Was hat Euch ursprünglich dazu inspiriert, das Festival ins Leben zu rufen, und wie hat sich das DE MORTEM ET DIABOLUM Festival seit seiner Gründung entwickelt?
Jan: Ursprünglich inspiriert haben uns damals andere Events, die in Europa stattgefunden haben und teils bis heute stattfinden. Festivals, bei denen man merkte, dass die Veranstalter mehr Wert auf ein stimmiges Billing legen, als nur auf die „größten“ Namen zu achten. Wo die Zusammenstellung der Bands schon ein eigenes Gefühl erzeugt hat. Das waren damals das Beyond The Gates, das Funkenflug und das Nidrosian Black Mass. All diese Festivals eint(e), dass die Macher vieles in den Hintergrund stellen, um ein Gesamterlebnis zu bieten und die Kunst und Atmosphäre in den Mittelpunkt zu rücken. So etwas fehlte uns damals in Deutschland beziehungsweise speziell in Berlin. Und dann haben wir unser Festival in relativ kurzer Zeit aus dem Boden gestampft.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Organisation eines so spezialisierten Festivals im Metal-Genre und welche Rolle spielt der internationale Charakter des Festivals für das Programm?
Jan: Um den ersten Teil der Frage zu beantworten: Die größte Herausforderung ist inzwischen sicherlich, ein finanziell stabiles Event zu schaffen und trotzdem den Werten treu zu bleiben. Also ein Billing zu kreieren, dass genügend Leute begeistert und zumindest kostendeckend ist, gleichzeitig aber dieses Feingefühl für besondere Acts und Shows beibehält. Für uns ist das in den vergangenen Jahren ein Auf und Ab gewesen, da auch die Pandemie ihren Beitrag geleistet und uns ziemlich angeschlagen zurückgelassen hat. Wir sind aber guter Dinge, uns stabilisiert zu haben, um weiterhin großartige Billings zu basteln.
Für uns ist der internationale Charakter ebenso wichtig wie der regionale. Seit dem ersten DE MORTEM ET DIABOLUM haben wir viele internationale Besucher – darüber freuen wir uns jedes Mal enorm. Allein, dass wir als kleines Festival neben zahlreichen europäischen Gästen bereits Menschen aus den USA, Australien, Mexiko und Neuseeland begrüßen durften, macht uns sehr stolz.
André: Ich möchte ergänzen, dass die Konkurrenzsituation trotz der Spezialisierung auf sehr extreme Musik riesig ist. Wer sich in der Szene befindet, weiß das: Gerade im Herbst und Winter finden allein in Berlin permanent Konzerte statt. Zusätzlich gibt es Indoorfestivals mit ähnlicher Ausrichtung im selben Jahresviertel. Weitere finden zu einer anderen Jahreszeit statt, sprechen aber die gleiche Zielgruppe an. Das ist einerseits großartig, weil es zeigt, wie sehr die Szene floriert – und davon profitieren auch wir, denn wir gehen selbst zu Konzerten und Festivals und unterstützen andere Veranstalter:innen gern. Aber faktisch ist es ein Wettbewerb, in dem man um Gäste buhlt, die natürlich nicht jedes Event besuchen können.
Umso wichtiger ist es für uns, dass wir nicht nur ein besonderes Billing, sondern eine richtig gute Zeit bieten – bis hin zu einer transparenten Kommunikation rund um die Festivals. Bei aller Romantisierung, der wir an sich selbstverständlich zustimmen, ist auch ein Black-Metal-Festival auf diesem Level ein Geschäft, bei dem es um das private Geld des Veranstalterteams geht. Deshalb sind wir so dankbar für alle, die unsere Events besuchen, begeistert sind und wiederkommen.
Wie wählt Ihr die Bands für das Festival aus, gibt es bestimmte Kriterien? Und was sind die Highlights der diesjährigen Ausgabe?
Jan: Das De Mortem Et Diabolum entsteht vor allem in meinem Kopf. Bei der Walpurgisnacht bucht André noch mit, um es vielseitiger und im positiven Sinne „anders“ zu gestalten. Es gibt Kriterien, aber ich bekomme sie nie verschriftlicht oder in Worte gefasst. Die Bands müssen zu uns passen. Was das genau bedeutet? Keine Ahnung, haha.
