RUNNING WILD: Gib du mir die Schlagzeile, ich geb dir den dazu passenden Krieg

Interviews, die wir euch nicht vorenthalten wollen – ein Gespräch mit Rock´n´Rolf zum Release von "The Brotherhood". Muss man noch was einleitendes zu/über RUNNING WILD sagen/schreiben?

Interviews, die wir euch nicht vorenthalten wollen – ein Gespräch mit Rock´n´Rolf zum Release von The Brotherhood.

Muss man noch was einleitendes zu/über RUNNING WILD sagen/schreiben?

Lange Rede, kurzer (Un-)Sinn, jeder der hier aufmerksam mitliest weiß dass ich seit dem grandiosen Gates to Purgatory-Debüt beinharter Fan der Musik RUNNING WILD´s bin. Zwar konnte ich im Laufe der Jahre einige der vielen Personalentscheidungen von Mastermind Rock´n Rolf nicht verstehen, aber man kann guten Gewissens behaupten, dass die Qualität einer RUNNING WILD-Scheibe nie unter diesen Entscheidungen gelitten hat. Mittlerweile liegt das zwölfte Studioalbum – The Brotherhood – vor, und es war mal wieder an der Zeit, mit Herrn Kasparek ein paar Worte zu wechseln. Die erste Frage bezog sich gleich auf den ersten Wechsel im Line-up seit einigen Jahren. Warum sind Thilo und Bodo nicht mehr länger bei RUNNING WILD?

Es gibt zu dieser Geschichte eigentlich nicht so fürchterlich viel zu sagen. Ich hatte mich ja bezüglich Bodo ja bereits auf unserer Homepage geäußert und war in diesem Fall nur die Person, die eine Entscheidung treffen musste. Ich selbst hatte nie ein Problem mit ihm, aber meine Konzertagentur, mein Management und meine Roadcrew standen auf der einen und Bodo eben auf der anderen Seite. Ich war zwar bei einigen der vorgefallenen Dinge nicht dabei, wollte aber verhindern, dass persönliche Zwistigkeiten in die Band hineingetragen werden. Ich musste also ein Entscheidung für RUNNING WILD treffen und es ist logisch, dass Bodo über diese Entscheidung nicht sehr erfreut war. Bei Thilo war es ganz anders, denn es war abzusehen, dass es Zeitprobleme geben würde, denn Thilo hatte – wie Bodo übrigens auch – seine Ausbildung beendet und stand mittlerweile voll im Job. Natürlich hat er da auch nur eine begrenzte Anzahl an Urlaubstagen zur Verfügung. Und es ist doch logisch, dass Du in Deinem Urlaub auch Urlaub machen und nicht unbedingt auf Tournee gehen willst. Es waren also bei Thilo wirklich nur Zeitprobleme.


Was wohl auch folgendes Statement von Thilo auf der RUNNING WILD-Homepage belegt: Hallo Rolf, da ich dich leider telefonisch nicht erreichen kann, möchte ich dir auf diesem Weg mitteilen, dass ich auf Grund einiger Veränderungen innerhalb meines persönlichen Bereichs meinen Platz bei RUNNING WILD zur Verfügung stellen möchte. Wenn du mich für dieses Jahr noch kurzfristig eingeplant hast oder sonst durch meinen Ausstieg ein Problem entstehen sollte, bin ich selbstverständlich bereit noch einmal auszuhelfen. Als wir letztes Jahr noch die Festivals gespielt haben, hätte ich mir niemals vorstellen können diesen Schritt zu tun, aber in Anbetracht der jetzigen Situation ist es nicht anders möglich… In den nächsten Jahren will ich deshalb meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit meiner Familie schenken, die mich all die Jahre immer unterstützt hat. Ich möchte mich für die tolle Zeit die wir zusammen verbracht haben bei dir, der Crew (besonders Schädel für seine Freundschaft und Unterstützung: meine Gitarren waren nach der Tour immer besser als vorher…) und allen RUNNING WILD Fans bedanken und ich denke, dass uns mehr die Musik, als lange Telefongespräche verbunden haben. Auf jeden Fall drücke ich dir die Daumen und wünsche dir mit RUNNING WILD weiterhin viel Erfolg!!!

Der neue Mann am Bass hört auf den Namen Peter Pichl. Ein paar Infos über Ihn bitte…

Peter Pichl kommt nicht aus der Metal-Szene sondern ist ein Rock-Bassist, den ich in der Hannoveraner Szene kennen gelernt habe. Er ist nicht nur ein netter Mensch, sondern auch ein hervorragender Musiker, der ja auf der Platte auch bewiesen hat, dass er die RUNNING WILD-Sachen locker spielen kann. Er wird uns übrigens auch Tour begleiten und auch der Drummer für die Tour steht fest, denn Matthias Liebetruth wird auf der nächsten Tour trommeln. Er ist auch eher unbekannt, hat aber soweit ich weiß die letzte VICTORY-Scheibe (Voiceprint, 1996 – der Verf.) eingespielt.


