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CRADLE OF FILTH: Auf dem Weg zur absoluten Verdammnis, oder: Die englische Esskultur ist einfach die beste…

CRADLE OF FILTH haben während ihrer Laufbahn bei vielen Leuten für Herzattacken gesorgt – Hausfrauen und Kirchentagbesucher mögen sie eh nicht, Jünger des ‚einzig wahren’ Black Metal mögen sie auch nicht, weil sie ja nicht true sind, etc. pp. Im Vorfeld zum aktuellen Album “Damnation And A Day“ mehrten sich aber auch die besorgten Stimmen innerhalb der eigenen Fangemeinde, ob denn nach dem Wechsel zum Major Sony die Engländer zu einer wirklichen, schwarz-weiß-bemalten Boyband mutieren würden. Nachdem das Album nun aber vorliegt, hat sich wieder alles beruhigt, und es zeigt sich, dass CRADLE OF FILTHs Musik weiterhin Metal ist, und “Damnation And A Day“ sogar noch intensiver ausgefallen ist als das letzte reguläre Studioalbum. Des weiteren haben die Engländer mit dem neuen Album eine Story mitgeliefert, die mehr als nur lesenswert ist. Genug Gründe also, um Sänger Dani und Basser Dave nach einigen zusätzlichen Infos zu dem Album zu befragen.

CRADLE OF FILTH haben während ihrer Laufbahn bei vielen Leuten für Herzattacken gesorgt – Hausfrauen und Kirchentagbesucher mögen sie eh nicht, Jünger des einzig wahren Black Metal mögen sie auch nicht, weil sie ja nicht true sind, etc. pp.

Im Vorfeld zum aktuellen Album Damnation and a Day mehrten sich aber auch die besorgten Stimmen innerhalb der eigenen Fangemeinde, ob denn nach dem Wechsel zum Major Sony die Engländer zu einer wirklichen, schwarz-weiß-bemalten Boyband mutieren würden.

Nachdem das Album nun aber vorliegt, hat sich wieder alles beruhigt, und es zeigt sich, dass CRADLE OF FILTHs Musik weiterhin Metal ist, und Damnation and a Day sogar noch intensiver ausgefallen ist als das letzte reguläre Studioalbum. Des weiteren haben die Engländer mit dem neuen Album eine Story mitgeliefert, die mehr als nur lesenswert ist. Genug Gründe also, um Sänger Dani und Basser Dave nach einigen zusätzlichen Infos zu dem Album zu befragen.




Der erste Teil des Interviews fand im Dezember statt, einen Tag, nachdem das Album fertig geworden war. Vor Ort im Büro der Plattenfirma kam man dann in den Genuss der Scheibe, die aber leider noch nicht fertig gemischt war, von der ausschließlich Arbeitstitel vorlagen, und man so kaum etwas Konkretes fragen konnte. Das eigentliche Highlight fand dann nach dem Interview statt, als man bemerkte, dass ein Drittel des Interviews fehlte und dass Sony-Mini-Diskrecorder (ja genau, hergestellt von CRADLE OF FILTH s aktueller Plattenfirma…) einfach scheiße sind, da sie ziemlich schnell den Geist aufgeben.

Deshalb nutzen wir dann einige Monate später die Gelegenheit, Basser Dave Pybus auf der Tournee noch einige zusätzliche Fragen zu stellen.

Doch beginnen wir im vorweihnachtlichen Köln, wo sich Sänger Dani und Basser Dave Pybus im Sony-Büro häuslich eingerichtet hatten, um der Journaille Details zu Damnation and a Day mitzuteilen. Bevor man jedoch überhaupt die erste Frage stellen konnte, wurde einem erst einmal das gesamte Catering-Angebot, das Sony aufgefahren hatte, präsentiert, man bekam Gummibärchen, Chips und Rotwein, auch wenn man nicht wollte, vor allem, da diese Nahrungsmittelkonstellation alleine schon überaus appetitreduzierend wirkte. Kommentare wie: Danke, kein Alkohol, ich muss noch fahren wurden geflissentlich ignoriert, und während man selbst noch über den Effekt von mit Rotwein aufgequellten Gummibärchen im eigenen Magen nachdachte, wurde Danis Kommentar: Urgh, mir ist so schlecht, nur noch mit schallendem Gelächter bedacht.

Erst mal zu einem unangenehmen Thema – Line-Up-Wechsel sind bei Euch ja fast an der Tagesordnung, aber Du (zu Dave) bist ja jetzt endgültig und definitiv dabei, während Gian (John) die Band verlassen hat?

Dave: Ja, ich bin jetzt fest dabei, und das ist gut so.

Dani: Sehr informativ.

Dave: Ja, es ist gut. Ich bin einfach dageblieben.

Dani: Wir haben versucht, ihn loszuwerden, aber es hat nicht funktioniert. Er sollte auch eigentlich gar nicht mit nach Deutschland kommen.

Dave: Sie haben mich eines Tages im Proberaum eingesperrt, und wenn sie da waren, durfte ich nicht raus; also war ich immer da.


Und dann hast Dich selbst im Gepäck nach Deutschland mitgeschmuggelt…

Dave: Tja, ich konnte nirgendwo sonst hingehen.


Nun ist es ja so, dass ihr oft Besetzungsprobleme hattet, oder vielleicht nicht direkt Probleme, aber eben recht viele Line-Up-Wechsel. Ich habe mit John gesprochen, der jetzt nicht mehr dabei ist, und er meinte, dass gerade für Dich diese ständigen Wechsel ziemlich nervig waren…

Dani: Dieses Interview ist für ein Magazin, oder?


Ja.

Dani: Nun, dann sieh es mal so: Dein Magazin als Ganzes besteht fort, auch wenn die Reporter, Autoren usw. wechseln. Bist Du von Anfang an dabei gewesen?


Nein …

Dani: Na, siehst Du? Und das Magazin an sich läuft weiter und bietet seinen Lesern einen qualitativ hochwertigen Service. Hoffe ich.


Ich meinte nicht die Schwierigkeiten auf künstlerischer, sondern auf persönlicher Ebene. John meinte, dass es in persönlicher Hinsicht schwer für Dich war, dass diese ständigen Wechsel stattfanden…

Dani: Bei einigen Leuten schon, das hat mich schon getroffen. Es gab einige Enttäuschungen, bei anderen war es wiederum okay. Mit John besteht weiterhin eine enge Freundschaft…


(und an dieser interessanten Stelle verabschiedete sich das Sony-MD-Teil…)

Ihr habt erstmals mit einem Orchester zusammengearbeitet und seid dafür nach Ungarn gefahren?

