NEGLECTED FIELDS: Dummköpfe mögen rote Farbe

Dass aus baltischen Staaten nicht nur schwarzmetallische und pagane Klänge kommen, beweisen die Letten von NEGLECTED FIELDS eindrücklich. Dass Standardsachen nicht ihr Ding sind und sie eher "Splenetic" unterwegs sind, zeigt nicht nur ihr progressiver Death Metal…

Im Zusammenhang mit den baltischen Staaten kommen einem unweigerlich primär Metalformationen, welche sich mit schwarzmetallischen und paganen Klängen befassen, in den Sinn. Dass auch andere Felder der harten Töne beackert werden, zeigen die 1995 in Lettland gegründeten NEGLECTED FIELDS, die auch auf Splenetic wieder den progressiven Death Metal-Klängen nachgehen und sich so rein gar nicht um Schubladen zu scheren scheinen. Somit Grund genug, bei Gitarrist Sergey Destruction mal nachzuforschen und mehr über die Spleens der Letten zu erfahren.

Zuerst stellt sich selbstverständlich die Frage, wie so ein experimentell ausgerichtetes und nicht in gängige Stilschubladen passendes Album wie Splenetic bei der Presse angekommen ist – schließlich muss man sich ja mehr damit beschäftigen und kann es nicht einfach so nebenher hören.

Nun, erst mal danke für die lobenden Worte, ich schätze das sehr. Die Reaktionen? Nun ja, sie rangieren zwischen Wow, das ist großartig und Was zum Teufel ist das?. Eine Meinung in der Mitte scheint es nicht zu geben. Interessanterweise kommen Journalisten, die der ersten Meinung sind, meistens aus Italien, Japan, England, Tschechien und den baltischen Staaten. Tendenzen zur zweiten Reaktion lassen sich eher in Skandinavien und zum Teil auch in Deutschland ausmachen. Es scheint merkwürdig, aber offenbar gibt es bezüglich musikalischem Geschmack geographische Unterschiede heutzutage. Auffallend ist auch, dass viele Leute diese Art von Musik in der heutigen Metalszene vermissen.
Alles in allem waren es indes vor allem positive Reaktionen. Splenetic wurde zwar nicht zum Album des Monats oder so was, aber dafür lagen einige exzellente Interviews mit interessanten und größeren Magazinen drin, inklusive hohe Punktzahlen. Und kürzlich haben wir das Album in Japan lizenziert.

Das hört sich ja schon mal gut an. Bereits der Titel Splenetic zeigt ja zum Teil den Geist des Albums auf – im Sinne von: Es ist ungewöhnlich, es hat einen Spleen. Waren das eure Hintergedanken bei der Namensgebung? Oder warum habt ihr diesen Titel gewählt?

Was kann ich dieser Erklärung noch beifügen? Ich befürchte fast, deine Fragen werden besser sein als meine Antworten… Nun ja, es ist Splenetic. Musik besteht aus Gefühlen und wir haben viele Emotionen in dieses Werk gepackt. Ich bin ein großer Freund von melancholischer Atmosphäre, so entstand die Idee, diese Vorliebe mit technischen Finessen zu mischen. Und von deiner Frage aus zu schliessen, scheint es funktioniert zu haben. Es hat viel vom Herbst in diesen Songs…

Die Gefühle und die technischen Finessen hört man definitiv raus. Es ist wirklich ein Output, das einerseits so voller Musik ist, aber andererseits nur gerade 35 Minuten dauert. Wie kommt es dazu? Euer letztes Werk – Mephisto Lettonica – liegt ja schon sechs Jahre zurück und man würde erwarten, dass in sechs Jahren quantitativ mehr Material geschrieben wird, als es letzten Endes auf eurem aktuellen Album zu hören gibt – auch wenn eure Kreationen natürlich eher komplex sind.