Die zweite Gitarre wird ab sofort übrigens von Ex-ANGEL DUST-Mitglied Bernd Aufermann bedient, was Rolf zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wusste oder kundtun wollte. Es gab viele negative Stimmen bezüglich der Besetzung der Drummer-Position. Die Gerüchte, Angelo Sasso ist ein Drumcomputer halten sich mehr als nur hartnäckig…

Es gibt ihn. Angelo Sasso ist zwar ein Künstlername, aber es ist eine Person, die einfach nicht live spielen will und nicht möchte, dass da irgendetwas an die Öffentlichkeit kommt. Für mich ist mittlerweile ein Album die eine, Liveauftritte und Tourneen die andere Sache. Ich trenn´ das beides auch, denn ich als Produzent hab nur dafür zu sorgen, dass das bestmögliche Ergebnis rauskommt und wie ich das erreiche, ist meine Entscheidung.

Würdest Du sagen, dass The Brotherhood das erste richtige Soloalbum von Dir ist?

Das ist schwer zu sagen, auch wenn es das erste Album ist, auf dem ich die kompletten Gitarrenparts eingespielt habe. Das alles ist eher ein fließender Übergang. Dass sich das Ding mittlerweile im Laufe der Jahre zu einem Solo-Projekt entwickelt hat, ist ja klar. Auch durch die Art und Weise wie Thilo und Bodo in den letzten Jahren an RUNNING WILD gebunden waren, nämlich als angestellte Musiker, hat natürlich zu dieser Situation geführt, wobei man aber sagen muss, dass beide diese Art der Anstellung gewählt haben, so dass es eher ein schleichender Prozess war, in dem sich RUNNING WILD zu einem Solo-Projekt entwickelt hat. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir auf der Bühne als gleichberechtigte Band agieren. Die andere Sache ist dann halt die Studio-Geschichte…

Im Jahre 1982 gab die Band RUNNING WILD mit zwei Stücken auf dem Debüt No 1-Sampler (veröffentlicht durch das Raubbau-Label) ihren plattentechnischen Einstand. Liegt aufgrund dessen eine Jubiläumsparty an?

Es ist schwer, den Punkt zu finden, ab wann man rechnen könnte. Gerade bei einer Band wie RUNNING WILD, die nicht permanent in der selben Besetzung zusammen war. Wo soll man anfangen? Gegründet wurde die Band im Sommer 1976, dann könnte man die Umbenennung in RUNNING WILD im Jahre 1979 nehmen. Oder eben die Debüt No 1 im Jahre 1982. Oder eben 1981, als sich die Besetzung der ersten Scheibe zusammenfand. Mein Bühnenjubiläum – ich bin 1978 das erste Mal auf einer Bühne gewesen – wäre dann im Jahre 2003. Geplant ist da noch nichts, aber wir reden im Moment über die Veröffentlichung einer Live-DVD, die wir auf der Tour mitschneiden wollen…

Auf Eurem Label – GUN Records – seit ihr nach Abgängen von KREATOR, RAGE und/oder GRAVE DIGGER die letzte Metal-Band. Warum?

Zum einen hab´ ich einen gültigen Plattenvertrag, zum anderen hat das Label diesen natürlich ebenfalls. Es gibt also gegenseitige Verpflichtungen. Aber natürlich ist auch gut, dass Du mehr Aufmerksamkeit bekommst, wenn Du die einzige Band eines Genres bist. Für mich hat sich kein Grund ergeben zu wechseln, aber das nächste Album nach The Brotherhood ist das letzte für diesen Vertrag und wir werden dann sehen, was passiert.

Kommen wir nun zum Album! Die Scheibe ist nicht so heavy und schnell wie z.B. die Masquerade geworden, sondern eher groovig gehalten worden. Gewollt oder zufällig?


Ich schreibe Songs für eine Platte immer auf die gleiche Art, nämlich nach meinem Gefühl. Ich mache mir keine Gedanken, dass ich eventuell noch einen schnelle Songs brauche, nur weil ich vielleicht noch keinen geschrieben habe. Warum soll ich auf Krampf einen schnellen Song schreiben, der vielleicht nur halb so gut ein langsameres Stück ist, das ich dann von der Scheibe schmeißen würde. Ich habe mir also nicht gesagt, dass ich keinen schnellen Song mehr machen darf. Im Gegenstück dazu kann man ja auch die Masquerade sehen, die ein sehr schnelles Album geworden ist, was genauso wenig geplant war. Ein guter Song ist ja auch nicht davon abhängig, wie schnell oder langsam er ist. Oder wie schwierig oder einfach er zu spielen ist.