Dani: Wir arbeiteten mit dem ungarischen Rundfunk- und Fernsehorchester. Die Aufnahmen fanden im Rundfunkgebäude statt. Dort gab es ein riesiges Auditorium mit einer Art Beobachtungsturm, von dem aus man alles überblicken konnte. Wir konnten also zuschauen und beobachten, wie die Leute reagierten, Dinge kommentierten und so weiter. Es war fantastisch.


Seid ihr dort auch ein bisschen herumgereist und habt euch ein paar Burgen oder so angeschaut?



Dani: Ja, wir hatten eigentlich auch vor, einen kleinen Geheimausflug nach Transsylvanien zu unternehmen, aber wir hatten einfach keine Zeit und konnten keinen Mietwagen auftreiben. Ich habe versucht, zur Burg von Elisabeth Báthory zu gelangen, die nur ein paar hundert Kilometer weit weg war. Aber immerhin haben wir eine kleine Bootstour gemacht, sind zur Festung hinaufgegangen und haben uns ein Museum angesehen… ganz zu schweigen von einer Menge Bars. Dazu noch ein paar Rockclubs, dann noch mehr Bars, noch ein Club, weitere Bars… (aufkommendes Gelächter) dann eine Brücke… (Stille) in der eine Bar untergebracht war (allgemeines Gelächter). Ach ja, und dann war da noch eine Bar gleich der Festung…


Also lag der Schwerpunkt eher auf der Nachtkultur… Gut, nächstes Thema: Den Mix haben Steve Regina und Rob Caggiano übernommen, einem New Yorker Produzenten-Team namens Scrap 60 Productions…

D: Ja, das stimmt.


… von dem ich noch nie gehört habe….

Dani: Ich auch nicht. Nein, aber jetzt im Ernst: Sony bot uns eine Menge Möglichkeiten. Wir riefen bei denen an, und Rob war total glücklich, weil er ein großer Fan von uns ist. Er war übrigens früher bei ANTHRAX, und wir sind ANTHRAX-Fans. Er steht unserer Musik sehr nahe und ist selbst Gitarrist. So flog er gerne herüber, während wir mit den Aufnahmen beschäftigt waren und verbrachte die Zeit mit uns. Und wir kamen prima miteinander klar und dachten uns: Verdammt, das ist perfekt. Und das war es dann auch. Wir brauchten ein Weilchen, um uns an ihn zu gewöhnen, denn zwischen Amis und Engländern ist ja doch ein gewisser Unterschied… aber wir kamen echt prima miteinander aus, und er ist echt ein netter Kerl.


Kommen wir zu den Texten. Leider konnte ich sie ja selber noch nicht lesen, aber nach allem, was ich weiß, drehen sie sich im Wesentlichen um zwei Themen: Die Vertreibung aus dem Paradies…

Dani: (unterbricht) Es ist, genauer gesagt, alles eine Geschichte. Aber sie besteht aus zwei Hälften.


Ja, aber im Infoblatt stand etwas von Vertreibung aus dem Paradies und der Apokalypse und davon, dass diese beiden Themen dadurch verbunden werden, dass es einen Erzähler bzw. ein lyrisches Ich gibt. Das war alles, was ich dem Infoblatt entnehmen konnte…

Dani: So langsam werde ich es satt, darüber zu erzählen (lacht). Ich weiß mittlerweile mehr über die Texte als damals, als ich sie schrieb. Das ganze Album ist wie ein zweiteiliger Bibelfilm. Es geht um eine Menge Themen, aber aus der Sicht eines Charakters, der wie Luzifer ist, der Luzifer sein könnte. Die erste Hälfte wird in der Vergangenheit erzählt und schildert die Erschaffung der Welt sowie sein Streben nach verbotenem Wissen, seinen Entschluss, sich aus Stolz gegen Gott zu stellen und schließlich den Krieg gegen Gott und seine Verbannung ins Fegefeuer, das er zu seiner Heimat macht. Doch er ist an diesem Ort gefangen und muss von dort mit ansehen, wie der Mensch erschaffen wird.
Natürlich wird er eifersüchtig, weil Gott nun all seine Aufmerksamkeit diesem neuen Geschöpf widmet, und so macht er sich daran, den Menschen zu manipulieren und zu verderben, was ihm ja dann auch gelingt. So kommt es dann zur Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, womit der erste Teil endet.

Der zweite Teil ist in der ersten Person geschrieben und handelt von all den Ereignissen, die letztendlich zur Apokalypse führen, also Begebenheiten, in denen der Hauptcharakter eine Rolle spielt. Dies sind zum Beispiel historische Ereignisse, bei denen er seine Finger im Spiel hat, und die vergifteten Geschenke, die er den Menschen macht, um sie zu manipulieren. Dazu zum Beispiel die freie Meinungsäußerung, die es möglich macht, dass Menschen sich gegen Gott wenden und sich stattdessen hinter ihm versammeln. Alles wird angetrieben von dieser nur allzu menschlichen Eifersucht, und überhaupt hat er viele menschliche Schwächen. Aber auf dem Weg zur Apokalypse trifft er verschiedene Charaktere, die ich hier kurz nennen muss, um die Sache zu vereinfachen. Im ersten Drittel trifft er auf die Tugend, im zweiten auf die Sünde, und schließlich begegnet er sogar dem Glauben selbst. In der Zwischenzeit musste er nämlich feststellen, dass er den Kampf um die Gunst des Menschen auch nicht gewonnen hat, sondern die Menschen sich verselbständigt haben und ihren eigenen Weg gehen, so dass er einsehen muss, nicht mehr ein Teil von ihnen zu sein. Er bemerkt, dass nicht mehr er hinter dem Wahn und dem Chaos steht, das die Menschen anrichten, sondern dass die Menschheit das alles auch sehr gut ohne ihn schafft. Und dann trifft er eine Person, die den Glauben entdeckt. An diesem Punkt des Albums kommt beinahe der Moment, in dem er erlöst wird, aber dann stirbt der Glaube, wird ihm gestohlen, und von diesem Augenblick an ist alles egal. Er entdeckt schließlich, dass er von Anfang an nur eine Marionette war. In alten Prophezeiungen steht, dass er das Ende der Welt herbeiführen wird, und tatsächlich entfacht er durch seinen allumfassenden Zorn die Apokalypse.