Nun ja, bei uns gilt: Je mehr Noten pro Takt, desto weniger lange wird das Album, haha. Man denke nur mal an ATHEIST oder CYNIC, bei denen trifft das wohl auch zu. Es ist außerdem einfach eine andere Methode, Songs zu schreiben. Wenn man einen typischen Hit anschaut, besteht der aus ein- bis zwei würdigen Themas, meist als Refrain, und der Rest an Riffs ist nur dazu da, den Song zu füllen und ihn länger zu machen. Wenn wir mit NEGLECTED FIELDS Musik kredenzen, sehen wir es anders: Ein Song muss aus mindestens 80% würdiger Melodien und Riffs bestehen. Wenn das nicht der Fall ist, muss ich nach zwei Monaten Spielen kotzen. Ich weiß, das tönt jetzt nicht gerade bescheiden, aber ich bin nur ehrlich. Was wir kreieren, ist die Quintessenz von dem, was möglich ist. Splenetic hat so viel Material drauf, dass man daraus zwei oder drei gewöhnliche Alben machen könnte, wenn man der traditionellen Machart folgen würde. Und das ist wohl auch der Grund, dass Leute es technisch nennen.

Natürlich könnte man eure Stille auch noch anders erklären – obwohl mir das mit den dichten, technischen Songs eher einleuchtet – nämlich mit eurem Labelwechsel von Scarlet Records zu AGHAST RECORDS. Und warum habt ihr einen neuen Deal abgeschlossen?

Die Stille hat wirklich nur mit dem Songwriting zu tun, der Plattenfirmenwechsel dauerte nur zwei Jahre, haha. Wir arbeiteten zu langsam und als ich Scarlet Records wieder einmal kontaktierte, hat man mir gesagt, dass sie dachten, wir hätten uns aufgelöst und sie deswegen den Vertrag aufgelöst hätten. Das war vor den Aufnahmen zu Splenetic, wir hatten auch erst etwa zwei oder drei Songs fertig. Nun ja, nach den Aufnahmen waren wir auch nicht gerade scharf darauf, ihnen nachzurennen und sie waren nicht mal auf unserer Liste zur Labelsuche für Splenetic. Eine komische Situation, scheint es mir, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Aber ich hasse es einfach, den Blutsauger zu spielen und anderen Leute zu stören, wenn ich keinen wichtigen Grund dafür sehe. Allerdings sind wir immer noch gute Kumpels mit den Leuten von Scarlet Records und wir sind auch im Kontakt wegen russischer Lizenzen und einiger anderer Dinge. Auf jeden Fall scheinen sie die richtigen Jungs für eine Kneipentour zu sein, wenn wir uns denn mal treffen, haha.

Wie kam denn der Kontakt zu AGHAST RECORDS zustande und wie seid ihr mit ihrer Arbeit zufrieden?

Mit ihrer Arbeit sind wir auf jeden Fall zufrieden. Die Kontaktaufnahme war sehr einfach, weil ich für diese Plattenfirma arbeite. Da ich einer der Inhaber bin, kann ich das Beste für meine Band tun, ohne das Risiko, betrogen, ignoriert oder sonst was zu werden. Es ist so ein Genuss alles zu kontrollieren, sogar wenn es Fehler sind.

Lettland ist in Mitteleuropa nicht unbedingt als Metalhochburg bekannt. Denkst du, dass es für eine lettische Band schwieriger ist, einen Plattenvertrag zu kriegen? Gibt es spezifische Probleme, die ihr überwinden musstet?

Es ist auf jeden Fall schwieriger, als lettische Band einen Deal zu bekommen, keine Frage! Ich verstehe das, denn viele seriöse Leute aus dem Business haben mir erzählt, dass unser größtes Problem unser Herkunftsland sei. Warum sollte ein Label eine Band unter Vertrag nehmen, die aus einem Land kommt, wo gerade mal 2,3 Millionen Letten leben und kein lokaler Markt zur Unterstützung der Band existiert? Diese Umstände bedeuten für das Label, dass es extrem viel Geld in Werbung investieren muss. Es ist viel einfacher, eine deutsche Band unter Vertrag zu nehmen, die fast ohne Promotion ein paar Tausend CDs verkauft, weil sie regional Konzerte gibt und die Scheiben dort verkauft.
Mit NEGLECTED FIELDS hatten wir insofern Glück, als dass wir früh anfingen und wir zwei Plattenverträge kriegten, als die CD-Verkäufe noch gut liefen und nicht so stark vom Internet beeinflusst waren. Aber jüngere Bands haben nur eine Chance, wenn ein lokales Label – wie eben AGHAST RECORDS – sie signt.
Wie meistert man dieses Problem? Nun, zuerst muss man sich als Band wirklich vom Rest unterscheiden, das ist der eine Punkt. Mittelmässige Bands aus Lettland oder den baltischen Staaten haben keine Chance, denke ich. Und wenn du sagst, dass Lettland nicht als Metalhochburg bekannt ist – nun, das ist sehr optimistisch beziehungsweise nett ausgedrückt, haha. Es sieht nämlich eher aus, als wäre Lettland überhaupt nicht bekannt, fürchte ich. Früher haben uns Leute als Litauer, als Russen und so weiter bezeichnet. Das deutsche Heft METAL HAMMER hat uns als litauische Band gereviewt, haha.

