Mit Storm geben THEATRE OF TRAGEDY ein Lebenszeichen von sich, das die Band nach den Querelen um den Rauswurf von Liv Kristine erstaunlich homogen und rockig präsentiert. Irgendwo zwischen Aégis und Musique macht sich das neue Album breit und stellt einen gelungenen Einstieg für die neue Frontdame Nell Sigland dar. Vampster stellt sie euch im Interview näher vor.
Wie kamst du dazu, in einer Band singen zu wollen?
Ich singe schon, so lange ich denken kann. An der Schule beschäftigte ich mich zwei Jahre lang mit klassischer Musik, bevor ich zum Jazz kam. Damals hatte ich vor, Musiklehrer zu werden. Bald schon startete ich zusammen mit Kristian Sigland die Band THE CREST.
Woher hast du während dieser Entwicklung deine Einflüsse bezogen?
Während ich Jazz studiert habe, begeisterten mich vor allem Joni Mitchell und ein paar norwegische Jazzsängerinnen. Später erst wendete ich mich hin zur Rockmusik, wo ich aber keine direkten Vorbilder habe.
Was dachtest du über THEATRE OF TRAGEDY, bevor du bei ihnen als neue Sängerin gehandelt wurdest?
THE CREST und vor allem meine Stimme waren in einigen Kritiken mit THEATRE OF TRAGEDY und Liv Kristine verglichen worden, daher kannte ich den Namen. Daraufhin hörte ich mal in Assembly rein und konnte zuerst einmal den Vergleich mit ihr überhaupt nicht nachvollziehen. Das Album gefiel mir jedoch, während ich mit den älteren Sachen so meine Schwierigkeiten hatte.
Wie fühlt es sich denn dann für dich an, wenn du die alten Lieder live singen musst? Oder lasst ihr die Songs auf Tour gar weg?
Nein, wir spielen einige der älteren Teile. Zunächst war mir dabei nicht besonders wohl, aber seit wir ein paar Mal Material von den ersten zwei Alben im Programm hatten, hat sich das total geändert. Sogar A Hamlet For A Slothful Vassal spielen wir inzwischen und ich liebe es! Zunächst war ich sicher, dass das nicht mein Stil ist, doch es funktioniert blendend.
Wie kam es dazu, dass du zur Nachfolgerin von Liv auserkoren wurdest?
Ich saß nichts ahnend eines Abends daheim herum, als das Telefon klingelte und Schlagzeuger Hein Frode Hansen dran war. Er berichtete mir, dass Liv die Band verlassen musste, und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, bei ihnen einzusteigen. Ich blieb zunächst etwas skeptisch, da ich mir unsicher war, ob das die richtige Musik ist für mich. Also vereinbarten wir, dass die Band mir fünf Demolieder zuschickt, die ich dann mit Texten und Gesang versehe. Gesagt, getan, und sie waren begeistert vom Ergebnis. Derweil hatte mich die Arbeit mit ihnen neugierig gemacht, da alles prima funktioniert hatte.
Gab es einen speziellen Moment, in dem dir klar wurde, dass die gemeinsame Arbeit so gut läuft, dass ihr euch definitiv auf dem richtigen Weg befindet?
Zunächst einmal war die Warterei sehr hart, da die Jungs zwei, drei Tage brauchten, bevor sie auf das von mir besungene Demoband reagierten. Umso glücklicher war ich, als ich die Nachricht erhielt, dass es ihnen hervorragend gefallen hat. Trotzdem gaben wir uns noch gegenseitig ein paar Monate Zeit, um herauszufinden, ob wir wirklich gut zusammenpassen. Erst danach fielen die magischen Worte: Du bist in der Band.
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Wie stark konntest du dich bei Storm bereits einbringen?
Bei den Songs, die auch auf dem Demo drauf waren, übernahmen wir meine Gesangslinien zu hundert Prozent. Die Texte wurden teilweise überarbeitet.
Gab es dabei Streit?
Muss ich darauf antworten, haha? Für Diskussionsstoff war jedenfalls immer wieder gesorgt. Kämpfe gab es deswegen jedoch nicht, wir arbeiteten einfach eng zusammen und diskutierten Meinungsverschiedenheiten sachlich aus.
Wie schwierig war es für dich, dich an einen zweiten Sänger zu gewöhnen? Bei THE CREST musst du das Mikrofon bislang ja nicht teilen.
Das funktionierte erstaunlich gut, obwohl wir recht weit auseinander wohnen: ich in Oslo und er in Stavanger. Daher mussten wir oft mit E-Mails und am Telefon arbeiten. Aber das klappte prima. Jeder ließ dem anderen genügend Raum für Gesangslinien. Und in Streitfragen konnten wir immer noch die restliche Band nach ihrer Meinung fragen. Was es einfach macht, ist, dass er lieber im Vers singt und mir den Refrain überlässt, wobei wir da auch mal variiert haben.
Gibt es weitere Unterschiede in der Arbeitsweise zu deiner anderen Band THE CREST?
Bei THE CREST ist Gitarrist Kristian Dreh- und Angelpunkt. Er schreibt so gut wie alle Lieder und Texte, während bei THEATRE OF TRAGEDY alle in den Arbeitsprozess integriert sind. Dadurch habe ich enorm viel dazugelernt, nachdem ich bei THE CREST lediglich vorgegebene Melodien singe.
Welche Ziele wolltet ihr musikalisch mit Storm erreichen?
Die Demolieder standen zu der Zeit, als wir die Konzeption der Platte diskutierten, bereits und sollten das Herzstück eines Albums darstellen, das uns in dieser Besetzung möglichst natürlich präsentiert. Speziellere Ziele haben wir nicht vorformuliert, uns war es wichtig, ein persönliches Stück Musik zu veröffentlichen, das uns auch in einigen Jahren noch zufriedenstellt. Bislang sind wir der Meinung, dass uns das gelungen ist. Wir sind stolz auf Storm.
