RAY WILSON: The Studio Albums (1993-2013)[8CD-Box]

Wer noch nicht alles von RAY WILSON im Schrank hat, der sollte mit diesem preiswerten Boxset nachrüsten. Wer RAY WILSON bisher nicht kennt oder nur ein paar Songs, der macht garantiert nichts falsch, hier zuzugreifen.

RAY WILSON verbinden auch heute immer noch viele mit GENESIS und deren 97er Album Calling All Station. Dabei hat der Schotte, der heute in Polen lebt, mit zahlreichen Alben sehr viel mehr zu bieten und liefert bis heute immer wieder tolle Alben ab. Und obwohl das Verhältnis zu GENESIS nachfolgend nicht das beste war, vor allem im Bezug auf PHIL COLLINS und Zickereien mit dem Management, hat WILSON die Möglichkeit, mit einem Programm voll mit GENESIS- und COLLINS-Klassikern zu touren. Warum auch nicht, während die Rock-Rentner wahrscheinlich Golf spielen oder Rosen züchten, ist der Schotte permanent auf Tour und präsentiert deren Songs mit seinen hervorragenden Musikern meist besser als die Originale. Zumindest mir hat WILSON diese Songs wieder schmackhaft gemacht, die mir aufgrund einer chronischen Phil Collins-Stimmallergie nie wirklich gefallen haben. Mal ist er mit seinen eigenen Sachen unterwegs, mal solo oder mit kleinster Besetzung, mal laut rockend mit voller STILTSKIN-Band, und mal halt mit dem GENESIS-Classics-Programm oder einem Mix aus beidem. Nun aber steht anscheinend ein Wandel an, RAY WILSON möchte vielleicht diesen ewigen Kreislauf durchbrechen und deutet einen Wechsel an. Vielleicht hat er deshalb zuletzt live so manche seltene Nummer rausgekramt. Nicht wirklich zur Begeisterung seiner Fans hat er einige langjährige MusikerInnen gekickt, und auch das neue Boxset deutet darauf hin, dass WILSON ein Kapitel abschließen will. Alle bisherigen Studioalben (abgesehen von STILTSKIN-Debüt The Mind´s Eye) gibt es nun in einer Box zusammengefasst, kein aufwändiges Booklet, die CDs in Pappschubern, ohne Schnickschnack, immerhin ein paar Bonussongs, diese oft Single-B-Seiten. Dafür wird The Studio Albums (1993-2013) sehr günstig angeboten, und man bekommt einen rundum willkommene Vollbedienung, denn auch nicht jeder Fan hat alle Scheiben des Schotten, zumal die ersten Alben kaum oder gar nicht mehr zu bekommen sind oder nur überteuert bei bekannten Auktionsplattformen. Da greift man doch besser hier beim Boxset zu!

Das erste, längst vergriffene Album Swing Your Bag, 1993 mit der Band GUARANTEED PURE eingespielt, bietet gefälligen Rock. Recht amerikanisch geprägt kommt der Opener, wie auch viele andere Songs des Albums. Etwas rockiger Burning Up My Heart, das auch der Titelsong einer der zahllosen US-Serien oder Filme der frühen 90er sein könnte. A Well Known Song, ja kommt einem bekannt vor, die Kuschelballade klingt sehr nach 70er SMOKIE. Oft klingen Song und Vocals wie ein Mix aus BOB SEGER und PHIL LYNOTT/THIN LIZZY, auch durch die noch sehr raue Stimme von Herrn Wilson wie bei Even The Best Guys (Lose Their Girl). Gelegentlich mag man auch an JEFF BUCKLEY denken. Die nachdenkliche, melancholische Ballade Wish I Was At Home, hier als Live-Version, klingt dagegen wie ein Mix aus den EAGLES und BOB SEGER, sehr schön. Das ebenfalls kuschelige Time Was On The Side verbeugt sich deutlich durch Stimmung und Gesangsmelodie vor dem großen ELTON JOHN. Pieces Of Rock`n´Roll, wieder ganz frühe THIN LIZZY mit Lynott´s typischem Shalalala, die sentimentale Ballade Pray Tonight For Yourself bringt jeden Fan seiner späteren Solosachen zum Träumen. Die sind dann auch entzückt vom spaßigen Airport Song, den WILSON geschrieben hat, als er verzweifelt und genervt auf einen Flug von Malaga nachhause gewartet hat. Wer weiß, wie hier live die ganze Band und natürlich das Publikum mitswingt, der hat auch zuhause seinen Spaß. Auffällig am Album ist, dass RAY WILSON sich Stimmlich und mit den Gesangsmelodien noch sehr an berühmten Kollegen orientiert. Es gibt nette Songs, noch keinen echten Hit, aber zum Abrunden passt Swing Your Bag super in die Sammlung.

