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NAPALM DEATH: Smear Campaign

Ist bei NAPALM DEATH langsam die Luft raus?

Ist bei NAPALM DEATH langsam die Luft raus? Definitiv nicht! Man mag zwar glauben, dass es nach all der Zeit und all dem Lärm, mit seinen Hochs und Tiefs, langsam mal Zeit wird, dass die Briten ernsthafte Ermüdungserscheinungen zeigen. Doch weder verkriselte uns die Midlife noch das körperliche Älterwerden oder gar die Abkehr von der Musik hin zur Familiengründung das Vergnügen des deftigen Soundgenusses. Doch wie authentisch kompatibel sind Grindcore und Älterwerden wirklich? Ich hoffe doch sehr, sonst würde ich in diesem Moment ernsthafte Zukunftsangst entwickeln müssen. Nicht, dass ich nicht sowieso dazu neigen würde… aber NAPALM DEATH machen das so gut wie vergessen. Keine eineinhalb Jahre nach dem guten The Code is Red… Long Live the Code lassen die Jungs von der Insel einmal mehr den Knüppel sprechen. Was soll man da erwarten? Keine großen Änderungen natürlich, aber auch kein Herumreiten auf alten Glanztaten. Smear Campaign ist ein klarer Schritt in die Zukunft, ohne dabei Kompromisse einzugehen. Die Scheibe ist mit keinem alten Album direkt vergleichbar, nimmt sich aber von allem, was NAPALM DEATH ausmacht das Wichtigste heraus. Straighter, old-schooliger, als die letzten Releases, tonnenweise Blasts und Groove und nur minimale Experimente. Selbstredend anspruchsvoller und weniger stumpf als die Frühwerke, aber dennoch voller Speed und Aggression. Nach vorne ohne Ende scheint die Devise 2006 zu sein. Trotz viel Geschwindigkeit ist der Flow immer unglaublich hoch, es groovt nicht selten hitverdächtig, Tempowechsel kommen genau zur richtigen Zeit und Barneys unvergleichbare Gesangslinien sorgen zu großen Teilen für den überraschend hohen Merkfaktor der Songs. Auch wenn der Gitarrensound prägnanter sein könnte und nur auf eine Gitarre zugeschnitten ist, das Schlagzeug ein klein wenig mehr knallen dürfte und mit Shattered Existence ein unnötiger Füller auf dem Album ist, den Spaß an Smear Campaign verdirbt so was zu keiner Sekunde.
Das ungewöhnlich pompöse Intro Weltenschmerz eröffnet die Platte fast schon mit Gänsehautfaktor, das folgende Sink Fast, Let Go knallt einem die Rübe dann in herrlicher Art und Weise vom Hals. Fiese Screams, nicht nur ergänzend, sondern auch mal ganze Strophen lang, sind besonders ins Ohr fallend. Die herrischen, energischen Riffs von Fatalist lassen einen vor Freude hüpfen und das groovende When All Is Said And Done dürfte auch Freunde der Inside The Torn Apart-Phase restlos zufriedenstellen.
Alles nicht neu, alles schon dagewesen, aber so gekonnt umgesetzt, dass der Funke sofort überspringt und für ein wahres Freudenfeuer sorgt. Ergänzende Experimente sorgen – man möchte fast sagen unnötigerweise – dafür, dass hier kein Stillstand existiert. Die dezente Stimme von THE GATHERING-Frontfrau Anneke Van Giersbergen bei In Deference zum Beispiel, die Vocal-Effekte in Persona Non Grata oder Barneys düsterer, cleaner Gesang im schleppenden, zähen Titeltrack. All das ist Teil des Spiels – aber kein essenzieller. Vorherrschend auf Smear Campaign ist nämlich ungezügelte Wut, Geschwindigkeit, ja Raserei. Und das alles völlig unverbissen, auch oft genug mal lässig einen tanzbaren Groove aus der Hand schüttelnd. Nicht wie der effekthaschende Hollywood-Witz in einer Millionenproduktion, sondern wie der beiläufige, schlagfertige Scherz in geschätzter Gesellschaft, den nur Dabeigewesene verstehen können. Das hier ist nicht das pubertäre Aufbäumen unzufriedener, aufgeblasener Jugendlicher, sondern das Manifest gestandener, aber junggebliebener Männer, die nach wie vor tierisch Dampf ablassen, über Politik, Religion und Gesellschaft.
Zu viele Worte, für zu klare Verhältnisse. Gereicht hätte die Gleichung: Smear Campaign = saugeil.

Veröffentlichungstermin: 18. 09. 2006

Spielzeit: 45:05 Min.

Line-Up:
Mark Barney Greenway – Vocals
Mitch Harris – Guitar
Shane Embury – Bass
Danny Herrera – Drums

Produziert von Russ Russel
Label: Century Media Records

Homepage: http://www.napalmdeath.org

Tracklist:
01. Weltenschmerz (Intro)
02. Sink Fast, Let Go
03. Fatalist
04. Puritanical Punishment Beating
05. When All Is Said And Done
06. Freedom Is The Wage Of Sin
07. In Deference
08. Short-Lived
09. Identity Crisis
10. Shattered Existence
11. Eyes Right Out
12. Warped Beyond Logic
13. Rabid Wolves (for Christ)
14. Deaf And Dumbstruck (Intelligent Design)
15. Persona Non Grata
16. Smear Campaign

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