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PETRELS: Onkalo

Einhunderttausend Jahre in die Zukunft und wieder zurück – PETRELS bieten eine wunderschöne Ambient-Zeitreise mit einem versöhnlichen Ende.

Einhunderttausend Jahre. Einhunderttausend lange Jahre. Eine schier unvorstellbare Zeitspanne. Es tut gut, durch den Gedanken daran auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden, wenn man bedenkt, dass momentan Zahlen im Milliardenbereich ganz normal geworden sind. Einhunderttausend Jahre sind da doch eine ganz andere Hausnummer. Es soll nämlich so lange Bestand haben, das Atommüllendlager namens Onkalo in Finnland. Rechnen wir mal ein wenig prozentual herum, wie lange es Atomenergie gibt, und wie lange uns dieser Abfall am Bein kleben wird, dann kommt man ins Grübeln. PETRELS alias Oliver Barrett hat sich auch viele Gedanken darüber gemacht, über das, was von uns übrig bleiben wird – vor allem Atommüll nämlich. Was könnte in den kommenden einhunderttausend Jahren alles passieren? Was werden künftige Zivilisationen von unserem kleinen Überbleibsel halten? Wird es ein Happy End geben? Die Antwort ist, wenn wir Onkalo lauschen, recht eindeutig: Ja, es wird alles gut werden. Irgendwie. Das Zweitwerk von PETRELS, das sich dieses Endlager zum Thema gemacht hat, ergießt sich über den Hörer wie ein warmer Sommerregen, wirkt beruhigend, wie ein schillernd-weiches Science Fiction-Märchen, wie eine Aronofsky´sche Reise durch die Zeit, sanfte Metaebene inklusive.

Beinahe Neoklassisch beginnt Onkalo, dazwischen entstehen immer wieder futuristische Welten mit so wunderschönem Flackern zwischen der Schwärze, dass es einem leisen, subtilen Feuerwerk gleich kommt. Dann wieder Szenen auf der Erde, mit gesampelten Chören, organischen Rhythmen, schließlich ein Schweben in völlig ruhiger Lichtgeschwindigkeit durch eine warme Dunkelheit, in der man sich zu Hause fühlt. In fast fünfundsiebzig Minuten lässt es sich nicht vermeiden, dass es hier und da zu Längen kommt (die jeweils erste Hälfte von White And Dodger Herald The Atomic Age und Characterisation Level). Aber eigentlich ist diese überraschend abwechslungsreiche Reise in eine ungewisse Zukunft enorm abwechslungsreich, so dass sie trotz der ruhigen Hand Barretts, mit der er durch die Stücke führt, stets etwas Neues bietet. Dabei wirkt Onkalo nie gehetzt, im Gegenteil: Gleich mit den ersten, wunderschönen Tönen von Hinkley Point Balloon Release fühlt man sich viel besser und entspannter und nicht selten viele Kilogramm leichter.

Vor allem wenn es nahe an Neoklassik ist, betören PETRELS den Hörer, auch die Chöre in On The Dark Great Sea lassen den Atem stocken, wirken beinahe meditativ. Und das abschließende, lange ausholende Streicherstück Kindertransport ist sowieso der schönste Abgesang, den man sich vorstellen kann. Dass die Zukunft ungewiss ist, ist eine Binsenweisheit, entsprechend vage ist Onkalo, PETRELS´ Reise durch die Jahrhunderte, auch geworden. Dass alles gut werden wird, ist gewiss, aber ob Oliver Barrett sich auch sicher ist, dass die Menschheit überleben wird, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht ist das auch alles gar nicht von Bedeutung, vielleicht geht es nur darum, mehr an das Morgen zu denken und das Heute ein wenig ruhen zu lassen. Dass die Sounds dazu teilweise auch mal retro klingen können, ist bei einem solchen Konzept über das übrig gebliebene und die Zukunft schon fast ironisch – oder zeigt es nur eine gewisse Kontinuität auf? Wer jedenfalls PETRELS´ Ansatz schon auf Haeligewielle mochte und wer im Ambient-Bereich ein Album sucht, dem es an Abwechslung und origineller Herangehensweise nicht mangelt, der wird mit Onkalo zweifellos fündig.

Veröffentlichungstermin: 5. April 2013

Spielzeit: 73:52 Min.

Line-Up:
Oliver Barrett
Label: Denovali Records

Homepage: http://petrels.bandcamp.com/
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/petrels

Tracklist:
1. Hinkley Point Balloon Release
2. Giulio´s Throat
3. On The Dark Great Sea
4. Time Buries The Door
5. White And Dodger Herald The Atomic Age
6. Trim Tab Pt. 1
7. Trim Tab Pt. 2
8. Characterisation Level
9. Kindertransport

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