Das klingt jetzt alles ziemlich komisch, weil hier gerade nur die wichtigsten Grundzüge in einfachsten Worten (er sagte hier sogar: baby talk red.) umreiße. Aber wenn man es sich richtig anhört, funktioniert das Konzept sehr gut. Und obwohl das Album ein Konzeptalbum ist, kann man ein beliebiges Lied herauspicken und es sich anhören, und man wird feststellen, dass es ein eigenständiges Lied ist, das auch losgelöst vom Konzept gut funktioniert. Das gilt auch für die Texte: Obwohl die Geschichten aufeinander aufbauen, kann jeder Text für sich alleine stehen.


Das ist also Eure Interpretation dieser Geschichte…

Dani: Das Konzept gründet sich zu Teilen auf Bibel, das Buch von Hebron, dazu auf eine Menge jüdischer Mythologie, also steht alles auf einem echten Fundament. Beim letzten Lied zum Beispiel, Hell on Earth, verhält es sich so wie bei vielen Songs auf Cruelty and the Beast: Alles basiert auf Fakten, wird aber von uns für unsere Zwecke angepasst und verändert. Letzten Endes könnte der Hauptcharakter des aktuellen Albums jeder von uns sein. Er hat menschliche Schwächen, so dass man vergessen könnte, dass er am Anfang des Albums einmal als Engel bezeichnet wird. Danach jedoch wird er einfach zu einem – Er oder Ich.


Ihr hattet auf Midian ebenfalls diese bibelinspirierte Thematik…



Dani: Das liegt aber mehr an unseren Interessen. Wir sind einfach wahnsinnig fasziniert von der ägyptischen Mythologie usw. Das war aber nur ein Lied auf dem Album. Es ging darin um diese Moses-Geschichte. Ich habe mir einiges über diese Geschichte angelesen, habe es also noch nicht einmal aus der Bibel selbst. Ägypten war ein Land, das die Hebräer tolerierte, und man arbeitete Seite an Seite an Dingen, die man für die Götter konstruierte, aber das geht jetzt am Thema vorbei. Moses gelangt nach seiner Flucht wegen eines Mordes an einen Ort namens Midian, wo er die Rebellen trifft und lernt, die Pharaonen zu hassen. Das ist bloß ein Teil der ganzen Geschichte, und wir haben ihn nur deshalb ausgewählt, weil wir einen Text mit diesem altägyptischen Hintergrund haben wollten. In diesem Song spielen auch ägyptische Instrumente eine Rolle. Ich glaube, wir haben das aus unserer gemeinsamen Tour mit NILE gelernt.


Was auffällt, ist Euer Interesse an solchen Themen, denn bisher hattet ihr auf allen Alben Elemente aus griechischer, ägyptischer, assyrisch-babylonischer, sumerischer Mythologie etc. Ihr seid eine der wenigen Bands, die sich dieser ganzen Mythologien annehmen und Teile daraus kombinieren, um eigene Geschichten daraus zu erschaffen. Und ihr spielt ja nicht nur gelegentlich darauf an, sondern geht richtig ins Detail. Woher kommt dieses Interesse?

Dani: Ich bin einfach fasziniert von all diesen Dingen in all ihren Facetten. Es gibt zum Beispiel einen Denkansatz, der darauf beruht, dass es ja nun im Laufe der Geschichte verschiedenste Götter gegeben hat, die letzten Endes alle für das Gleiche standen: Astarte könnte Lilith in einer anderen Mythologie sein, und zwischen griechischer und römischer Mythologie gibt es so viele Vergleichsmöglichkeiten, dass viele schon nicht mehr sicher sind, welche Gottheit nun griechischen und welche römischen Ursprungs war, zum Beispiel bei Venus und Aphrodite.


Ihr bezieht Euch zum Beispiel auf die biblische Schöpfungsgeschichte, das Buch Genesis. Die Schöpfungsgeschichten anderer Mythologien sind aber oft deutlich anders…

Dani: Das ist nur eine Geschichte. Ich könnte 25 Alben schreiben, um wirklich alles zu verbraten und jedem seine Lieblingsgeschichte zu liefern. Das nächste Album wird übrigens ein Doppelalbum über einen Transvestiten sein. Es wird Jekyll & Heidi heißen, und eine Hälfte der Songs wird aus Liebesliedern bestehen, während die andere Hälfte eine Oper über abscheuliche sexuelle Verirrungen sein könnte. (allgemeines Gelächter)

Dave: Das wird ein Hit werden, da bin ich ganz sicher.


Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Euren Texten ist die Literatur. Als ich das mit der Genesis und so weiter las, musste ich beispielsweise an William Blake denken, seine prophetischen Schriften und seine eigene Version der Genesis. Dann – na gut, das ist nicht direkt Literatur – bezieht ihr Euch auf Aleister Crowley, auf Cthulhu…

Dani: …Lovecraft und so weiter, ja…


…das Necronomicon…

Dani: Tja, ich lese einfach eine Menge.


Ja, aber darin liegt eine gewisse Faszination, denn Lovecraft selber ist beispielsweise mittlerweile zu einem Mythos geworden; das ist ja schon nicht mehr nur Literatur.



Dani: Ja, das stimmt definitiv. Ein Typ, mit dem wir in Sachen Artwork zusammenarbeiten, ist ein riesiger Lovecraft-Fan. Er hat ein Buch herausgegeben, in dem er eine illustrierte Version von Cthulhu, dem Dunwich Horror usw. zeichnete. Momentan ist er übrigens an den Designarbeiten für einen richtigen Blockbuster beteiligt, der demnächst rauskommt. Das genaue Datum kann ich Dir nicht sagen. Der Film soll At the Mountains of Madness heißen. An den Namen des Regisseurs kann ich mich nicht erinnern, aber es war jemand richtig Berühmtes (Es handelt sich um Guillermo del Torro – u.a. Blade II, Mimic – Anm. des Freischalters). Ich glaube, das Ganze soll irgendwann im Sommer 2004 rauskommen. Und ein sehr interessanter Film, der in 2003 rauskommt, ist The League of Extraordinary Gentlemen. Darin wird u.a. Kapitän Nemo vorkommen, der zusammen mit einem ebenfalls bekannten Mitstreiter eine uralte böse Wesenheit aus Cthulhu bekämpft.

