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SLIPKNOT: The End, So Far

SLIPKNOT zeigen sich auf ihrem siebten Album wandelbar, ohne ihren charakteristischen Sound zu leugnen: Die Balance aus ruppigem Nu-Metal-Abriss und zugänglichen Arrangements passt, weshalb „The End, So Far“, die Ära Roadrunner mit Stil zu Ende bringt.

Aller Anfang ist schwer – ganz besonders natürlich in Gegenwart der leeren Leinwand, noch bevor der erste Pinselstrich gesetzt wurde. Doch auch wenn man wie SLIPKNOT die Zäsur selbst gesetzt hat, ist der erste Schritt in die neue Zukunft zwar ein spannender, doch sicherlich kein leichter. Wohin es für die neun Musiker demnächst gehen wird, ist schwer zu sagen. „The End, So Far“ lässt sich als Abschluss einer Ära – so definiert die Band ihr siebtes und gleichzeitig letztes Studioalbum unter dem langjährigen Label Roadrunner – viele Türen offen: Die zwölf Tracks sind beizeiten ruppig und aggressiv wie zur Anfangszeit der US-Amerikaner, mal eingängig und heftig groovend, dann wieder nachdenklich und überlegt.

Selbstverständlich sind das allesamt Seiten der Formation, die wir in der Vergangenheit bereits in der einen oder anderen Form kennengelernt haben. SLIPKNOT stehen somit weiterhin zu allen Facetten und Farben, welche die vergangenen Werke geprägt haben – kontroverse Entscheidungen inklusive. Als solche könnte man beispielsweise den mutigen Schritt bezeichnen, das Album geradezu gemächlich einzuleiten: Nicht ganz sechs Minuten bewegt sich „Adderall“ leichtfüßig inmitten der Klangfarben klassischen Prog-Rocks: Sanfte Piano-Akkorde, dezente Chorspitzen und ein fast schon konsterniert wirkender Corey Taylor verschaffen „The End, So Far“ einen durchaus erinnerungswürdigen Auftakt.

Die Balance aus ruppigem Nu-Metal-Abriss und zugänglichen Arrangements beherrschen SLIPKNOT nach wie vor

Es dauert somit eine ganze Weile, bis die Platte richtig Fahrt aufnimmt. Der Vorteil: Die aufrüttelnde Single „The Dying Song (Time To Sing)“ empfangen wir im Anschluss mit offenen Armen, ganz ungeachtet des eingängigen Refrains mit Ohrwurmpotenzial. Die Balance aus ruppigem Nu-Metal-Abriss und zugänglichen Arrangements beherrschen SLIPKNOT nach wie vor, spielen diese Gegensätze jedoch diesmal eher auf Song- denn Albumebene aus: Richtig harte und kompromisslose Ausrufezeichen setzt „The End, So Far“ kaum. Selbst das bisweilen an „Iowa“ (2001) angelehnte „The Chapeltown Rag“ greift im Refrain auf klassischen Klargesang zurück.

Das neue Material entpuppt sich somit vornehmlich als eine Symbiose aus alt und neu, wenn etwa „Hive Mind“ erst den schleppenden Gitarren-Chugs heftige Blastbeats entgegenstellt, dann aber mit Percussion-Unterstützung und Groove nach vorne geht. Im atmosphärisch bedrückenden Highlight „Yen“ spüren wir zwischenzeitlich gar den Geist des Drittwerks „Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ (2004), bevor das eigentlich recht simpel konzipierte „Warranty“ zwischen groovendem Schlagzeug und Gangshouts im Refrain trotz 90er Flair interessant bleibt – Jay Weinbergs auffallender Drum-Patterns sowie der gut abgemischten Percussions sei Dank.

Es ist eine Freude zu sehen, wie wandelbar der charakteristische Sound SLIPKNOTs auf „The End, So Far“ ausfällt

Überhaupt ist die Produktion für ein modernes SLIPKNOT-Album fast schon bemerkenswert. Zugestanden, das Chaos der frühen Tage kann man mit dem transparenten Mix kaum einfangen, doch der trocken-erdige Sound verschluckt dafür kein Detail: Ganz gleich, ob es um Alex Venturellas Bass oder DJ Sid Wilsons Scratches geht, lange suchen müssen wir im dichten Sound-Korsett des Neuners nicht. Jedes Detail – sei es nun ein Drum-Fill, die metallenen Percussion-Anschläge oder ein atmosphärisches Sample – bekommt die Aufmerksamkeit, die es benötigt.

Das erleichtert es SLIPKNOT natürlich, im bluesigen „Acidic“ genrefremde Einflüsse in den eigenen Sound zu implementieren. Für Hardliner mag nicht jede dieser Entscheidungen gewinnbringend sein und dennoch freuen wir uns zu sehen, wie wandelbar der charakteristische Sound der Nu-Metal-Veteranen mittlerweile ist, ohne eben die eigenen Trademarks komplett leugnen zu müssen. Daher ist es letztlich nur konsequent, dass SLIPKNOT zum Abschluss der doch sättigenden Laufzeit wieder einen Gang zurückschalten. Für die Band ist „Finale“ fast schon musikalisches Understatement, das jedoch dank Sid Wilsons markantem Scratching sowie dezentem Chorgesang einen durchaus passenden und reflektierten Schluss markiert.

SLIPKNOT bringen mit „The End, So Far“ die Ära Roadrunner hungrig und mit Stil zu Ende

Ob uns SLIPKNOT damit bereits einen Ausblick auf das kommende Kapitel gewähren, bezweifeln wir zwar, doch ganz genau wissen kann man das im Fall der Formation aus Iowa nicht. Die Zäsur ist jedenfalls spürbar, obgleich „The End, So Far“ die Ära Roadrunner hungrig und mit Stil zu Ende bringt. Die besten Voraussetzungen also für die Zukunft, denn so schwer ein neuer Anfang in der Regel sein mag, können SLIPKNOT auf diesem Fundament auch in den kommenden Jahren ganz entspannt aufbauen.

Veröffentlichungstermin: 30.9.2022

Spielzeit: 57:31

Line-Up

Corey Taylor – Vocals
Mick Thomson – Gitarre
James Root – Gitarre
Craig Jones – Sampling
Sid Wilson – DJ
Shawn Crahan – Percussion, Backing Vocals
Michael Pfaff – Percussion, Backing Vocals
Alex Venturella – Bass
Jay Weinberg – Schlagzeug

Produziert von SLIPKNOT, Joe Barresi

Label: Roadrunner

Homepage: https://www.slipknot1.com/
Facebook: https://www.facebook.com/slipknot/

SLIPKNOT “The End, So Far” Tracklist

  1. Adderall
  2. The Dying Song (Time To Sing) (Video bei YouTube)
  3. The Chapeltown Rag (Video bei YouTube)
  4. Yen (Video bei YouTube)
  5. Hivemind
  6. Warranty
  7. Medicine For The Dead
  8. Acidic
  9. Heirloom
  10. H377
  11. De Sade
  12. Finale

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