden, einen Knopf machen oder einen Schlüssel umdrehen.

Das könnten schon fast die experimentellen Lyrics für einen neuen Song sein. Gibt es eigentlich ein Konzept hinter den Texten von Treachery?

Nein, nichts außer mein Hass verbindet diese Tracks.

Auf der TREACHERY Myspace-Site wirst du als Hecate – Vox and Weltanschauung aufgeführt. Ist es nur deine Weltanschauung, welche bei TREACHERY vorkommt, oder haben die anderen Bandmitglieder Abelcain und Slutmachine auch was zu sagen?

Ich bin die einzige, die für TREACHERY spricht. Ich bin die Vision und die Stimme hinter diesen negativen Inhalten.

Der Gebrauch des Wortes Weltanschauung hat mich etwas erstaunt. Weswegen benutzt du dieses deutsche Lehnwort?

Herr Dr. Freud schrieb: Eine Weltanschauung ist eine intellektuelle Konstruktion, welche alle Probleme unseres Daseins aus einer übergeordneten Annahme einheitlich löst, in der demnach keine Frage offen bleibt und alles, was unser Interesse hat, seinen bestimmten Platz findet. Demzufolge entspricht meine übergeordnete Vision von Verrat in der Menschheit der Definition des deutschen Wortes Weltanschauung (bzw. view of the world).

Was sind die Gedanken hinter dem 2003er Album Nymphomatriarch und wie hast du die damalige Zeit erlebt?

Nun, die Tour und das Komponieren fanden eigentlich anno 2002 statt. Die Veröffentlichung und die schon vorher drohende Trennung dann 2003. Die ganze Sache war eine der selbstzerstörerischsten und komplett aus den Fugen geratene Phasen meines Lebens. Wenn man sich stundenlang seine eigenen Sexaufnahmen anhört, um sie zu zerstückeln und sie in Beats, Chöre und Flächen zu machen, dann muss man schon ziemlich bizarr drauf sein. VENETIAN SNARES und ich hatten denn auch eine wahrlich merkwürdige Zeit, als wir diese LP kredenzten.

Starke Künstlerinnen provozieren natürlich – und spielen manchmal sehr erfolgreich mit ihrer Rolle als Provokateurin. Wo ziehst du die Grenze, wo wird es dir zuviel?

Dadurch, dass ich jahrelang damit experimentiert habe, was zuviel für mich ist, habe ich gelernt, wo meine Grenzen sind. Ich ziehe die Grenze dort, wo etwas verursacht, dass ich mich unwohl fühle. Das kann sich von Situation zu Situation unterscheiden. Manchmal wird mir das, was ich mit mir selbst erlebe, zuviel, manchmal das, was ich mit einer anderen Person durchmache – es kommt immer drauf an.

Du zeigst ja ein lebhaftes Interesse am Satanismus, was natürlich einige deiner amerikanischen Landsleute provozieren dürfte. Was bedeutet dir Satanismus? Beeinflusst er dein tägliches Leben?

Ich sehe mich als satanische Thelemitin. So lässt sich meine Philosophie und Spiritualität am ehesten schubladisieren bzw. umreißen. Ich werde den Satanismus nie leugnen, weil ich römisch-katholisch erzogen wurde, in einer sehr heuchlerischen Familie. Dazu können die Leute am einfachsten eine Verbindung aufbauen. Ich hingegen finde Aleister Crowleys Werke am wichtigsten und am nächsten zu meinem persönlichen Leben.

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Nichts ausser mein Hass verbindet diese Tracks – soviel zu Hecates Konzept von Treachery

Und dein persönliches Leben spielt sich momentan in der Schweiz ab, oder?

Ich wohne momentan nirgends. Nach dieser Tour will ich mich entweder in Portland oder in Wien niederlassen. Im Frühling lasse ich mich wieder an der amerikanischen Westküste nieder, aber wenn ich bis August dort nicht glücklich bin, werde ich wieder nach Europa zurückziehen und mein Leben in Österreich weiterführen. Ich bin österreichisch-amerikanische Doppelbürgerin, darum muss ich dauernd hin- und herziehen…

Und dabei bist du sehr aktiv, in verschiedenen Bands, Projekten und Touren. Kannst du eigentlich von deinen musikalischen Aktivitäten leben oder hast du auch einen normalen Job?

Ich habe seit 10 Jahren keinen normalen Job. Aber davor habe ich im Bereich Sadomasochismus gearbeitet. Das war schon immer eine Liebe von mir und ich habe nichts dagegen, Leute für Geld zu quälen.

Geschäftlich sind TREACHERY ja beim Schweizer Label CZAR OF CRICKETS versorgt. Wie hat diese Zusammenarbeit begonnen und bist du damit zufrieden?

Ja, sehr. CZAR OF CRICKETS hat einen spektakulär guten Job abgeliefert in Sachen Promotion. Der Inhaber ist seit langem ein Freund von mir, wir haben uns mal in Basel getroffen. Ursprünglich hätte ich bei seiner Band ZATOKREV mitspielen sollen, aber unsere Terminkalender hatten etwas dagegen. Aber ich kann wirklich nur Positives von CZAR OF CRICKETS berichten. Die Zusammenarbeit ist toll und sie haben die Aufgabe, das Debüt einer (noch) unbekannten Band wie TREACHERY rauszubringen und zu promoten, wirklich fantastisch gemeistert.

Wie sehen deine Pläne – als Hecate – für 2009 aus? Und was kann man in Zukunft von TREACHERY erwarten?

Viele aufregende Dinge! Ich werde die Arbeiten an meinem nächsten Longplayer dieses Jahr abschließen. Darauf wird es einige sehr unvorhergesehene und extreme Metal-Zusammenarbeitsmomente geben. Anders von UNLEASHED wird sich um die Drums kümmern, ein gewisser General Hell (dessen Stammband sicherlich einige leicht erraten werden) für Bass und Gitarre. Ich arbeite mit einigen Metaldrummern zusammen und es werden viele talentierte Künstler auf diesem Album zu hören sein. Ich denke, das wird das beste, was ich bis jetzt gemacht habe – sozusagen der Höhepunkt einer 13jährigen Karriere. Außerdem werde ich viele Shows spielen, noch mehr reisen und mit BONG-RA neue Sounds kreieren.

Hail Chaos!

Fotos: Label
Layout: Arlette Huguenin D.

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