Dave: Superhelden unter sich…

Dani: Ich habe Lovecrafts Grab zweimal besucht. Nicht, dass das irgendwas mit dem Album zu tun hätte… (lacht)


Ihr hattet ja lange Zeit diese Vampir-Thematik, und Du hattest einmal den Dichter Lord Byron als einen Deiner Lieblingsdichter angegeben. Seine Geschichte und seine Kunst haben auch eine Art Eigenleben entwickelt, da er mittlerweile selbst in der Literatur zum Vampir gemacht wurde, und diesen Prozess setzte natürlich Polidori in Gang…

D: Der war doch Byron s Arzt, oder? Polidori, meine ich?


Ja, und Begleiter, was auch immer. Er reiste mit ihm und so weiter. Der Punkt ist, dass – auch ähnlich wie bei Elizabeth Báthory – seine Figuren immer weiterentwickelt wurden, nie statischen Charakter hatten, ebenso wie Du die von Dir verwendeten Figuren und Themen mit einer eigenen Dynamik ausstattest …

D: Ja, es ist langweilig, einfach nur bereits Existentes wiederzuverwenden. Deshalb habe ich gerade diesen Scherz mit dem Jekyll & Heidi-Film gemacht, denn es kommen viele Leute zu uns und sagen, dass sie das Phantom der Oper so toll fanden und uns fragten, ob wir nicht ein Album darüber machen wollten, oder über irgendwelche Wolfsmenschen oder so ein Mist… Am liebsten würde man solche Leute auf den Mond schießen.

Aber deshalb war das aktuelle Album so exploratory. Midian war eher eine Reihe von mehr oder weniger miteinander verbundenen musikalischen Essays über Midian. Beim letzten Album dagegen stürzten wir uns tief in das Konzept; ich weiß nicht, wenn man von einem Konzept so derart überwältigt und eingenommen wird, beginnt auch die Musik irgendwie zu wachsen und wird beinahe organisch. So war es bei diesem Album: Es wurde fast 80 Minuten lang, und es sind nicht weniger als 17 Lieder drauf.


… und somit wären wir auch schon im Jahr 2003, wo Basser Dave Pybus am Rande des CRADLE OF FILTH-Konzertes in Köln erst einmal einige Informationen über den neuen (Aushilfs?)-Gitarristen James zu berichten hatte…

Dave: Man muss jetzt sehen, wie das nächste Jahr laufen wird. Wenn er sich beweist, dann wird er ein festes Bandmitglied werden. Er ist sehr ruhig, ein netter Kerl, er hat gerne Spaß. Zudem spielt er gut, er hat eine gute Stage Performance, und das ist schon sehr wichtig. Zunächst aber ist er ein Session-Gitarrist, und falls es Ärger geben sollte, dann wird man halt die Konsequenzen ziehen müssen. Aber das ist bis jetzt noch nicht passiert, bislang ist alles sehr gut mit ihm gelaufen, er passte wunderbar in die Band hinein. Also müssen wir jetzt abwarten. Momentan besteht CRADLE OF FILTH aus fünf Mitgliedern, zumindest was das Songwriting betrifft. Aber vielleicht fragen wir ihn am Ende des Jahres, ob er ein festes Bandmitglied werden möchte.


Das ist aber eine lange Probezeit…

Dave: Es ist der gleiche Prozess, den ich durchlaufen musste. Im Grunde dauerte es zehn Monate, bevor sie mich fragten, ob ich festes Mitglied werden wollte, und das ist eine sehr lange Zeit. In zehn Monaten kann man viele Fehler machen, die einem dann die Chance verbauen, aber letztlich zeigt diese lange Zeit dann auch, dass man den Job wirklich machen kann. Ein ziemlich langes Vorstellungsgespräch für einen Job, oder? Aber man muss vorsichtig sein. Es ist nicht einfach, die richtige Person für die Band zu finden. Sein musikalischen Fähigkeiten sind natürlich das Wichtigste, und das alles stimmt. Auf der Bühne ist er wirklich gut, und das hat Priorität, denn wenn wir live versagen, werden die Fans nicht mehr zu unseren Shows kommen.




Ihr tourt während des Irak-Krieges – einige Bands haben ihre Tourneen abgesagt macht Ihr Euch Gedanken oder gar Sorgen?

Dave: Irgendwie gewöhnen wir uns daran. Als wir die Tattoo the Planet-Tournee begonnen hatten, war es ähnlich. Der Tag, an dem die Crew und der Bus ankamen – wir probten an diesem Nachmittag – war der 11. September, und es dauerte eine Woche, bevor wir wirklich starten konnten. Als wir dieses Mal probten, war es einen Tag, bevor der Krieg begann. Es scheint so, dass jedes Mal, wenn wir touren wollen, die Welt unterzugehen scheint. Ich denke aber, wenn man es zu sehr an sich heranlässt und man gar die Tournee absagt, dann gewinnen die Terroristen. Das ist ja genau das, was sie erreichen wollen. Sie wollen Leute terrorisieren. Terrorismus ist ihre Waffe. Aber wir haben keine Angst. Wir werden diese Tour auf alle Fälle durchziehen.


Aber es gab britische und amerikanische Bands, die einfach Angst hatten, sich in ein Flugzeug zu setzen…

Dave: Es ist ziemlich einfach, Zuhause zu bleiben, sich vor den Fernseher zu setzen und sich einzureden, dass das alles auf einem anderen Planeten passiert. Aber sobald du zum Flughafen fährst und dich in ein Flugzeug setzt, dann ist das alles sehr präsent und man realisiert, dass man unter Umständen sterben könnte. Die Leute haben einfach Angst. Ich bin wirklich nicht für diesen Krieg, aber das ist genau der Grund, warum dieses Problem irgendwie gelöst werden muss.


Ihr habt für dieses Album einen Lizenzvertrag mit Sony Records unterschrieben, und es hat von Euren Fans ziemlich heftige Reaktionen darauf gegeben. Warum, glaubst Du, haben Eure Fans so seltsam darauf reagiert, dass ihr mit einem Majorlabel zusammenarbeitet? IRON MAIDEN haben beispielsweise nie mit einem anderen Label als EMI gearbeitet…

Dave: Ich glaube, dass die Fans vor allem sehr emotional reagieren, weil ihnen CRADLE OF FILTH am Herzen liegt. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass ich 1988 oder 1989, als ich ein sehr großer METALLICA-Fan war, davon hörte, dass sie nun mit Elektra oder so zusammenarbeiteten, und ich freute mich darüber, weil es bedeutete, dass man ihre Scheiben nun leichter erwerben konnte und dass ich eine neue Scheibe am Tag der Veröffentlichung bekommen würde, während man vorher nie wusste, wann man das Album endlich in den Händen hielt. Ich freute mich also darüber. Fans reagieren emotional, sie wollen, dass ihre Band Fehler vermeidet, dass es keinen Sell Out gibt, dass man nicht zu einer Art Boyband mutiert oder was auch immer, obwohl ich auch nicht weiß, was genau eine Boyband nun wirklich ist.