Nun ja, aber irgendwie muss es in Lettland doch eine extreme Metalszene geben, oder? Gibt es lettische Bands, die du empfehlen kannst?

Es ist eine interessante, aber eine kleine Szene – sorry, ich spreche nicht über die lettische, sondern über die baltische Szene. Und heutzutage gibt es hier mehrheitlich Bands aus dem Pagan / Black Metal-Bereich. Die baltischen Staaten haben starke Volkstraditionen und sie beeinflussen viele Leute. Leider ist unser Metal-Background nicht so solide wie der im Folk-Bereich.
Wenn man lettische Bands separat betrachtet, kann man etwa vier bis fünf ernsthafte ausmachen, und sie alle sind verschiedenen Genres verpflichtet – von Black Metal zu Stoner Rock. Also kann man nicht über die Lettische Progressive Death / Black Metal-Welle sprechen oder so etwas, haha. Empfehlen kann ich auf jeden Fall die Melodic Death / Black Metaller PRETERNATURAL, dann SANCTIMONY, die eine Art Death Rock im Stil von ENTOMBED spielen und SKYFORGER, die wohl das perfekte Beispiel für eine Folk / Pagan Metal-Band darstellen.

Das ist ja schon mal ein Anfang. So weit ich weiss, wurde Lettland 1991 von der Sowjetunion unabhängig. NEGLECTED FIELDS formierte sich 1995, also gerade mal vier Jahre danach. War es schwieriger, eine Band zu gründen, als Lettland noch Teil der UdSSR war? Hat die frühere Abhängigkeit und die spätere Unabhängigkeit eure musikalische Entwicklung beeinflusst? Und war Zensur jemals ein Problem für euch?

Hm, ich weiß nicht so recht. Ich war 16 als wir die Unabhängigkeit erlangt haben und vorher war ich einfach ein junger Soviet Pionier, ich hoffe, du verstehst. Ich fing mit 14 an, diese Art von Musik zu höre, aber damals gab es vor allem in den baltischen Staaten keine Probleme deswegen, auf jeden Fall keine wirklichen Probleme. Es war möglich, die Alben zu kriegen, aber natürlich keine Originale, sondern Kopien. In punkto Konzerte sah es ähnlich aus, wie hatten viele lokale Gigs und nur die größeren Konzerte hatten Probleme mit der Soviet Militia (eine Art Polizei). Das größte Problem war das Defizit an Informationen und die dezentrale geographische Lage. Die Magazine, wie etwa Metal Hammer oder Rock Hard kamen von weither und wurden pro Seite verkauft! Ich habe immer noch einige solcher Seiten mit Bildern von SEPULTURA und DEATH an der Wand hängen. Ich glaube, meine Generation hat die Zeiten der Zensur mehrheitlich verpasst, wir hatten dafür den Hunger.

Neglected
NEGLECTED FIELDS v.l.n.r: George, Sergey, Karlis, Filth, Destruction

Das ist natürlich auch nicht lustig. Kommen wir gerade zur lettischen Nahrungsaufnahme. In deinem Profil steht, dass Suktinis (50%) dein Lieblingsdrink ist. Was ist das eigentlich?

Haha, eine gute Frage! Es ist litauischer Honigwodka, 50% stark (oder schwach?). Ich mag dieses Getränk sehr und kann es zum Probieren nur empfehlen!

