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THROANE: Die graue Wolke über dem Haupt

Von wegen “nur eine EP” – das Projekt THROANE lehrt uns wieder das Fürchten, und macht das in dreizehn Minuten gründlicher als andere Bands in ihrer ganzen Karriere. Das neue Werk des Franzosen DehnSora hört auf den Titel “Une balle dans le pied” und wirkt, als würden wir uns den Stachel selbst aus dem Fleisch reißen. Wer meint, in der Schnittmenge aus Post Metal, Black Metal, Sludge und Noise alles gehört zu haben, darf sich auf etwas gefasst machen. Per E-Mail stellte sich der zurückhaltende Musiker, Cover- und Videokünstler den Fragen über Arbeitsprozesse, Familie, den Kollektivgedanken und das Ego.

DehnSora, nach deiner Aussage ist THROANE ein rein instinktives Projekt und Deine neue EP untermauert dies. Es handelt sich dabei um ein dreizehnminütiges Stück, in dem kein traditionelles Songwriting, aber viele Fragmente zu erkennen sind. Wie lief der kreative Prozess hinter “Une Balle Dans Le Pied” ab?

Ich denke, dass das ähnlich wie bei den vorherigen Alben war. Ich habe Phasen, in denen ich nicht übe oder Musik schreibe. In dieser Zeit sauge ich alle Gefühle auf und warte den Moment ab, an dem alles Sinn macht. An dieser Stelle passiert alles auf natürliche Weise. Das ist dann eine kurze Zeit, in der ich nichts anders mache als Musik. Diese EP war da keine Ausnahme.

Die ersten beiden Alben folgten einem roten Faden, oder brachten den Hörer zumindest an einen bestimmten Punkt, während “Une Balle Dans Le Pied” deutlich impulsiver und unberechenbar wirkt. Hast du einfach mehr experimentiert, oder hast du für das musikalische Konzept etwas aus den Texten adaptiert?

Mein Geisteszustand treibt mich an, ich muss mit jeder Veröffentlichung experimentieren. Ich versuche weiter zu gehen und nicht wie vorher zu klingen. Es ist viel passiert, seit ich die ersten beiden Alben geschrieben habe. Und es fühlt sich an, als würde ich mich permanent neu formen. Das Experimentieren ist mit all diesen Änderungen und Erfahrungen eng verbunden.

Obwohl die Musik von THROANE vollkommen finster ist, wirkt sie auf mich als Hörer geradezu heilend. Getreu dem Motto: lass den Schmerz raus, lass ihn nicht in dir wachsen. Funktioniert das bei dir auch? Überhaupt: Bist du ein glücklicher Mensch?

Es ehrt mich, dass meine Musik so für den Hörer funktionieren kann. Natürlich ist das Schreiben dieser Art von Musik eine Frage der Balance. Eben davon diese Energie loszulassen und sich nicht davon verzehren lassen. Aber sie ist stets präsent in mir. Ich würde mich daher nicht als glücklichen Menschen bezeichnen. Ich lebe immer mit dieser grauen Wolke über meinem Haupt und lerne damit umzugehen.

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Die Familie auf den Covers: Ein Tribut an das, was sie durchstehen mussten.

 

Bild und Musik gehen Hand in Hand bei THROANE. Ich finde es sehr intim, dass du deine Familienmitglieder auf den Covers portraitierst. Wenn ich bedenke, dass du mit der Musik auch negative Erfahrungen verarbeitest, drängt sich mir die Frage auf, ob du die Geschichte dieser Menschen erzählst. Oder ist es abstrakter?

Auf gewisse Art und Weise erzähle ich deren Geschichte. Ich habe Respekt für das, was sie erreicht haben und was sie durchstehen mussten. Obwohl THROANE eine Erfahrung nur für mich ist, kann ich ihnen Raum geben. Ich fokussiere die Aufmerksamkeit auf das, was sie repräsentieren, sowohl für mich als auch für das große Ganze.

Spürst du einen gewissen Druck wenn du deine Familienmitglieder in das Projekt THROANE integrierst? Fürchtest du, dass sie es womöglich ablehnen könnten?