Ich denke, dass sie vielleicht befürchteten, ein Major würde einen zu großen Einfluss auf CRADLE OF FILTH nehmen wollen…



Dave: Das denke ich auch. Sony wollten eine extreme Band, und sie haben uns bekommen. Das neue Album ist extremer als die Scheiben davor, und je mehr Geld sie uns geben, desto extremer wird unsere Musik werden. Es hat also nicht den befürchteten Effekt, sondern eher das Gegenteil wir werden extremer. Wir haben auch dieses Cliff Richard-Cover Devil Woman, welches wir als Single veröffentlichen werden. Und wenn man in die Charts kommt, dann muss man auch zu Top of the Pops gehen – nein, man muss es nicht, aber wir würden es machen, weil wir es als Spaß sehen würden. Ich meine, wir reden von CRADLE OF FILTH – Jesus is a cunt, alle Kontroversen, die damit verbunden sind – und ich hoffe, dass die Fans verstehen, dass wir Dinge wie diese Single machen, um Leute krank zu machen und nicht, damit sie uns lieben. Ich will nicht, dass auch nur ein einziger Fan sagt: Das ist der Ausverkauf von CRADLE OF FILTH, sie sind jetzt bei Top of the Pops zu sehen. Jetzt mögen sogar die Kids in meiner Schule sie, deshalb mag ich sie nicht mehr. Ich verstehe das. Ich möchte aber, dass die Leute es nicht missverstehen. Wir wollen Leute schocken, aber keine Fans verprellen.


Wir wichtig sind die Musiksender für Euch?

Dave: Ich weiß es nicht. Es gehört irgendwie dazu. Man muss touren, man muss nach einer bestimmten Zeit ein neues Album veröffentlichen, sonst vergessen die Leute die Band, man muss Videos machen. Das alles ist Teil des Jobs, der gesamten Arbeit. Es ist wie mit dem Internet – viele Fans holen sich dort die Informationen, aber eine Band kann nicht allein durch das Internet überleben, sie muss auch touren, etc. Ich meine, ich schaue auch kein MTV.


Aber macht es Sinn, dass Eure Videos zwischen Britney Spears und anderen Konserven-Bands gezeigt werden? Eure Fans haben da längst abgeschaltet, und Pop-Fans kriegen wahrscheinlich eine schwere Psychose, wenn sie Euch sehen -das ist doch keine effektive Promotion?

Dave: Klar, sie denken sich: as zum Teufel ist das? und kriegen Angst. Und unsere Scheiben kaufen sie auch nicht, sicher. Das ist klar. Es ist wie mit der Single -wir machen es, um Leute zu schocken und ich denke nicht, dass sich irgendjemand diese Single kaufen wird.


Eure eingefleischten Fans bestimmt…

Dave: Ich weiß es nicht, vielleicht hassen sie diese Idee auch. Denn schließlich ist es ein Cliff-Richard-Song, so ein Die Hard-Christ. Es ist ein Wagnis und wir müssen vorsichtig sein, das steht fest. Wenn der Song ihnen gefällt, ist es okay. Aber wenn der Song falsch promotet wird, dann wird es schief gehen. Wir bewegen uns da auf sehr unsicherem Boden. Wir könnten damit einen schweren Fehler begehen.


Ich denke, wenn man wirklich betont, welche Intention dahinter steckt, gerade diesen Song dieses Sängers zu nehmen, dann ist es okay.

Dave: Sicher, die Leute müssen es wirklich verstehen, warum wir es machen. Wir verarschen einen Christen und wir hoffen, bei Top of the Pops auftreten zu können, um das Publikum mit Blut zu bespucken, und das machen wir wirklich.


Hatte die Auswahl des Songs etwas damit zu tun, dass Cliff Richard einer dieser religiösen Organisationen angehört und ständig in Werbeclips über den Fernsehbildschirm springt?

Dave: Ich glaube nicht, dass es primär um ihn als Ziel ging. Wir hatten eine Liste von Songs zur Auswahl, die wir mit dem Produzenten durchgegangen sind, und der Text zu Devil Woman klang einfach cool. Die Wahl bezog sich also mehr auf das Stück selbst als auf den Künstler. Natürlich ist es ein ziemlich käsiger Song. Aber Cliff Richard arbeitet gerade daran, seine Karriere wieder ans Laufen zu bekommen, er ist zurzeit also im Rampenlicht. Wir attackieren aber nicht direkt einen Christen mit dieser Wahl. Das ist sein Problem. Einige Leute werden es aber sicher so sehen. Viele denken, wir seien Satanisten, und Du weißt, das wir das nicht sind.


Sicher, Ihr habt Euch aber mehrfach ganz direkt gegen organisierte Religion ausgesprochen…

Dave: Sicher, und es sollte auch attackiert werden. Ich bin Atheist und meiner Meinung nach sollte Religion angeprangert werden, weil es einfach furchtbar ist, und alle Atheisten sollten dies auch kundtun. Sieh Dir einfach nur an, welche Probleme von Religionen ausgehen. Welche Probleme gehen denn von uns aus? Diese Minorität verursacht keinerlei Ärger. Atheisten führen untereinander keine Kriege, aber Christen gegen Muslime. Es hat vor sehr langer Zeit begonnen und es ist der pure Hass. Kinder werden schon dazu erzogen, sich gegenseitig zu hassen. Es geht aber ausschließlich um Macht. Mir geht das sehr nahe und ich reagiere sehr emotional auf dieses Thema. Ich habe es bereits in sehr jungen Jahren realisiert, wie sehr ich all dies hasste. Und ich kam einfach dorthin, niemand hat diesbezüglich auf mich eingewirkt. Ich fand heraus, dass das in meinen Herzen war, die Erkenntnis, dass all dies falsch ist. Und meiner Ansicht nach sprechen die Leute auch nicht oft genug darüber, wie falsch all dies wirklich ist. Die Menschen akzeptieren es einfach. Sie schauen TV, sehen sich die ganzen Kriege an, den Nordirlandkonflikt zum Beispiel, der seit Jahren existiert. Katholiken gegen Protestanten. Dort kämpfen nicht Atheisten gegen Atheisten.