Highlights sind ja immer sehr subjektiv. Aber ich denke, wir haben wieder ein vielseitiges Billing mit bärenstarken Größen aus verschiedenen Subgenres und starken Geheimtipps zum Entdecken, die die Würze ausmachen. Von daher mag ich ehrlich gesagt keine einzelne Band herausheben – da ich von allen überzeugt bin. Besonders sind aber sicherlich die Special-Sets von THE RUINS OF BEVERAST, ANCIENT, DROWNED und AGRYPNIE, die es so nicht allzu oft zu sehen geben wird. Aber auch SCHAMMASCH mit neuem Album oder die seltene Gelegenheit, THE FLIGHT OF SLEIPNIR in Europa zu sehen, sind definitiv herauszuheben. Trotzdem noch mal: Wir sind von jeder Band im Billing absolut überzeugt.
André: Das DE MORTEM ET DIABOLUM ist bei Jan super aufgehoben. Es ist sein Baby, er hat das Festival mit einer klaren Vision gegründet, die er nach wie vor verfolgt. Aber ich kann es mir nicht nehmen lassen, zumindest zu betonen, dass DESASTER ursprünglich mal meine Idee waren, haha. Genau sowas macht ein Billing auch richtig interessant: Wenn mal eine Band auftaucht, mit der man eigentlich nicht rechnet.
Gibt es eine bestimmte Band oder einen Künstler, den Ihr Euch unbedingt einmal auf dem Festival wünschen würdet?
Jan: Ja, da gibt es einige, aber ich möchte da nicht ins Detail gehen. Manche Dinge klappen vielleicht mal, andere nicht. Es ist aber beispielsweise kein Geheimnis, dass ich mir MARE sehr gut bei uns vorstellen kann.
André: Man hat so seine persönlichen Lieblinge. Wenn ich träumen darf, würde ich ARCKANUM mit exklusivem Fokus auf Album eins und zwei bei uns sehen. Nun, wie gesagt, Träumereien. Generell lasse ich mich immer gern von Livemomenten inspirieren. Eine der aktuell besten Livebands, mit großem Abstand, sind für mich beispielsweise DOOL, die bei uns auch aus dem typischen musikalischen Rahmen fallen würden. Ich hoffe sehr, sie mal auf unserer WALPURGISNACHT-Bühne zu sehen.
Was macht die Fans des DE MORTEM ET DIABOLUM Festivals besonders?
Jan: Ich denke, jeder einzelne Gast trägt zur Gesamtstimmung des Festivals bei. Mein Eindruck ist, dass unsere Besucher wegen der Musik kommen, der Kunst mit viel Respekt begegnen und gleichzeitig Spaß vor Ort haben. Das führt insgesamt zu einer sehr angenehmen Grundstimmung, die sich auch auf uns und die Bands überträgt. In der Regel trifft es die Beschreibung „respektvoll“ daher sehr gut.
Welche neuen Erfahrungen erwarten die Besucher 2024 (z. B. Merchandising, Food-Stände usw.)?
Jan: Wir haben dieses Jahr nur Dinge im Detail angepasst, die vermutlich kaum auffallen werden. Große Neuerungen sind nicht geplant. Zum Jubiläum gibt es allerdings noch eine Band mehr als letztes Jahr, dass ist vermutlich die größte Änderung.
André: Wir möchten das Jubiläum auch gar nicht durch irgendwelche Extras künstlich aufplustern. Stattdessen sollen einmal mehr die Musik und Kunst im Vordergrund stehen. Und dafür gibt es dann eben, wie Jan schon sagt, noch eine Band on top. Allerdings möchte ich an der Stelle auch noch mal die Special-Sets erwähnen – das sind schon echte Leckerbissen.
Und vielleicht noch ein kurzer Ausblick auf die WALPURGISNACHT im nächsten Jahr. Es steht auch schon auf dem Flyer: Wir haben zum ersten Mal einen Überraschungsauftritt geplant, der bei passendem Wetter draußen an der Feuerstelle stattfinden wird.