Mangels Erfolgen mit GUARANTEED PURE stieg RAY WILSON 1994 bei STILTSKIN ein, mit denen er bekanntlich mit Inside einen Riesenhit hatte hier in Europa, wo der Song eine Levi´s-Jeans-Werbung schmückte. Ein zweiter kleinerer Hit mit Footsteps, Streitereien intern und mit dem Label, wahrscheinlich hat es das Album deshalb nicht hier in die Sammlung geschafft. STILTSKIN fallen auseinander, WILSON steigt bei GENESIS ein für das immer noch unterbewertete Album Calling All Stations, bevor auch diese Rockgiganten vorerst in Rente gehen. So kommt 1999 unter dem Bandnamen CUT das neue Album Millionairhead, das bereits alles mitbringt, was auch die Fans des aktuellen WILSON lieben. Es wird gerockt, aber auch mehr düstere und melancholische Töne machen sich breit. Auch heute noch dauerhafte Live-Hits machen Spaß, das rockige Sarah und das recht fröhliche, beswingende Another Day mit dunklen Untertönen, ein echter WILSON-Klassiker, der eigentlich auf ein neues STILTSKIN-Album kommen sollte. Mehr Indie-Klänge machen sich breit, der Titelsong kommt recht hart, STILTSKIN sind also nicht vergessen. Shoot In The Moon mit dezenten PINK FLOYD-Anleihen, sehr nah am Original das BOWIE-Cover Space Oddity. Beim tollen Gypsy denkt man auch nochmal an GENESIS, es gibt noch mit Dark und Adolescent, beide recht düster, und dem knackig rockenden Reason For Running drei Bonussongs aus dem Bandarchiv.

Change ist dann 2003 das erste offizielle Soloalbum. Der Titelsong mit diesem typischen Drive, der später so viele Songs beflügeln sollte und sicher ein Markenzeichen ist von RAY WILSON und seinen tollen, sympathischen Mitmusikern, live immer abgefeiert, da muss man einfach mitschunkeln. Das fröhliche Along The Way mit Violinen und zarten female Backings, das folkige Singer/Songwriter-Stück Yesterday. SMOKIE kommen einen in den Sinn bei Cry If You Want To und auch bei Beautiful Child mit dezenten BEATLES-Melodien. Wenn bei Beliefe die Mundharmonika einsetzt, denkt man an Folkbarden wie DONOVAN und natürlich BOB DYLAN, das tolle Another Day vom Millionairhead-Album gibt es hier als interessant aufgebaute Akustikversion, warum nicht! Natürlich gibt es auch wieder reichlich nachdenkliche und melancholische Songs, wobei sich vor allem der Bonussong Cool Water als sehr düster präsentiert.  

The Next Big Thing hat Kollege Fierce bereits wohlwollend aufgenommen. Der klagende Opener These Are The Changes ist leider auch heute noch topaktuell, die knackige Version vom STILTSKIN-Hit Inside, das schwungvolle The Fool In Me mit Big Band-Feeling, perfekt für die spätere Live-Besetzung mit Violinen, Piano, Saxophon und Co.  Das schwebende Alone, irgendwie hat man das Gefühl, dass Herr Wilson auf der Suche ist, nicht nur musikalisch. Mit einem Song wie Magic Train hätte heute ein RAY GARVEY sicher einen Mega-Hit. Der zerbrechliche Anfang von The Actor, live herrscht hier immer Schweigen im Publikum, das sich der puren Gänsehaut hingibt, herrlich intensiv. Das sind die Momente, wo sich die Fans wieder mal fragen, warum man im Radio so zugemüllt wird und nicht Leute wie RAY WILSON die Charts beherrschen.

Und, was macht ein RAY WILSON, wenn er wieder Lust hat, laut zu rocken? Richtig, er stellt STILTSKIN neu zusammen mit richtig guten Musikern, die ihn teils heute noch begleiten. Sicher auch, um an alte Erfolge anzuknüpfen, so recht geklappt hat das aber nicht. Trotzdem ist She ein starkes Album, zahlreiche Songs erfreuen auch heute noch das Live-Publikum wie der harte Opener Fly High und das heavy daher drückende Taking Time, an dessen Ende man unweigerlich versucht ist, mal wieder IRON MAIDENs Number Of The Beast rauszukramen. Wie groß ist Lemon Yellow Sun mit seinem beflügelnden Drive, live wird hier getanzt, basta! Die super Produktion von Peter Hoff verpasst den Songs den besten Sound, den WILSON bisher zu bieten hatte. Daher freut man sich auch auf den harten Groove von Wake Up Your Mind, den Flow von Sick And Tired und natürlich auf die Gänsehautballade Constantly Reminded. Natürlich weiß man jetzt schon, dass bei den Liveshows Barbara Szelągiewicz an der Violine fehlen wird, die hier immer live ihren großen Auftritt hatte. Das fette Fame, das sentimentale Summer Days oder das hart rockende, etwas fremd wirkende Better Luck Next Time, das Album ist voll mit starken Songs, die zu den Highlights der Liveshows zählen, sofern man denn das Glück hat, die Bandshows zu sehen und nicht wie ich immer irgendwie das GENESIS-Programm erwischt.