Was für Instrumente und Verstärker hattet ihr in euren frühen Jahren? War es schwieriger, an Equipment zu kommen?

Zu Beginn der 90er Jahre war es schlicht nicht möglich, original Instrumente und Markenamps zu bekommen. Meine ersten Gitarren und Verstärker waren in Lettland oder Russland handgemachte Kopien bekannter Marken. Meine erste Gitarre war eine Gibson Les Paul-Kopie. Ich erinnere mich nicht genau daran, aber ich denke mal, sie war nicht so schlecht. Dann kaufte ich mir eine Kopie einer Jackson Arrow à la Mille Petrozza. Auch diese Gitarre war ein lettisches Produkt. Als wir endlich die Möglichkeit hatten, Originalinstrumente zu kaufen, war das schon ein Schock, haha! Ich kaufte mir eine Korea-Ibanez und war überglücklich. Mittlerweile verstehe ich natürlich, dass die Klampfe qualitätsmässig eher Scheisse war, haha.

Solche Geschichten gehören jetzt ja der Vergangenheit an, inzwischen spielst du Mayones Regius Custom Gitarren. Hast du einen Endorsement Deal mit dieser Marke? Und was magst du an diesen spezifischen Gitarren (die Frage bezüglich Amps stelle ich bei deiner Wahl von Engl natürlich nicht)?

Ja, ich habe einen Endorsement Deal mit Mayones Regius Custom Guitars. Und ich muss sagen, es sind großartige Instrumente! Toller Sustain, guter Neck und die Gitarre sieht schön aus. Ja, da komme ich richtig ins Schwärmen. Der Deal entstand eher zufällig – ich war auf der Suche nach einem neuen Instrument und da ich Mayones von früher kannte (unsere Freunde von BEHEMOTH spielten auch darauf), fragte ich mal an. Nach einer Anfrage zu den Preisen kam es dann zum Endorsement Deal. Meines Erachtens perfekte Instrumente, glaubs mir – und die Bässe sind sogar noch besser als die Gitarren.

Hört sich gut an. Ich würde gerne nochmals auf deine Metal-Vergangenheit zurückkommen. Du hast ja schon vor 1995 Metal gehört – wie kamt ihr an die aktuellen Alben eigentlich ran? Und welche Bands waren deine Favoriten?

Nun, das Kriegen der Alben war kein Problem, wir bekamen alles, was wir wollten – einfach keine Originale und später als der Rest Europas. Es war zum Beispiel nicht möglich, einfach zum Plattengeschäft zu gehen und sich die neue Scheibe von KREATOR reinzuziehen. Keine Chance! Aber es gab immer Leute, die außer Landes herumreisten und dann die aktuellsten Alben mitbrachten. Die wurden dann auf Tapes kopiert. Die erste Kopie der LP war exzellent, die zweite schon etwas schlechter und so weiter und so fort. Ich besaß einige Aufnahmen, zum Beispiel von ACCEPT, welche etwa die sechste oder siebte Aufnahme dieser Art war. Also war alles etwa doppelt so schnell und viel härter als das Original, haha!
Doch wie gesagt, wenn man etwas wirklich wollte, konnte man es auch bekommen. Für einige Scheiben mussten wir sogar nach Moskau reisen – eine Strecke von 1000 Kilometern, was allerdings in der Sowjetunion keine Besonderheit ist.
Wir wussten von allen Bands wie alle anderen Leute auf der Welt, manchmal waren wir einfach ein bisschen später dran. Ich kaufte meine MORBID ANGEL Altars of Madness anno 1989 und im Jahr 1990 mussten wir einen Monat auf die Seasons in the Abyss von SLAYER warten. Es hätte schlimmer sein können.

Welche Band hat dich den ursprünglich zum Heavy Metal beziehungsweise zu den extremen Formen davon gebracht?

Angefangen habe ich mit U.D.O. / ACCEPT und ich liebe es noch immer sehr! Insgesamt haben mich wohl deutsche Metalbands am meisten beeinflusst, nach ACCEPT waren KREATOR lange Zeit meine Helden. Dann kamen CARCASS (logisch), MORBID ANGEL, DEATH… Der übliche Weg halt – vom Heavy Metal zum Thrash, dann Death und schließlich Black Metal. Ich konsumierte die Wellen, wie sie kamen.