Wenn man sich die Arbeit Eurer Band ansieht, ist es sehr auffällig, dass Ihr alles, was mit CRADLE OF FILTH zu tun habt, unter Kontrolle haben wollt – Label, Merchandise, Artwork, Videos, etc. – wie wichtig ist der Aspekt, alles, was mit der Band zu tun hat, wirklich selbst bestimmen zu können?



Dave: Sehr wichtig. Ich denke, dass dies hauptsächlich von Dani kommt. Er ist ein Kontroll-Freak, und ich meine das nicht in negativer Art und Weise. Er tut dies, weil er möchte, dass alles richtig gemacht wird, und man hat nur Erfolg, wenn man alles richtig macht. Wenn du es jemandem überlässt, dem nicht viel an der Sache liegt, dann werden Fehler gemacht. Wenn wir zum Beispiel irgendjemanden einige T-Shirts designen lassen, dann sehen sie schlecht aus und die Fans werden sie auch nicht tragen wollen. Also wollen wir alles selbst machen. Es ist wie mit diesem alten Sprichwort: Wenn du willst, dass es richtig gemacht wird, dann mach es selbst. Was natürlich auch mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Wirklich freie Zeit hat man so natürlich nie.


Ja, Dani sagte beim letzen Interview, dass er das erste Mal seit sechs Jahren Urlaub machen würde…

Dave: Ja, er hatte bis dato wirklich keinen. Ich hatte einige freie Zeit, nachdem ich ANATHEMA verlassen hatte und bei CRADLE OF FILTH noch nicht wirklich in allem involviert war, so dass ich mich zeitweise zurückziehen konnte. Aber damit ist es jetzt auch vorbei. (lacht)


War es denn für Dich wichtig, eine Auszeit zu nehmen, um einige Sachen vielleicht ordnen zu können?

Dave: Nicht wirklich. Ich wollte arbeiten, hart arbeiten, jeden Tag. Ich kann dann nachts besser schlafen, und außerdem rechtfertigt es meinen Alkoholkonsum (lacht). Wenn ich tagsüber etwas Positives getan habe, möchte ich abends feiern, und so habe ich dann diese Rechtfertigung. Man sollte etwas Positives machen, selbst wenn es nur der Abwasch ist (lacht). Aber ernsthaft – für mich ist es wichtig. Man wacht morgens mit einem ganz anderen Gefühl auf. Ich möchte nach vorne sehen, nicht zurück. Ich habe viel zu viele Jahre damit verbracht stillzustehen, nachzudenken, und jetzt möchte ich einfach arbeiten. Es geht dabei auch nicht so sehr um den Erfolg an sich. Wenn sich das Album eine Million Mal verkauft, sind wir glücklich, und wenn nicht, dann macht es auch nichts. Wir wollen einfach weiter gehen. Mit solchen Sachen setzen wir uns auseinander, wenn wir den Telefonanruf von der Plattenfirma bekommen: Okay, das war s (lacht). Aber damit rechnen wir, darauf haben wir uns schon vorbereitet.


Dass Sony Euch rauswirft?

Dave: Ja klar, sicher. Alle guten Dinge enden irgendwann, auch Beziehungen. Das Thema Majorlabels ist ein schwieriges. Man möchte, dass es gut, besser, größer ist, aber manchmal ist es das nicht.


Dani meinte aber, dass es jetzt einfacher ist, finanzielle Mittel zu bekommen, zum Beispiel für das Orchester…

Dave: Ja, solche Dinge sind einfacher. Wenn wir anrufen und ihnen mitteilen, dass wir eine verrückte Idee haben, die ungefähr eine Million Pfund kosten wird, dann werden sie sagen: Okay, aber versucht es für weniger Geld. Sie sind ja nicht blöd. Aber sie stellen Geld zur Verfügung, wenn die Idee gut ist und wenn es jemanden in der Firma gibt, der Verständnis für unsere Sache zeigt. Das ist immer ein Problem, denn viele Leute in der Firma kennen uns überhaupt nicht.


Ihr habt auch immer sehr viel wert auf das Image gelegt, auf die Dinge, die mit der Band in Verbindung gebracht werden. Vielleicht kann man es zum Teil mit der Schaffung einer eigenen kleinen Welt vergleichen – also wie wichtig ist dieser Aspekt bei CRADLE OF FILTH?

Dave: Ich weiß, was Du meinst. Es ist etwas, das in uns allen ist. Deshalb kommen alle Bandmitglieder auch so gut miteinander aus, weil wir alle die gleiche Vision teilen, und das gilt auch für die Bands, die wir mögen. Wir möchten im Grunde, dass jeder Tag Halloween ist, eine Nightmare before Christmas-Phantasiewelt. In uns sieht es so aus, und dagegen können wir auch nichts machen. Es geht nicht so sehr um Image, sondern vielmehr um Menschen. Wie Du siehst, bin ich ja nicht seltsam gekleidet oder so, sondern es ist im Innern. Um aber CRADLE OF FILTH nach außen zu präsentieren, müssen wir etwas an der Darstellung machen.


Und wie wichtig ist dieser Aspekt, dass andere Leute, die vielleicht die gleichen Ideen, Vorstellungen, Ansichten und Einstellungen haben, Teil dieser kleinen Welt werden können, d.h. vor allem die Fans, die sich ja mit T-Shirts etc. nach außen klar zu der Band bekennen?

Dave: Ja, das stimmt, es ist wie eine eigene Familie. Es ist – so fatal es auch klingt – gerade in solchen Momenten wie diesen, wo dieser Krieg stattfindet, sogar noch einfacher. Die Leute wollen flüchten, sie möchten den Fernseher ausschalten und in ihre eigene Welt abtauchen. Und viele Leute teilen unsere Vision – andere Bands, auch Schriftsteller, sie alle teilen das gleiche Gefühl, die gleiche Atmosphäre.


Ihr habt eine Tänzerin mit auf der Tournee – so was macht Ihr doch für den männlichen Teil des Publikums, oder?

Dave: Ich weiß nicht. Ich denke, dass das gesamte Publikum eine gewisse Erwartungshaltung hat, dass es Tänzerinnen gibt, Feuerspucker, Blut – sie erwarten CRADLE OF FILTH. Ich glaube schon, dass auch die Mädels gerne eine Tänzerin sehen wollen, denn neben fünf oder sechs Typen auf der Bühne macht sich eine Frau schon ganz gut. Bisher hat noch keines der Mädels gesagt, dass es nicht okay wäre. Natürlich interessieren sich Jungs eher für solche Dinge (lacht).