Neben dem eigentlichen DE MORTEM ET DIABOLUM findet im Frühjahr seit ein paar Jahren die WALPURGISNACHT statt. Im Endeffekt seid Ihr also expandiert und veranstaltet somit jährlich gleich zwei Black Metal-Indoorfestivals. Gibt es Pläne, das Festival über die Grenzen Berlins hinaus zu erweitern oder neue Elemente hinzuzufügen? Wie seht Ihr die Zukunft des Festivals in den nächsten 5 bis 10 Jahren?
Jan: Die Idee zur Walpurgisnacht entstand, da uns aufgefallen ist, dass wir auch gerne etwas experimentierfreudiger werden – also musikalisch. Wie gesagt habe ich ein bestimmtes Bild vom De Mortem im Kopf und vieles, das wir auf der Walpurgisnacht bieten, würde beim De Mortem nicht zu diesem Bild passen. So entstand die Idee eines zweiten Events, bei dem man den Kosmos düsterer und extremer Musik zwar nicht verlässt, aber auch über den Tellerrand/Horizont blickt. Die Walpurgisnacht will bei uns keiner mehr missen und sie hat in unseren Planungen inzwischen das gleiche Gewicht wie unser Hauptevent.
Es gibt bei uns, wir sind fünf Leute, immer zahlreiche Ideen und Gedankenspiele. Spruchreif ist hier aber nichts, weshalb ich die Frage zu Plänen oder gravierenden neuen Elementen verneinen muss. But you never know.
In 5 bis 10 Jahren? Dass ist sehr lang gedacht. Wir sind zwar alle nicht alt, aber eben auch nicht jung. Und viele Lebensentwürfe- und Lebensrealitäten verändern sich. Daher ist es aktuell schwer zu sagen, wo wir die Events dann sehen – wir hoffen, dass wir beide Veranstaltungen noch lange machen.
Welche persönlichen Highlights habt Ihr im Laufe der Jahre als Veranstalter erlebt?
Jan: Zahlreiche. Aber ich will hier nicht groß ausschmücken. Allgemein gesprochen lernt man unglaublich viele interessante Menschen kennen und hat tolle Momente. Im Grunde geht es für mich ohnehin viel um Erlebnisse und darum, für mich persönlich Erinnerungen zu schaffen – und da gibt es in diesem Kontext jetzt unzählige.
André: Jetzt romantisiere ich dann doch, aber ich muss es einfach so formulieren: Wenn Gäste und Bands ehrlich begeistert sind, und das spüren wir ja in der direkten und indirekten Kommunikation, ist das wirklich ein grandioses Gefühl. Denn du hast etwas auf die Beine gestellt, das andere Menschen glücklich macht. Black Metal hin oder her, das schätze ich total.
Und zu guter Letzt ein brisantes, aber besser nicht unangesprochenes Thema: Politik. In keinem anderen Subgenre des Metals unterwandert speziell im Black Metal leider der „braune Flügel“ die Szene. Wie weitreichend sind Eure Recherchen, was die Connections und Aktivitäten der auftretenden Künstler abseits der Bühnen des DMED betrifft? Auf vergangene Auftritte möchten wir hier aber nicht speziell eingehen, sondern die Frage einfach allgemein halten.
Jan: Ja, ein Thema, dass uns natürlich immer wieder umtreibt. Ich möchte die Antwort aber relativ knapphalten: Wir recherchieren sehr genau, führen persönliche Gespräche und haben auch unsere Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich haben bei uns keine Formen von Diskriminierung etwas verloren. Und wir achten auch sehr genau darauf, wer bei uns spielt. Allerdings sind wir uns auch bewusst, dass nicht alles, was im Internet steht, korrekt und dass die Welt nicht schwarz-weiß ist. Dementsprechend haben wir eigene Grenzen für uns gesteckt, hinter denen wir stehen können, die aber nicht zwingend jeder Einzelperson gefallen (in die eine wie die andere Richtung).
Abschließend können wir Jan und André nur noch danken, dass sie so viel Herzblut und Engagement in ihre beiden Festivals stecken. Wir jedenfalls sind schon hibbelig wie’n Hamster auf Koffeintablette und freuen uns wie Bolle auf das Happening. Stay tuned!