Deine Liste von Lieblingsbands ist ja auch ziemlich vielseitig und beinhaltet Meister wie EMPEROR, CYNIC und NEVERMORE. Beeinflussen oder inspirieren dich diese Bands auch, wenn du an neuen Songs für NEGLECTED FIELDS schreibst?

Nein, überhaupt nicht. Na gut, vielleicht CYNIC, da wir viel CYNIC hörten, als wir mit der Band anfingen. Bezüglich EMPEROR und NEVERMORE – sie sind erst auf meiner Favoritenliste, seit ich stark genug dafür bin, Einflüsse zu vermeiden. Man darf sich nicht täuschen lassen – sogar wenn man Splenetic mit DEATH oder EMPEROR vergleichen kann, heißt es nicht, dass wir von diesen Bands beeinflusst werden. Es bedeutet einfach, dass wir all diese Tausende von Worten überspringen möchten, die es braucht, um ungefähr zu beschreiben, wie wir in Etwa klingen. NEVERMORE und EMPEROR sind großartige Bands, aber das ist kein Grund dazu, sie zu kopieren. Ich bin keiner, der anderen nachläuft!

Welche Inspirationsquellen zapfst du dann an?

Mich inspiriert alles. Wie schon gesagt, Musik sind Gefühle und umgekehrt. Alles das in einem Gefühle hervorruft, inspiriert. Filme, Bücher, das Wetter, die Natur – egal was. Als ich am Song Splenetic arbeitete, inspirierte mich das Herbstwetter zu den Lyrics.

Von der Inspiration zum Songwriting. Wie muss man sich bei euch den Prozess des Songwritings vorstellen, da ihr ja eher komplexe Kompositionen kreiert? Und wer zeichnet sich für die Texte verantwortlich?

Die Texte mache ich, allerdings lasse ich mir bei einigen Ideen und Geschichten manchmal auch helfen. Die Musik – nun, wir fangen mit den Gitarren an, wenn jemand von uns (beispielsweise ich) interessante Themen in die Probe mitbringt, dann kommen die Drums dazu und der Bass, der die Rhythmus-Fraktion komplettiert. Also nichts sonderlich Spezielles – soweit ich weiss, läuft es bei anderen Bands meistens ähnlich ab. Nur etwas ist anders: Das Fehlen von Egos. Bei uns kann man nicht einfach so ein Solo reinwürgen, nur weil man es jetzt selber will. Es muss gut klingen und zur Musik passen, sonst klappt es nicht.

Mir ist auf Splenetic unter anderem der Song Teufelswerk aufgefallen. Welches Thema wird in diesem Track bearbeitet und warum habt ihr einen deutschen Titel gewählt?

Warum nicht? Ich mag den Klang dieses deutschen Titels. Im Song geht es primär um religiöse Widersprüche und alles, was darum herum abgeht. Die Leute suchen nach Feinden bei denen, die anders sind, vor allem unter denjenigen, die eine andere Weltanschauung haben. Das ist es, was im Mittelalter geschah und auch jetzt noch passiert. Ich verurteile niemanden, wer bin ich, dass ich das dürfte? Aber ich beschreibe, was ich in dieser Hinsicht sehe und fühle.

Ihr habt aber auch andere Titel – The Cosm, The Vacuum, The Wave klingt eher nach Physikunterricht. Was steckt hier dahinter?

Dieser Song hat wohl die merkwürdigsten Lyrics auf der ganzen CD. Es geht um Alchemie. Es gibt die Auffassung, dass das Verändern der Substanzen, welche die alten Alchemisten durchführten, auch sie selbst veränderte, auf mentaler Ebene. Es geht hierbei nicht um die dumme Suche nach der einfacher Herstellung von Gold, wie man es sonst immer hört, sondern um etwas Tiefergreifendes, eine Form von Erleuchtung.

