In der Tat: Zum Einen handelt es sich bei „Marodeur“ zwar um das neunte Album von KARG, aber um das erste, das man gemeinsam als Band geschrieben hat. Und zum Anderen ist es vollkommen wurscht, was man sonst so von Österreich hält, wenn man so mitreißende Musik vernimmt wie sie hier in äußerst kurzweiligen knapp 55 Minuten geboten wird.
Ja, die Entscheidung, sich als Band zu formieren, scheint ausgesprochen richtig gewesen zu sein. Zwar verstehe ich nicht nur die Texte nur sehr eingeschränkt, auch die Verwendung eines historischen Fotos, auf dem eine Frau mit einem Pferd zu sehen ist, erschließt sich mir in Verbindung mit dem Albumtitel „Marodeur“ nicht so recht. Aber auch das wiederum ist nicht so wichtig, wenn das von der Band intendierte leidenschaftliche, mitreißende Moment so gut vom Cover dargestellt wird wie es sich dann eben auch in der Musik wiederfindet.
Bei „Marodeur“ stehen Rhythmik, Gefühl und Leidenschaft im Vordergrund
Was mir als erstes an dieser aufgefallen ist, ist wieder mal der Gitarrensound. Wir hören kein Black-Metal-Klirren, sondern ein tiefes Wummern, das unmittelbar in Bewegung versetzt und geradezu perfekt auf die Songs passt. Ich würde „Marodeur“ auch gar nicht als Black Metal bezeichnen, es ist eher angeschwärzter Hard Rock mit Gothic-Note: KARG arbeiten viel mit Rhythmik, Gefühl, Leidenschaft, setzen dafür auch elegische Melodien ein (mit cleaner Gitarre gespielt, aber auch durch Violinistin Klara Bachmair, die man sich von FIRTAN ausgeliehen hat), stellen diese aber nicht in den Vordergrund – da stehen doch eindeutig Bass, Schlagzeug und Gitarren, und die machen hier keine Gefangenen, sondern gehen durchweg gut nach vorne.
Das trifft ebenso auf die Vocals von J.J. zu – hier als „V. Wahntraum“ in den Credits vermerkt, und nach Wahn klingt es tatsächlich, was er da vom Stapel lässt. Die Lyrics indes sind leider nicht halb so wahngetränkt wie ihre Darbietung, so dass es manchmal unfreiwillig komisch wirkt, wenn Herr Wahntraum in höchster Erregung tiefsinnige Wortspiele wie „Leidenschaft, die längst net immer Leiden schafft“ von sich gibt, aber die meiste Zeit über fungiert der Dialekt ganz gut als Barriere, so dass man nicht jedes Bonmot direkt mitbekommt. Was ich aber (auch) nicht verstehe: Die Gastgesänge hätte man sich (erneut) sparen können – selbst beim drölfzigsten Durchlauf vermag ich es nicht, Frau PERCHTA in „Schnee ist das Blut der Geister“ heraus zu hören. Das ist schade.
Hohe Qualität ohne große Ausreißer nach oben
Die Songs jedoch gefallen durch die Bank weg gut bis sehr gut, auch wenn Höhepunkte rar gesät sind – der melodische Gesang in „Yügen“ etwa weckt leider nur in diesem Lied Erinnerungen an alte DORNENREICH, da er ansonsten gar nicht mehr vorkommt, und „Findling“ wartet mit einem sehr starken melancholischen Riff auf. Für den Rest des Albums begnügt man sich mit gleichbleibender hoher Qualität ohne große Ausreißer nach oben, und wer Herrn Wahntraums Stimme, die hervorragende Produktion und das stimmige Zusammenspiel der Instrumente genau so zu schätzen weiß wie ich, wird seine helle Freude daran haben.
Spielzeit: 54:42
Label: AOP Records
Veröffentlichungsdatum: 18.04.2025
KARG „Marodeur“ Tracklist
1. Schnee ist das Blut der Geister (Feat. PERCHTA)
2. Findling (Video bei YouTube)
3. Yūgen
4. Verbrannte Brücken
5. Annapurna (Audio bei YouTube)
6. Reminiszenzen einer Jugend
7. Kimm feat. Marko // Svntarer (Lyrics-Video bei YouTube)
8. Anemoia