Das nicht, aber ihr Beitrag macht THROANE für mich noch wichtiger, als es eh schon ist. Ich stehe zu jeder Sekunde Musik, die ich geschrieben habe, aber es gibt dem Ganzen die Perspektive immer weiter zu machen. Ich möchte, dass sie stolz auf sich sind und dass es sich für sie nicht anfühlt, als wären die Bilder nur als praktische Übung entstanden.

Der Ausdruck “Une balle dans le pied” bedeutet, eine Kugel im Fuß zu haben. Wie der sprichwörtliche Dorn in der Pfote des Löwen. Dieses Mal ist deine Schwester auf dem Cover. Sie ist Krankenschwester und hat täglich mit Tod und Krankheit zu tun. Ist die Verbindung aus Titel und Cover dein Tribut an sie und ihre Resilienz?

Sowohl als auch. Ich habe den tiefsten Respekt für das, was sie tut. Sie begegnet all dem Leid mit großem Mut und hat ihre Hoffnung in all den Jahren immer aufrechterhalten, auch wenn sie wahrlich kein einfaches Leben hat. Meiner Meinung nach ist da ein starker Kontrast zwischen dem Titel und dem Bild. Einerseits ist da die Resilienz: Geh weiter, auch wenn es keine Hoffnung gibt, wenn es sein muss mit der Stärke der Verzweiflung. Andererseits: Lass hinter dir, was dich verwundet hat.

Was inspiriert dich noch dazu, Musik zu machen? Gibt es andere Bands, Bilder, Filme oder Bücher, die dich anregen?

Ich werde Tag für Tag mit Bildern gefüttert. Meine Augen sind stets offen, alles um mich herum inspiriert mich. Ich denke, dass ich kollabieren würde, wenn ich damit aufhörte. Ich habe derzeit nicht besonders viel Zeit zu lesen oder für Filme, mit Ausnahme der Filme von Ari Aster, die mich vor Kurzem echt überwältigt haben. Aber ich sehe überall viel Kunst und höre täglich Musik. Das alles aufzulisten wäre zu lange.

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THROANE: Neben TREHA SEKTORI das intimste Projekt von DehnSora.

 

Die Aufmachung der EP ist beeindruckend. Eine 7” mit CD in einem wertigen Karton, edel bedruckt. Das war sicherlich nicht billig herzustellen, aber denkst du, das wird sich am Ende auszahlen? War das deine Idee, oder die von Phil (Debemur Morti – Anm. D. Verf.)?

Das war meine Idee. Ich habe einige Jahre über die verschiedenen Formate reflektiert, die Verbindung zwischen Substanz und Form. Ich wollte etwas mit Siebdruck haben; verwundbar, aber stark. Ich habe Phil meine Idee vorgeschlagen und er war sofort dabei. Es hat sich dann tatsächlich als sehr teuer herausgestellt, daher kann ich ihm nicht genug dafür danken, dass er es durchgezogen hat. Ich weiß nicht, ob wir damit schwarze Zahlen schreiben, oder überhaupt auf null rauskommen, aber ich denke eh nicht in solchen Schubladen. Ich bin sehr stolz auf das Ergebnis, das gibt mir einen Antrieb für die Zukunft.

Der Sound ist unglaublich, vor allem die Drums klingen echt brutal. Alles ist unglaublich fett, man möchte während dem Hören vergessen zu atmen. Im Vergleich zu den Vorgängern ist dir meiner Meinung nach da ein großer Schritt gelungen. Bist du zufrieden mit Produktion, Mix und Mastering?

Ja, ich bin sehr zufrieden. Die Crew, von der ich in diesem Prozess umgeben war, besteht aus wahren Magiern auf deren jeweiligem Gebiet. Julien, der die Livedrums bei THROANE spielt, hat auch die EP mit seinem eigenen Feeling eingespielt und hat dabei jedes Muster und Arrangement, dass ich geschrieben habe, respektiert. Dadurch entstand meiner Meinung nach dieses “drängende” Feeling. Aufgenommen hat das Francis Caste, mit dem ich sehr eng befreundet bin. Er fängt die Stimmung ein, ohne dass wir viele Worte wechseln müssen. Tim de Gieters Arbeit habe ich so nicht erwartet. Er hat die Essenz davon, wo ich hinwollte, erfasst und sehr viel Gefühl in den Mix einfließen lassen. Wir werden das in der Zukunft definitiv weiter ausbauen.