Mit Khert Neter habt ihr ja noch einen Song mit fremdsprachigen Titel im Programm, der auf den so genannten Aufenthaltsort der Toten in der ägyptischen Mythologie anspielt. Habt ihr wie NILE ein spezielles Interesse an der ägyptischen Mythologie und was verbindet euch damit?

Wir haben keine konzeptuelle Geschichten, die sich mit einem Thema oder einer Kultur beschäftigen, wie das etwa bei NILE der Fall ist. Ich kann problemlos drei oder mehr Pantheons in einen Song packen – wie das etwa bei Ov Snake der Fall ist. Die ägyptische Kultur ist einfach etwas, was mich sehr interessiert. Sie hat etwas Faszinierendes an sich. Vermutlich ist das nicht offensichtlich, aber unser Bandname hat mit altägyptischer Religion zu tun, also sind wir sozusagen tief darin verwurzelt…

Für mich gibt es an Splenetic nur eine kleine Sache, die mir nicht gefällt: das Industrial-artige Intro. Warum habt ihr es gewählt und wie genau habt ihr es kreiert? Hat es eine besondere Verbindung zum Rest eures Materials, das ja sehr anders klingt?

Das Intro ist als Kontrast gedacht. Wir haben es genau so gedacht, wie es für dich funktioniert hat – es muss den ersten Song mit all seinen Melodien und seiner Atmosphäre hervorheben. Wie eine Art Sauna – heiße Luft und kaltes Wasser. Die Worte am Ende des Intros stammen von William Blake: He who desires but acts not, breeds pestilence.
Außerdem wurde es nicht von mir oder von einem anderen Bandmitglied kreiert, es gibt ja auch keinen Grund, das Fahrrad nochmals neu zu erfinden. Ich habe einen Freund von mir, der bei der lokalen Industrial / Noise-Formation STROPS ist, nach einem Intro gefragt und sie haben mir dieses Werk von ihnen gegeben – eine gute Wahl!

Etwas zieht sich ja wie ein roter Faden durch eure Diskographie: die bunten Coverartworks. Seit eurem Demo Sansara sind eure Covers immer sehr farbig, ja driften fast schon ins Psychedelische ab. Wer ist für das Artwork verantwortlich und wie kommt es, dass ihr farbenfroher daherkommt als manche andere Death Metal-Band?

Das
Wir haben bei jedem Album mit anderen Künstlern zusammengearbeitet – und doch verbindet unsere Covers die psychedelisch anmutende Farbgebung. – NEGLECTED FIELDS mögen es bunt.

Wir haben bei jedem Album mit anderen Künstlern zusammengearbeitet – und doch verbindet unsere Covers die psychedelisch anmutende Farbgebung, da hast du Recht. Ich glaube nicht, dass ich das erklären kann, wir mögen es einfach so. Du weißt ja, Dummköpfe mögen rote Farbe, haha. Nein, ehrlich, ich weiß es nicht. Vielleicht wollten wir mit dem Artwork einfach so umgehen wie mit unserer Musik – es anders machen, als das gewisse Standards vorgeben. Aber da wir Musiker sind und nicht Maler, würde das wohl nicht so gut rauskommen, also machen es andere für uns.

Bei eurem Werk Mephisto Lettonia fällt der Song Once Carcass is cold auf. Die Lyrics sind eher kryptisch und schwer zu interpretieren – kann es sein, dass der Song was mit der verblichenen Band CARCASS zu tun hat?

Nein, das nicht. Der Song thematisiert altindische Mythologie, es geht um einen Mann, der den Tod fragt, was nach dem Leben kommt – und die Antwort bekommt. Den Song mag ich sehr.

Noch merkwürdiger als eure kryptischen Lyrics ist die Wahl von THE PRODIGYs Breathe als Coversong auf eurem 1998-Output Synthinity. THE PRODIGY stehen normalerweise nicht auf der Liste der möglichen Covers einer Death Metal-Band, also warum habt ihr euch für diesen Song entschieden?

