THE WOUNDED: Atlantic

Von Holländern, die auszogen, wahres Wehklagen zu lehren.

Vorab zur allgemeinen Orientierung eine der subjektivsten Ansagen, die möglich sind: Ich liebe dieses Album. Das ganze Album. Für melancholisch-dramatisch-wehleidigen Gothic-Rock ist das eine völlig neue Empfindung, üblicherweise sind es nur einzelne Songs einer Band dieser Art, die meine Zuneigung erringen können (wovon allerdings so einige in meiner „persönlich anerkannte Meisterwerke Sammlung“ zu finden sind), die Alben im Gesamten waren einfach zu unspektakulär weil zu einförmig, einige enervierend und angesichts ihrer meilenweit herausragenden, doch seltenen Höhepunkten insgesamt wenig mehr als enttäuschend zur Weinerlichkeit aufgeblasene Melodramen, die es selten von Anfang bis Ende in meiner Anlage durchhalten.

„Atlantic“ ist das dritte Album der Holländer und das Beste. Hatten „The Art Of Grief“ und „Monument“ noch an bereits erwähnter Sternstunden-und-Dunkelwolken-Krankheit zu leiden, kann das vom neuen Silberling nicht mehr behauptet werden. Wieder einmal verlassen sich THE WOUNDED ganz und gar auf Atmosphäre, die gefangen nimmt und befangen macht, vielleicht auch manch ambitionierten Düsterrocker beschämt angesichts der simplen und doch höchst effektiven Strukturen, die dahinter stehen. Einzige Ausnahme die Keyboards, oft derart pompös arrangiert sind, dass man meinen könnte, ein Doomer wäre am Werk. Zusammen mit dieser Zutat kommen THE WOUNDED mir näher als die üblichen Verdächtigen, erzeugen Ohrwürmer, die neben Melodie und Texten auch Instrumentalparts beinhalten, für mich als Nichtmusikerin recht selten vorkommend.

Marco van der Velde erinnert mich mit seinem zerbrechlichen Gesang an den 1996 verstorbenen SUBLIME-Sänger Brad Novell, wenn dieser sich mal zu einer Ballade hinreißen ließ – keine perfekte Stimme auf den ersten Eindruck, kleine tonale Ausreißer, die merkwürdigerweise immer ins Schwarze treffen, obwohl man genau weiß, das klang gerade eigentlich komisch. Diese Art zu singen berührt durch Authenzität, nicht durch Perfektion. Sowieso ist Authenzität das Stichwort per se, um die Qualität von THE WOUNDED zu beschreiben, nie kommt das Gefühl der kalkulierten Dramaturgie vieler Genrekollegen auf. Auch um die Coverversion von „Smells like Teen Spirit“ zu rechtfertigen, kann diese unmittelbare Art der Glaubwürdigkeit für eine Erklärung herhalten, warum gerade dieser Song neu interpretiert wird, die Ode an die Bedeutungslosigkeit passt nahtlos ins Konzept der Holländer, legt den Finger in die gleichen Wunden. Diese über allem anderen schwebende Atmosphäre zieht sich durch das gesamte Album, ob nun der Opener „Hollow World“ (als .mp3 auf der Homepage zu finden) oder der zehnminütige Schlusstitel „Atlantic“ – jeder Titel für sich wie das gesamte Album besticht durch Schwermut, in dessen Verlorenheit sich viele wiederfinden werden können.

Veröffentlichungstermin: 14.06.2004

Spielzeit: 50:12 Min.

Line-Up:
Eduard Dresscher – Keyboards

Sander Wessels – Gitarre

Alwin Schnoing – Drums

Andy Haandrikman – Bass

Marco van der Velde – Gitarre, Gesang
Label: Ebony Tears

Homepage: http://www.the-wounded.nl

Email: info@the-wounded.nl

Tracklist:
Hollow World

18 Carat Dust

Running On Empty

Day Of Joy

Northern Lights

Prelude

Smells Like Teen Spirit

We Are Darker

Atlantic

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