Du hast einige weitere musikalische Projekte neben THROANE, ich denke an das Ambientprojekt TREHA SEKTORI und die Post Metal-Band OVTRENOIR, die auch kürzlich ihr starkes Debütalbum “Fields Of Fire” veröffentlicht haben. Gibt es ein Projekt, das dir am meisten am Herzen liegt?

Es gibt da keine Hierarchie. Aber TREHA SEKTORI und THROANE sind meine intimsten Projekte. Sie sind untrennbar mit meiner Persönlichkeit verwoben, weil sie als kreative und substanzielle Prozesse tief aus mir heraus kommen. Bei OVTRENOIR ist Freundschaft und die kollektive Erfahrung der Antrieb. Dieser Prozess ist für mich auf menschlicher Ebene sehr wichtig.

Deine musikalischen Projekte sind tief im Underground verwurzelt. Trotz der hohen Qualität, gibt es wohl keine Chance, dass du von der Musik leben kannst. Sicherst du dir den Lebensunterhalt durch deine Artworks? Oder hast du gar nebenher noch einen Fulltime-Job?

Ich habe tatsächlich noch einen Fulltime-Job im Filmdesign-Bereich. Mit meiner persönlichen Arbeit, oder der Arbeit mit Bands, habe ich es noch nicht in Betracht gezogen, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das würde zu Kompromissen führen, die ich nicht bereit bin einzugehen.

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Das Ego muss ausgeblendet werden: DehnSoras Credo für seine Arbeit als Coverkünstler und Teil der Church Of Ra

 

In Sachen Artworks bist du ein sehr gefragter Künstler. Du hast einen besonderen Stil und die seltene Gabe, die Vision der Bands lebendig werden zu lassen. Kommt diese Fähigkeit daher, dass du selbst Musiker bist? Oder bist du ein empathischer Mensch, der sich in die Musiker und ihre Vision gut hineinversetzen kann?

Ich versetze mich definitiv in sie hinein. Es ist große Verantwortung, wenn mir die Künstler die Schlüssel zu ihren Worten und ihrem Universum geben. Ich injiziere meinen Seelenzustand, aber ich bleibe auf dem Weg, den sie vorgeben. Ich versuche eine empathische Vision für das, was sie brauchen, zu entwickeln. Dafür braucht es viel Psychologie, um das zu verstehen und etwas zu erschaffen, hinter dem alle stehen können.

Was ist dein liebstes Artwork oder Video, das du bisher gestaltet hast? Mein Favorit von Dir ist der ULCERATE-Clip zu „Dissolved Orders“. Dieses Video ist wirklich furchteinflößend und schön.

Es klingt wie ein Klischee, aber für mich ist das kommende Projekt immer der Favorit. Ich möchte von Mal zu Mal besser werden, jeden Tag aufs Neue. ULCERATE war tatsächlich wichtig für mich, diese Band berührt mich seit Jahren sehr. Ich fühle mich geehrt, dass sie mit mir zusammen arbeiten wollten. Ich hoffe, das war nicht das letzte Mal.

Du bist Teil des Church Of Ra-Künstlerkollektives. Der Kollektivgedanke bedeutet, dass alle für etwas arbeiten, das größer als die Summe seiner Teile ist. Andererseits sind viele Künstler auch sehr egozentrisch, wenn es um deren Kunst geht. Siehst du da ein Konfliktfeld, oder sind Konflikte und Reibungen nötig, um große Kunst zu erschaffen?

Für mich ist es wirklich wichtig, das Ego auszublenden. Wenn ich die Hand sein darf, die anderen ein wenig an der Erschaffung ihrer Vision hilft, tue ich das gerne. Das ist für mich die Bedeutung eines Kollektivs. Wir haben viel Energie in Verbesserungen und das Erforschen neuer Terrains gesteckt. Ein weiterer Antrieb ist es, überall hinzusehen und den Weg frei zu machen.

DehnSora, vielen Dank für das Interview. Wenn es noch etwas gibt das du uns mitteilen möchtest, nun ist die Gelegenheit.

Vielen Dank für deine Unterstützung.

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