Also, ich kenne einige Typen, die bei Euren Konzerten nach vorne gehen, aber nicht, um Euch aus der Nähe zu sehen (lacht).

Dave: Am Anfang der Tour, genauer gesagt in der ersten Woche, hatte wir keine Tänzerin dabei. Und wir sind bei diesen Shows fast gestorben, denn es war unglaublich anstrengend, denn die Show ist sehr intensiv. Eineinhalb Stunden zu spielen ohne jegliche Ablenkung fürs Publikum wurde wirklich zu anstrengend für uns, und nach den Konzerten fühlten wir uns, als hätten wir gerade einen Boxkampf absolviert. Deshalb entschieden wir uns, für etwas Abwechslung zu sorgen, so dass wir uns kleine Auszeiten auf der Bühne nehmen konnten, um uns auch aufs Spielen zu konzentrieren und etwas runterzufahren, ohne dass die Show dabei aber an Intensität verlieren würde. Und dies ließ sich am einfachsten mit einer Tänzerin verwirklichen. Es war die einfachste Lösung, deshalb haben wir es getan. Am Anfang wollten wir es gar nicht, deshalb begannen wir die Tour ohne Tänzerin. Aber diese Tour hätte uns ohne diese Ablenkung umgebracht. Ich weiß, dass das etwas billig klingt, aber jeder, der sich von oben bis unten in Leder kleiden, auf die Bühne kommen und die ganze Zeit headbangen will, ist herzlich eingeladen dazu. Ich bin sicher, das macht keiner freiwillig.


Damnation and a Day, der Titel des Albums, ist ein Wortspiel mit der Redewendung forever and a day, bezieht sich also auf eine völlige, totale Verdammnis, also nicht nur auf die in den Texten behandelte Apokalypse, sondern die absolute Verdammnis – was steckt dahinter?

Dave: Es bezieht sich auf das Schicksal des Ich-Erzählers in den Texten, den am Ende die völlige Verdammnis erwartet. Und man kann Teile dessen in sich selbst erkennen, wenn man die Texte liest.


Der erste Teil hat mich ein wenig an God s Army erinnert, vor allem auch der erwähnte Kampf im Himmel …

Dave: Ja, aus diesen biblischen Themen entstanden die Texte. Es ist die grundlegende Inspiration dafür. Luzifers Name wird nie erwähnt, es bezieht sich aber alles auf einen gefallenen Engel, der natürlich Satan ist. Und er ist die ganze Zeit nackt. Er übernimmt die Welt und tut dies ohne Kleidung (lacht). Kleine Anekdote am Rande.


Kennst Du William Blakes Illustrationen zu den biblischen Themen?

Dave: Ja, sie sind wunderschön, ich liebe diese Bilder. Diese Bilder fangen genau die Atmosphäre des Albums ein, vor allem, wenn er sich zwischen dem rechten und dem linken Weg entscheiden muss und er den dunklen Pfad nimmt, er sich für die Hölle entscheidet. Das passt hundertprozentig. Es spiegelt die Sicht auf die Dinge wider, die im 18. Jahrhundert vorherrschte.


Blake war auch ein Außenseiter der Gesellschaft und dies beeinflusste seine Sicht natürlich sehr…

Dave: Absolut. Ich denke, wenn er heute leben würde, wäre er bei CRADLE OF FILTH (lacht).


Im Nachhinein betrachtet – wie ist es für Euch, Eure eigenen Kompositionen von einem Orchester dargeboten zu hören?

Dave: Zuerst war es nur ein Ziel, ein Vorhaben, das wir hatten, und als es dann endlich passierte, waren wir ziemlich aufgeregt, denn wir merkten, dass wir wirklich einen Soundtrack für einen Film machen könnten, nachdem wir das Endresultat gehört hatten. Wir sind alle sehr große Fans von Soundtracks. Ich hörte bereits Soundtracks, da dachte ich noch nicht mal an Heavy Metal. Viele verschiedene Dinge, vor allem aber Star Wars, also vor allem Musik von John Williams. Und heute Abend werden wir auch Star Wars-Musik spielen, vor der Zugabe. Ich weiß auch nicht genau, wie wir darauf kamen, wir waren wahrscheinlich einfach nur faul. Zum ersten Mal waren wir wirklich faul. Wir wollten die Leute vor der Zugabe nicht lange warten lassen, weil sie sich sonst langweilen, wir brauchen aber ein wenig Zeit, weil wir total am Ende sind. Wenn es nur zwei Minuten sind, können wir von der Bühne runter und gleich wieder rauf gehen, ohne auch nur etwas getrunken zu haben. Wir haben zuerst die beiden Instrumentalstücke vom Album hintereinandergelegt, aber es klang nicht gut. Dann suchen wir nach Soundtracks, die cool waren. Uns so landeten wir bei The Empire Strikes Back, das eben vier Minuten lang ist und fanden es total cool. Ich sagte den anderen noch, dass das eine ziemlich billige Lösung sei, aber wir hatten keine Zeit mehr, uns etwas Anderes zu überlegen. Und nach dem dritten Gig haben wir nie wieder darüber gesprochen und haben es beibehalten. Es ist sehr bombastisch, es ist cool – hey, es ist Dark Vader! Und die Fans mögen es. Teilweise haben sie es sogar mitgesungen.


Es kennt ja auch jeder.

Dave: Ja, sicher, es ist John Williams. Williams ist ein Musiker, der nicht wirklich unterbewertet ist – schließlich hat er Oscars bekommen, etc. – aber ich denke, dass seine Musik einen größeren Einfluss auf die Leute hatte, als sie es realisieren. Er hat auch noch die Musik für Der Weiße Hai und Superman komponiert. Jeder kennt seine Musik.


Man kennt seine Musik, wenn man auch nicht viel über den Menschen, der dahintersteckt, weiß…

Als ich im Radio die Musik von Schindlers Liste gehört hatte, wusste ich sofort, dass sie von John Williams war. Ich kann stundenlang über Soundtracks reden.


Würdet Ihr nicht mal gerne einen Soundtrack für einen netten Horrorfilm machen?