Kommen wir jetzt zu einigen der zehn (als Digi-Pack sogar zwölf) Songs. Fangen wir mit dem letzten Song The Ghost an, der sich mit der Figut des Lawrence von Arabien beschäftigt…

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich mich sehr für Geschichte interessiere und mich auch mit diesem Thema beschäftige. Den Film kenne ich natürlich seit meiner Kindheit, aber ich habe auch sehr viel darüber gelesen. Und wenn man sich für diese Zeit interessiert, dann begegnet man sehr vielen von diesen schillernden Figuren. Für mich war weniger der politische Hintergrund interessant, mich hat viel mehr die persönliche Tragödie und das Schicksal von T.E. Lawrence interessiert. Seine Zerrissenheit und dieses Getriebene, als vielmehr die politischen Umstände, die er geschaffen oder beseitigt hat…

Noch ein paar Erklärungen zu einigen Songs!

In Soulstrippers geht es um diese netten Nachmittags-Talkshows, die echt so perverse Züge angenommen haben, dass sich Leute wirklich so sehr selbst erniedrigen, nur um einmal im Mittelpunkt zu stehen und quasi einmal der Star zu sein. Für mich steckt da aber mehr ´ne Portion Wahnsinn dahinter. Aber auch die Leute, die sich das anschauen zeichnen sich durch einen ungeheuer großen Voyeurismus aus. Für mich ist die Faszination, dass sich da Leute auf einen Stuhl setzen und eigentlich schon von Beginn an wissen, dass sie von der ersten bis zur letzten Minute fertiggemacht werden. Was ist das für eine Art von Masochismus?


Dr. Horror ist ein Synonym für alle Dinge, die der Mensch im Laufe der Zeit geschaffen hat, die aber gleichzeitig missbraucht wurden. Egal, ob es nun Computer waren oder irgendwelche Bio- oder Kampfstoffe. Alle diese Dinge wurden erst einmal vom Militär im Krieg zum Töten eingesetzt. Dieser Song wurde dann auch von der Aktualität bezüglich der Forschung an Stammzellen von Embryonen eingeholt. Ich habe mir selbst die Frage gestellt, wie schnell ein Song von der Wirklichkeit eingeholt werden kann. Dann kam der 11.September, es folgten die Milzbrand-Anschläge und es prasselte halt alles auf mich ein, was ich natürlich nicht wissen konnte, als ich den Song geschrieben hatte.

Welcome to Hell ist die Antwort auf diese scherzhafte Frage, die in vielen Fragebogen auftaucht. Nämlich die, wie man einem Außerirdischen die Erde beschreiben würde. Ich würde halt sagen Willkommen in der Hölle und nun sieh´ zu, dass Du schnell wieder wegkommst und vergiss´, dass es uns gibt. Es ist halt die Hölle, die wir Menschen aus der Welt gemacht haben.

Viele Kollegen der schreibenden Zunft werden sich den Pirate Song herauspicken, nur damit sie wieder schreiben können, dass ALLE RUNNING WILD-Songs nur von Piraten handeln. Ich denke mal, der Titel sagt alles über den Text aus, oder?


Die Textidee kam über die Melodie. Ich habe die Angewohnheit den Songs beim Songwriting Arbeitstitel in der Form zu geben, die den Song passend charakterisieren. So hieß Detonator zum Beispiel anfangs Abgehackt, weil er eben so abgehackt gespielt ist. (Abgehackt ist aber auch ein geiler Songtitel, oder? – der Verf.) Und Pirate Song heißt eben auch so, weil er so klingt. Das war also keine große Überlegung meinerseits…

Sehr lang ist das Instrumental Siberian Winter geworden. Gab´s hier keine Textidee Deinerseits?

Die Grundidee für diesen Song hatte ich eigentlich im Sommer. Ich beschäftige auch sehr mit der russischen Geschichte und für mich war eigentlich von Beginn an klar, dass ich zu diesem Thema ein Instrumental machen wollte, weil ich diese Stimmung, diese Kälte und Naturgewalt nicht in Worten, sondern mit Musik ausdrücken wollte. Siberian Winter ist auch der Song, an dem ich am längsten gearbeitet habe.

Wovon handelt der Titelsong?

The Brotherhood, also die Bruderschaft basiert textlich so ein bisschen auf den letzten Alben. Ich möchte diese Bruderschaft mal als Loge oder auch Geheimbund bezeichnen, die eine gewisse Macht-Position in der Wirtschaft ergattert haben. Sei es im Aufsichtsrat irgendwelcher Banken oder als große Nummer in der Industrie. Die Zitate im Song sind übrigens echt. Es gab – und das ist kein – Witz einen Groß-Industriellen, der wortwörtlich zu einem amerikanischen Journalisten gesagt hat Gib´ Du mir die Schlagzeile, ich gebe Dir den dazu passenden Krieg.

