VALKYRIE: Fear

Auch Opa Hoppenstedt wusste es: Früher war mehr Lametta. Als VALKYRIE 2015 mit ihrem wundervollen Album „Shadows“ zum letzten Mal von sich hören ließen, schien die Welt total am Arsch, aber gefühlt war sie es nicht ansatzweise so wie heute. Entsprechend klang das Quartett aus Virginia auch. Schon ein bisschen nach so-toll-sind-die-Zeiten-jetzt-nicht-aber-insgesamt-halten-wir’s-schon-aus. Aus heutiger Sicht denke ich mir: Die Probleme von 2015, die hätte ich gerne wieder. Wie dem auch sei, „Shadows“ ist für mich persönlich zu einem modernen Klassiker geworden und auch heute noch ein ständiger Begleiter in meinem Leben. Die Freude, dass VALKYRIE wieder zurückgekehrt sind, ist groß, doch der Titel lässt es bereits vermuten: „Fear“ ist im Vergleich zu den drei Vorgängeralben düsterer und schwermütiger. Eben eher so nicht-mehr-lang-bis-zum-Weltuntergang, eben ganz 2020.

Ihrer Formel sind VALKYRIE aber treu geblieben, die Trademarks sind nach wie vor da: Pete und Jake Adams spielen mehrstimmige Gitarrenharmonien, die mal schön nach Southern Rock, mal nach frühen, nicht ganz so schnellen IRON MAIDEN klingen. Dazu gibt es Riffs, für die PENTAGRAM töten würden; wuchtig und zeitlos. Die Rhythmussektion unterbaut all das mal fast virtuos, mal stoisch und der schiefe Gesang sitzt etwas wacklig darauf. Ergo stecken VALKYRIE musikalisch gesehen noch immer in den Siebzigern und Achtzigern. Nur das Songwriting ist nicht mehr so zwingend und begeisternd wie vor fünf Jahren.

Trotz einiger hervorragenden Songs: „Fear“ zeigt VALKYRIE nicht immer in Top-Form.

„Fear“ hat zweifellos einige richtig gute Lieder zu bieten: „Afraid To Live“ und „Fear & Sacrifice“ beginnen zurückhaltend, werden dann zu kernigen Heavy Rock-Nummern mit Gesang zwischen Zorn und Verzweiflung und gipfeln in einer Explosion aus Twin-Gitarren und Uptempo-Rhythmen. Ganz großes Kino! „The Choice“ ist ein entspanntes, aber auch nachdenkliches Stück mit einem durchgehendend roten Faden und starker Gitarrenarbeit. Der Opener „Feeling So Low“ verbindet dieselben Attribute mit rhythmisch stampfender Entschlossenheit.

Dieses Niveau halten VALKYRIE nicht immer. „Brings You Down“ beginnt spröde und unentschlossen, kriegt erst gegen Ende die Kurve und wird zu einem kraftvollen Stück, das insgesamt mehr Zeit gebraucht hätte, um sich zu entfalten. „Loveblind“ eiert ein wenig vor sich hin und macht erst in der letzten Minute Spaß. Eine weitere Nummer, eigentlich ein kleiner Hit, zeigt, warum VALKYRIE am besten mit einer Songlänge von sechs Minuten fahren: „Evil Eye“ hätte das Potenzial gehabt richtig mitzureißen, wenn der Song noch etwas atmen hätte dürfen und etwas länger als viereinhalb Minuten geworden wäre. Zum Glück geht das Stück in das abschließende Instrumental „Exasperator“ über, das nicht nur das vorherige Lied, sondern die ganze Platte mit einem schönen Flair abschließt.

Düsterer als „Shadows“: VALKYRIE passen mit „Fear“ zum Zeitgeist.

Es bleibt eindeutig: „Fear“ kann nicht mit „Shadows“ konkurrieren, davon abgesehen ist es ein schönes Album zwischen Proto-Heavy Metal und Doomrock geworden, das frisch klingt und es nicht nötig hat, sich an die noch immer grassierenden Retro-Trends anzubiedern. Dafür sind VALKYRIE zu sehr authentische Verehrer der vergangenen fünfzig Jahre Musikkultur und liefern ihre ureigene Interpretation von dem, was sie lieben, statt sich selbst zu verlieren. Das ist 2019 bei Pete Adams Ex-Band BARONESS nämlich gewaltig in die Hose gegangen: „Gold & Grey“ war voller verkopfter Experimente, statt voller Songs mit Seele. Selbiges gilt für die Produktion von Sanford Parker – „Fear“ klingt schön warm, dynamisch, kratzig, lädt zum Aufdrehen ein, und ist nicht wie auf den letzten BARONESS-Alben so kaputt komprimiert, dass es den Spaß an der Musik raubt.

Ist „Fear“ nun nicht ganz so gelungen, weil der Vorgänger so stark war? Oder liegt es doch daran, dass die Songs insgesamt schwermütiger sind? Zum Zeitgeist des frisch angebrochenen neuen Jahrzehnts passt diese Nachdenklichkeit und Düsternis immerhin sehr gut. Vielleicht wären VALKYRIE 2020 also besser, wenn die Zeiten es auch wären. Aber ich will nicht schwarzmalen. So schlecht kann es um die Welt nicht bestellt sein, wenn es noch Musiker gibt, die ihre Lieder mit so viel Verbundenheit und Verve spielen.

Wertung: 5,5 von 8 Weihnachten bei Hoppenstedts

VÖ: 24. Juli 2020

Spielzeit: 43:15

Besetzuung:

  • Jake Adams – Guitar and Vocals
  • Pete Adams – Guitar and Vocals
  • Alan Fary – Bass Guitar
  • Warren Hawkins – Drums / Percussion

Label: Relapse Records

Produziert von VALKYRIE und Sanford Parker

VALKYRIE “Fear” Tracklist

  1. Feeling So Low (Official Audio)
  2. Afraid To Live
  3. Loveblind
  4. The Choice (Official Visualizer)
  5. Fear And Sacrifice
  6. Brings You Down
  7. Evil Eye (Official Lyric Video)
  8. Exasperator

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