Dave: Wir haben schon mehrere Angebote erhalten. Leute schicken uns Informationen über Filme zu, die gemacht werden, und fragen, ob wir nicht die Musik dafür schreiben möchten. Sicherlich würde uns so etwas interessieren, aber wir haben nicht die Zeit, uns einer solchen Sache angemessen zu widmen. Jeder kann irgendwie drei Songs für einen Soundtrack schreiben, aber das würde wahrscheinlich ziemlicher Mist werden, genau wie der Film. Wir wollen etwas machen, was cool ist, und deshalb müssen wir vorsichtig sein und vor allem die Zeit dafür haben.


Es wird aber einen zweiten Teil des Cradle of Fear-Films geben?

Dave: Es wird zurzeit darüber verhandelt. Unsere Tänzerin, die auf der Tour mit dabei ist, war auch in dem ersten Teil. Sie fragt mich andauernd, ob ich ihren Teil gesehen habe, habe ich aber immer noch nicht wirklich. Oder ich habe sie nicht bemerkt. Der Film wird aber auf der Tour verkauft und er verkauft sich besser als alles andere, weil niemand den Film hat. Es ist aber cool, dass die Leute ihn jetzt Zuhause sehen können, diesen netten kleinen Gore-Film (lacht).


Ich habe aber gehört, dass es schon recht konkrete Vorstellungen für den zweiten Teil gibt…

Dave: Ja, Alex (Chandron) will unbedingt einen neuen Film machen. Er ist ein Workaholic. Bis man aber die finanziellen Mittel, eine anständige Storyline, etc. zusammen hat, dauert es zwei Jahre, und ein weiteres Jahr, bis er fertiggestellt wurde. Das heißt, wir sprechen hier über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren, bis ein solches Projekt realisiert werden konnte.




Wie ich gehört habe, sollte der zweite Teil weniger Gore und mehr Gothic als der erste Teil sein…?

Dave: Vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Ich bin mir aber sicher, dass Alex eher noch stärker in Richtung Gore gehen will als alles andere (lacht). Er liebt so was einfach. Es wird aber demnächst einen anderen Film geben, bei dem Dani mitwirkt, ein Comic-Film mit dem Titel Dominator. Wir haben eine Promoversion im Tourbus, und es ist wirklich witzig. Er leiht der Hauptfigur seine Stimme. Es sind auch ein paar englische Schauspieler dabei, zwei Komödianten, ein Radiomensch, die bei uns sehr bekannt sind. Wir haben wirklich viel gelacht, wenn wir uns diesen Film angesehen haben, mit einigen Bier, etc. (lacht). Es geht halt um einen riesigen Roboter mit einer Gitarre, der die Welt zerstört. Es ist wirklich lustig. Ich liebe diese Form von Humor. Ich hoffe, dass der Film wirklich Erfolg haben wird. Einige werden es aber bestimmt für Mist halten, einige aus der Band mögen ihn auch nicht wirklich. Ich sage aber nicht wer (lacht). Na ja, das kannst Du Dir ja denken Dani mag den Film, ich mag ihn da bleiben nicht mehr viele übrig (lacht). Ich schiebe erst mal alles auf James (lacht).


Ihr habt ein neues Video, das ich bisher nicht gesehen habe, mir sagte aber jemand, dass es sehr an 120 Days of Sodom erinnern würde…

Dave: Der Regisseur des Videos hatte sich vor allem von diesem Film und ähnlichen inspirieren lassen. 120 Days of Sodom ist ein grausamer Film. Ich habe ihn mir im Schnelldurchlauf angesehen, weil ich es nicht anders ertragen konnte, mir die wirklich ekelhaften, grausamen Szenen abzuschauen.


Im Schnelldurchlauf?

Dave: Ja. Ich kann nicht zuschauen, wenn Leute Scheiße essen.


Ihr habt immer wieder Eure eigenen Songs neu aufgenommen, neu bearbeitet, umstrukturiert – warum ist dieser Aspekt, sich selbst neu zu erfinden, so interessant für Euch?

Dave: Es ist eine Parodie der eigenen Musik, wirklich heftigen, brutalen Heavy Metal zu schaffen und das alles dann in einen Dance-Track umzuwandeln. Es ist sehr interessant für uns. Wenn Du Dir mal anschaust, was die billigste, einfachste Form der Musik ist, dann ist es diese Dance-Musik. Ich habe vor diesem Stil überhaupt keinen Respekt. Viele Leute mögen es, ich halte es aber für sehr billig. Man nimmt irgendeinen Beat, nimmst die Melodie von irgendeinem bekannten Song, legt sie drüber und schon hast du einen Hit. Das ist nicht sehr schwierig.


Ihr werdet dieses Jahr in den USA Teil des Ozz-Festes sein – Glaubst Du, dass Euch das helfen wird, einen Durchbruch auch auf dem US-Markt zu schaffen?

Dave: Ehrlich gesagt – und das ist jetzt meine persönliche Meinung und klingt vielleicht auch ein wenig hart – ist das Ozz-Fest keine so besonders aufregende Sache. Sie wollen etwas Neues, Aufregendes auf dem Billing, und zurzeit sind wir das halt. Wir sind halt jetzt neu bei Sony – darum gab es viele Diskussionen – Ozzy Osbourne ist auch bei Sony, und deshalb ist es für sie neu und aufregend. Sie wissen halt nicht, was wir da veranstalten werden, wie die Bühnenshow aussehen wird. Aber ich weiß auch nicht, ob es das Richtige für uns ist. Wir werden mal sehen, wie viele Leute sich über uns aufregen werden. Ich denke, sie wollen, dass wie die bad boys dieser Veranstaltung sind. MARILYN MANSON ist zwar auch dabei, aber daran haben sich die Leute mittlerweile gewöhnt, das ist nichts Neues mehr für sie. KORN sind auch noch dabei. Gähn – es sind immer die gleichen. Deshalb suchen sie jetzt nach etwas Neuem, Kontroversem, einer Band, die Ärger machen wird. Vielleicht machen wir den, vielleicht auch nicht.


Hat es Euch geholfen, ebenfalls – wie Ozzy – jetzt bei Sony zu sein, um dieses Angebot zu bekommen?

Dave: Nein. Vor zwei Jahren wurde uns das Ozz-Fest auch angeboten, damals konnten wir es aber nicht machen. Jetzt mussten wir einige europäische Festivals im Sommer canceln, um in den USA zu touren. Aber wir freuen uns wirklich darauf, mehrere Shows in den USA spielen zu können.


Interview: Claudia

Transkript erster Teil: Thomas Diehl

Transkript zweiter Teil: Claudia

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