Propaganda Man läuft dann 2008 wieder als Soloalbum. Warum ich mit dem Album nie recht warm geworden bin, das zeigt sich hier wieder: Der alte Womanizer zielt anscheinend direkt auf seine weiblichen Fans, spielt das hier – subjektiv empfunden – voll aus. Der Opener Bless Me mit herrlich orientalischen Touch kommt mit so einem fluffigen Drive, da denkt man sofort an ausgelassen tanzende Frauen, obwohl man(n) auch nicht umhin kommt, zumindest mit dem Fuß mitzuwippen. Beim ruhigen Lately oder dem melancholischen The Brakes Are Gone mit schwerem Akkordeon im Hintergrund kommt sein Gesang so schmachtend aus den Boxen, so manchem STILTSKIN-Fan dürfte das zu schmalzig sein. Razorlight ist dann eine eher klassische WILSON-Ballade, bei Cosmic Baby herrlich die typischen, FLOYDigen Gitarren von Ali Ferguson. Schön das hippieske More Propaganda und zum Abschluss die Akustiknummer On The Other Side, wenig überraschend wieder sehr sentimental.

Um alle Fragen zu klären wer was wo, macht es der Schotte ganz einfach und präsentiert ein Doppelpack mit einem Live-Album, um sein GENESIS and more-Programm zu präsentieren, und er packt auch gleich ein neues STILTSKIN-Album dazu mit dem Titel Unfulfillment. So kann man sich einen Überblick verschaffen über die Musik, für die der Name RAY WILSON steht. Wobei Unfulfillment auch nicht so rockt, wie man es in Verbindung mit den alten STILTSKIN-Alben erwarten würde. Das neue Album klingt eher wie eine rockige Weiterentwicklung der bisherigen Soloalben. Und bietet letztendlich fantastische Songs wie More Than Just A Memory, The 7th Day, American Beauty, First Day Of Change und Tale From A Small Town. Allein jedem der MusikerInnen zuzuhören macht total Spaß, der Stimme des Hausherrn und seinen Texten sowieso. Aufdrehen, Tanzen, Träumen, Genießen, ein tolles Album, mein persönlicher Favorit.

Das gilt auch für sein letztes und somit aktuelles Studioalbum Chasing Rainbow, wieder als Soloalbum, obwohl eh all seine Mitmusiker beteiligt sind. Das entspannte Take It Slow, Easier That Way, der quasi-Titelsong Follow The Lie, wieder mit diesem mittlerweile typischen Flow, den nahezu alle, zumindest die späteren Alben in ihren Songs mit sich tragen. Ebenso Wait For Better Days, das fluffige She´s A Queen oder das sphärische Rhianne, wo auch Gitarrist Ali Ferguson seine helle Stimme erklingen lässt. Auch hier lohnt sich genaueres Hinhören, es gibt viel zu entdecken von großartigen Musikern, die den WILSON-Songs die wahre Größe geben.

Was es mehr zu den letzten beiden Alben zu sagen gibt kann man hier erfahren:
CD-Review bei vampster.com zu Unfulfillment (2011)
CD-Review bei vampster.com zu Chasing Rainbows (2013)

Das Fazit ist ganz einfach: wer noch nicht alles von RAY WILSON im Schrank hat, der sollte mit diesem preiswerten Boxset nachrüsten. Jedes Album hat seine mal kleinen, mal großen Hits, es hat eh jeder Fan des Schotten seine eigenen Favoriten unter all den Klassikern. Natürlich gibt es auch noch tolle Live-Alben, aber mit The Studio Albums (1993-2013) bekommt man ein umfassendes Wohlfühlpaket. Wer RAY WILSON bisher nicht kennt oder nur ein paar Songs, der macht sicher auch nichts falsch, hier zuzugreifen. Es gibt tolle Rockmusik mit einer starken Stimme, die jedem gefallen dürfte, der sich zwischen Indie-Rock und Singer/Songwriter mit einem Touch gefälligem Melodic/Hard Rock wohlfühlt. Als Fan ist man natürlich neugierig, wohin die Reise geht, Ende des Jahres soll zumindest ein neues Album erscheinen.

Veröffentlichungstermin: 20.03.2015

Spielzeit: 58:45 / 59:06 / 55:04 / 45:38 / 55:21 / 44:39 / 57:08 / 53:23 Min.

Label: Jaggy D

Homepage: http://www.raywilson.net

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/RayWilson.Stiltskin

Enthaltene Alben:
Swing Your Bag / GUARANTEED PURE (1993)
Millionairhead / CUT (1999)
Change / RAY WILSON (2003)
The Next Best Thing / RAY WILSON (2004)
She / STILTSKIN (2006)
Propaganda Man / RAY WILSON (2008)
Unfulfillment / STILTSKIN (2011)
Chasing Rainbows / RAY WILSON (2013)

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