Was kannst Du über Powerride und Faceless die beiden Bonussongs vom Digi-Pack erzählen?

Es sind keine Bonussongs in dem Sinne, dass man sagen könnte, sie wären von der Qualität schlechter. Es war eine Idee der Plattenfirma, eine Vorab-Digipackversion zu machen, auf der zwei zusätzliche Stücke sind. Ich hatte halt so viele Ideen und habe dann diese beiden Stücke ausgewählt. Es waren also keine schwachen Songs, sondern sie wurden lediglich deshalb gewählt, weil sie nicht hundertprozentig zur Stimmung der anderen Stücke passten.

Neuerdings darf Dich der Metal Hammer auch wieder interviewen…

Mittlerweile wieder. Der ausschlaggebende Punkt war die Hammer-Ausgabe, wo GRAVE DIGGER auf dem Titel waren. Die Redaktion wurde fast komplett ausgetauscht, so dass es für mich wieder Sinn machte, mit diesem Magazin zusammenzuarbeiten.

Bei den Kollegen vom Rock Hard landete die Death or Glory in den Top 300 der besten Hard´n Heavy-Scheiben aller Zeiten. Das Album, das Du auch gewählt hättest?

Das Problem ist, wenn ich jetzt meinen persönlichen Geschmack nenne, hat es nichts damit zu tun, was die Leute wollen. Das bis heute mit weitem Abstand erfolgreichste Album ist Blazon Stone, während die Death or Glory witzigerweise das Album ist, das bei den Verkäufen des Back-Kataloges am schlechtesten läuft. Ich könnte jetzt nicht sagen, welche Scheibe die bisher beste von RUNNING WILD ist.

Aber die Branded & Exiled ist für Dich immer noch die schlechteste?

Ja, daran wird sich wohl auch nichts ändern. Die Band war für dieses Album noch nicht reif und mit der damaligen Situation einfach überfordert. So ist das Album – für das wir im Gegensatz zur ersten Scheibe – nur drei oder vier Monate Zeit hatten ein echter Schnellschuss geworden, zumal ich bis auf eine Ausnahme, das komplette Songwriting übernehmen musste.

Im März startet die The Brotherhood-Tour. Ihr habt dieses Mal recht ungewöhnliche Orte für die Tour gewählt. So fehlt z.B. zum ersten Mal überhaupt Hamburg auf der Liste…

Nicht nur Hamburg, sondern auch Stuttgart fehlt auf der Liste. Das Problem bei den letzten drei Tourneen war, dass wir gerade in den Städten, die wir auf den vergangenen Tourneen immer bedient haben, rückläufige Besucherzahlen hatten, obwohl in den anderen Städten die Zahlen nach oben gingen. Es kann also sein, dass dann in Hamburg oder Stuttgart eine Art Überbedienung stattgefunden hat, weshalb wir jetzt z.B. in Lübeck spielen, wo wir noch nie aufgetreten sind.

Ungewöhnlich, dass Eure Tour in Spanien beginnt…

Das war von den Daten her nicht anders zu legen, weshalb wir nur diese Termine bekommen konnten.

Auch auf Festivals macht ihr euch wieder rar. Siehst Du RUNNING WILD nicht als Festival-Band?

Exakt. Ich sehe RUNNING WILD nicht als Festival-Band, so dass die Fans zu den Gigs unserer Tournee kommen müssen, was uns auch lieber ist, da halt die Produktion eine ganze Menge Geld kostet. Und je mehr Leute kommen, desto besser ist das für die Finanzierung. Ich glaube auch nicht, dass wir durch Festivalauftritte viele neue Fans gewinnen würden. Wenn Du auf einem Festival als Headliner spielst, kommen die meisten Leute eh wegen Dir. In Balingen auf dem Heavy, oder was!?-Festival waren etwa 18.000 Leute da, von denen der Großteil RUNNING WILD-Fans waren, die nicht nur jeden Song mitsingen, sondern sowieso zu den Gigs der Tourneen kommen. Es waren aber wenig Leute da, die sonst nicht zu einem RUNNING WILD-Konzert kommen würden. Anders wäre das natürlich, wenn es ein Festival wäre, bei dem AC/DC oder KISS Headliner wären. Da würde ich natürlich nicht lange überlegen, da ich mir leicht ausrechnen könnte, das eine ganze Menge Fans noch nie etwas von einer Band namens RUNNING WILD gehört hat…

Intervielayout: Andonis Dragassias

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