Was glaubst du, mit welchen Erwartungen werden die Fans an das neue Album herangehen?
Assembly hat nun schon einige Jahre auf dem Buckel. Ich kann nur schwer abschätzen, ob viele Fans durch den Besetzungswechsel vergrault wurden. Aber viele Kommentare zum neuen Material klingen sehr positiv, was mich hoffen lässt, dass da draußen doch noch manch ein Fan der Band die Treue gehalten hat. Bei den anderen hoffe ich, dass sie Storm eine Chance geben und doch zu uns zurückkehren, zumal dieses Album zwischen den alten und den neuen THEATRE OF TRAGEDY-Sachen angesiedelt ist.
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Welche Gedanken verbergen sich hinter dem Titel STORM?
Soll ich ehrlich antworten oder willst du eine gute Story hören, haha?
Wie wär´s mit beidem, hehe?
Die Zeile Can you feel the storm getting closer now? aus dem Lied Storm stammt noch von den ersten gemeinsamen Demoaufnahmen. Wir hatten zwischenzeitlich daran gearbeitet, aber sie prägte sich sehr schnell ein, als wir den Song auf Tour spielten. So, dann lass´ mich mal eine gute Geschichte erfinden, haha. Nein, aber Storm kann man natürlich auch auf die metallischere Ausrichtung beziehen.
Du sprichst es an: Man hätte erwarten können, dass durch deinen Einstieg die größten Änderungen gegenüber Assembly im Gesangsbereich zu finden sind, aber ich finde, dass die Abkehr von den derletzt so dominanten Electro-Elementen weitaus auffälliger ist. Entpuppten sich Musique und Assembly im Nachhinein als Sackgasse für THEATRE OF TRAGEDY?
Um ganz ehrlich zu sein, geschah diese Stilkorrektur nicht bewusst. Wir wollten schlicht und einfach ein rockiges Album herausbringen, was die elektronischen Elemente an den Rand gedrängt hat. Die Jungs sind der Meinung, dass Musique damals ein richtiger und vor allem notwendiger Schritt für die Band war, um aus dem Korsett von Aégis und Velvet Darkness They Fear auszubrechen. Sie bezogen alle ihre Einflüsse damals aus der elektronischen Ecke. Das hat sich inzwischen zugunsten der rockigeren Einflüsse geändert.
Du bist verheiratet und Mutter eines Kindes. Wie verträgt sich das mit dem ungeregelten Musikerleben?
Sicher, eine ausgedehnte Welttour über Monate hinweg wäre meinem Familienleben nicht gerade bekömmlich. Aber auch ein paar der Jungs sind in einer ähnlichen Situation. Daher ist für uns klar, dass wir nicht unentwegt unterwegs sein werden, denn unsere Familien sind uns sehr wichtig, sie machen uns glücklich. Also werden wir nach Kompromissen suchen, denn wir wollen natürlich auch raus zu unseren Fans.
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Was halten THEATRE OF TRAGEDY von den Unmengen an Bands, die im Fahrwasser von der Pionierarbeit der Anfangstage mitschwimmen?
Ich habe mitbekommen, dass die anderen in der Band es als Kompliment werten, wenn andere Musiker sie sich zum Vorbild nehmen. Sie hören sich deren CDs gerne an. Wobei ich mir nicht so sicher bin, dass gerade THEATRE OF TRAGEDY diesen Stil als erste gespielt haben.
Nun, die ersten Platten haben zumindest einen ordentlichen Boom in diesem Genre ausgelöst…
Das stimmt, Liv Kristine und Raymond waren die Mitbegründer dieses Beauty and the Beast-Konzepts.
Wie schwer fiel es dir, Livs Nachfolge anzutreten?
Vor den angesprochenen Auftritten im Winter 2004 war ich sehr nervös, da mir bewusst war, dass viele Fans vor allem sie mit THEATRE OF TRAGEDY identifizieren. Das verstehe ich auch, da sie eine wundervolle Stimme hat. Ein Blick ins Gästebuch unserer Homepage verriet mir, dass viele Fans nicht gut auf den Besetzungswechsel zu sprechen waren. Entsprechend wappnete ich mich innerlich schon gegen Liv-Sprechchöre. Die Jungs stärkten mir jedoch den Rücken und versprachen mir zur Seite zu stehen, sollte so etwas geschehen. Doch all das stellte sich als vollkommen unnötig heraus. In jeder Stadt wurde ich sehr freundlich auf der Bühne empfangen. Die einzigen Probleme machten wir uns selbst, da einige Auftritte von unserer Seite her nicht so liefen, wie wir uns das gewünscht hätten.
Auf dieser Tour bekamt ihr speziellen Besuch – nämlich von deiner Vorgängerin. War also alles nur halb so schlimm zwischen ihr und der restlichen Band?
Ich fand es toll, sie bei einem Konzert von uns zu sehen. Raymond hatte zuvor schon versucht, sie zu einem Auftritt in ihrer Nähe einzuladen, doch darauf kam keine Rückmeldung, sie kam auch nicht zu den Gigs in Süddeutschland. Doch kurz darauf tauchte sie ganz unerwartet in Münster auf.
Welchen Kommentar gab sie danach ab zu eurer Show?
Sie wusste nur Gutes zu sagen. Ich habe zwar nicht alles mitbekommen, was sie mit den Jungs backstage besprochen hat, aber sie wirkte sehr gut gelaunt. Sie scheinen sich wieder zu vertragen.
Fotos: Label und Bandhomepage