Das ist genau der Grund. Warum sollen wir DEATH oder IRON MAIDEN covern? Beide Bands spielen ja auch Metal, also ist es nicht wirklich nötig und interessant, etwas zu stören, was schon ursprünglich so klingt. Aber THE PRODIGY – da liegt mehr Raum für Kreativität! Ich bin stolz auf diese Coverversion, sie funktioniert. Sie ist so richtig dreckig, heavy und atmosphärisch! Vielleicht ist dieses Cover auch der Grund, weswegen wir keine anderen machen wollen – es ist zu gut und sämtliche Versuche danach werden missraten, da bin ich sicher.

Natürlich rechtfertigt eure Wahl von THE PRODIGY die Frage, was ihr sonst noch für Musik hört, die nicht aus dem Metal oder dem klassischen Bereich stammt.

Nun, wir hören uns eigentlich so ziemlich alles an. Es gibt nur ein Kriterium – es muss gut gemacht sein. Ich muss sagen – und damit riskiere ich jetzt, von den vampster-Lesern zum Ketzer gemacht zu werden – ich ziehe gute Popmusik schlechtem Metal vor. Schlechter Metal, was könnte schlimmer sein?

Hm, schlechte Popmusik vielleicht? Trotz dem gelungenen Breathe-Cover, habt ihr mit NEGLECTED FIELDS noch andere Songs neu interpretiert?

Ja, gleichzeitig wie Breathe haben wir IRON MAIDENs Only the good die young gecovert. Es war nicht wirklich unser Wunsch, aber unser Label hat zwei zusätzliche Songs als Bonustracks für die japanische Version von Synthinity verlangt. Wir haben 300 Euro und zwei Wochen Zeit gekriegt und wir habens gemacht. Dieser Coversong war nicht so gut, auch wenn wir Only the good die young schon jahrelang live gespielt hatten. Aber wie ich vorhin ausgeführt hatte, es ist nicht interessant, andere Metalbands zu covern. Diese Songs sind gut genug ohne dein Zutun und ich bezweifle, dass man da wirklich noch was Erfrischendes reinbringen kann. Natürlich gibt es Ausnahmen – und die bestätigen wie immer die Regel.

Wenn wir es grad schon von euren Live-Aktivitäten haben: Sind in naher Zukunft irgendwelche Konzerte geplant? Im August habt ihr ja in Tschechien gespielt…

Ja, wir waren am BRUTAL ASSAULT FESTIVAL in der Tschechei. Das war ein wirklich guter Gig, ausser dass wir keinen Keyboarder dabei hatten. Also wurden die Keyboardparts von Metronom und Minidisc übernommen. Außerdem waren wir mit einem Sessionbasser unterwegs – unser regulärer Basser wurde just zu diesem Zeitpunkt Vater. Das Konzert lief dennoch so, wie wir das wollten. Am 16. September waren wir dann auch live in Deutschland und später dieses Jahr sind wir wieder in den baltischen Staaten unterwegs.

Ist eigentlich auch eine Tour geplant um Splenetic zu promoten? Und kommt ihr dabei auch wieder nach Mitteleuropa?

Ja, es ist eine Tour geplant. Ich arbeite an der Organisation und hoffe, dass es bald klappt. Wir können sowohl Support als auch Headliner sein. Wenn alles gut geht, ist es im Frühling soweit. Hoffentlich kommen wir dann auch wieder nach Deutschland!

Trotz der Tourorganisation – schreibt ihr schon wieder an neuen Songs für den Nachfolger von Splenetic?

Ja, da sind wir bereits dran. Allerdings sind wir momentan noch in der Suchphase, also kann ich nichts über das neue Material erzählen. Es wird sicher nach NEGLECTED FIELDS klingen, aber vielleicht ist es etwas schneller, heavier und düsterer.

Und interessant wird es sicher wieder sein. Nun, kommen wir nach so viel Unkonventionellem zu einer klassischen Standardfrage: Hast du berühmte letzte Worte für die Leserschaft?

Nun, wenn ich vorher dumme Antworten gegeben habe, können uns weder diese Standardfrage noch berühmte letzte Worte retten und uns mehr Fans bringen. Ich hoffe, dass man uns jetzt besser kennt. Wer mehr wissen will – einfach hinhören. Es gibt nicht viele Bands unserer Art, also stehen unsere Chancen gut, eure Seelen zu ergreifen. Danke für die Aufmerksamkeit – und wir sehen einander bei den Konzerten!

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