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WHITE VOID: Anti

Die Bezeichnung Okkult-Rock im Info zur neuen Band von SOLEFALD/BORKNAGAR Keyboarder Lars Are Nedland geht nach meiner Ansicht völlig fehl, vor allem wenn ein paar Abschnitte weiter unten ein Bezug zwischen den Texten und Albert Camus gezogen wird. Nichts könnte weniger okkult sein als das. Und musikalisch hat das Album eine an einen vermeintlichen Trend anbiedernde Genre-Bezeichnung auch gar nicht nötig

Denn WHITE VOID spielen schmissigen, packenden Hardrock mit viel 70er-Flair, mit schöner Schweine-Orgel oder wahlweise Synthie-Burg und ohne Scheu vor Bombast und großen Refrains, wie etwa im ausufernd groovenden „The Shovel and the Cross“ oder sogar mit bluesig-schwoofenden Parts wie in „This Apocalypse is for you“.

Auf “Anti” gibt es keine nachgeleierten 80er-Riffs

Aber um nicht zu sehr in die 70er abzugleiten, schauen auch die 80er gerne mal rein, in Perfektion umgesetzt etwa in „Where you go, you´ll bring nothing“, was natürlich eine zum Text-Konzept über die Absurdität der Existenz wunderbar passende kühle und melancholische Atmosphäre liefert, und die Band noch mehr vom Okkult-Rock entfernt. Meine Phobie gegen nachgeleierte 80er-Riffs, die mir in letzter Zeit so häufig diese Art von Musik vergällt hat, wird erfreulicherweise auch nicht getriggert, denn die Norweger lassen sich durchaus inspirieren, aber ohne stumpf zu reproduzieren und erschaffen so etwas Neues, also genau so wie ich es mag.

Eigentlich klingt die Musik so, wie die Platten, die 70er-Jahre-Heroen wie YES oder BLUE ÖYSTER CULT Anfang der 80er gemacht haben, mit einem Bein immer noch im Prog-Rock und im bluesigen Hardrock, aber deutlich weniger vertrackt, mit damals modernen Einflüssen und viel mehr Eingängigkeit. Bei vielen ist das Experiment damals misslungen, bei WHITE VOID geht es wunderbar auf. Wenn in „The Air was thick with Smoke“, das vom Riffing her etwas an “Cars” von GARY NUMAN erinnert, die Zeile „Struck like Lighting“ einen Ticken exaltierter als notwendig gesungen wird, ist man sogar versucht an KLAUS NOMI zu denken, was eine wunderbare Referenz wäre, sollte es beabsichtigt sein.

Man könnte bei WHITE VOID von Thinking-Man´s-Retro-Rock sprechen

Eine Ähnlichkeit in Atmosphäre und Emotionalität könnte man zu den, allerdings deutlich proggigeren, HAIL SPIRIT NOIR ziehen, zumal sich auch die Stimme und der Gesangsstil sehr ähneln. Da die Griechen zu meinen JAHRES HIGHLIGHTS 2020 zählten ist das schon mal eine gute Referenz.

Das Album ist zudem sehr kompetent in Szene gesetzt, ansprechend transparent und druckvoll produziert, ohne die Natürlichkeit und Emotionalität zu verlieren. Herr Nedland hat offenbar eine klare Vorstellung davon, was diese Band darstellen und aussagen soll. Und ich muss sagen, mir gefällt das wirklich ausgesprochen gut.

Natürlich kommen Assoziationen zu Bands wie THE NIGHTFLIGHT ORCHESTRA auf, die in Sound und Produktion einen ähnlichen Weg gehen, aber wo diese Bands nur dem Klischee verhaftet bleiben und eine gewisse, auch durchaus gewollte, Oberflächlichkeit darstellen, die mich immer etwas langweilt, geht „Anti“ in die Tiefe und ins Detail. Man könnte bei WHITE VOID sozusagen von Thinking-Man´s-Retro-Rock sprechen.

Albert Camus hat geschrieben, man müsse sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen, wenn er der Absurdität des Lebens dadurch begegnet, dass er seinen Stein als selbstbestimmtes Schicksal jeden Tag aufs Neue vergeblich den Berg hinaufrollt. Wenn er dabei WHITE VOID im Walkman laufen hat, ist das mit Sicherheit auch zutreffend.

Release Date: 12.03.2021

Label: Nuclear Blast

Line Up:

Lars Nedland- Vocals, Keyboards

Tobias Solbakk – Drums

Vegard Kummen – Bass

Eivind Marum – Guitar

WHITE VOID “Anti” Tracklist

1. Do. Not. Sleep. (Video bei YouTube)
2. There is No Freedom but the End (Video bei YouTube)
3. Where You Go, You’ll Bring Nothing
4. The Shovel and the Cross (Video bei YouTube)
5. This Apocalypse is for You (Video bei YouTube)
6. All Chains Rust, all Men Die
7. The Fucking Violence of Love
8. The Air was Thick with Smoke

https://www.whitevoid.bandcamp.com

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