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KAIPA: Vittjar

KAIPA haben einmal mehr das Stilkorsett des Progressive Rock genommen und in viele kleine Streifen geschnitten, umgefärbt und mit reichlich Klebeband neu zusammengesetzt. So findet man traditionelle Versatzstücke genauso wie ausdrucksstarken Gesang und folkige Elemente. Das Ergebnis klingt nicht immer flüssig, hebt aber durchaus die Laune.

KAIPA haben einmal mehr das Stilkorsett des Progressive Rock genommen und in viele kleine Streifen geschnitten, umgefärbt und mit reichlich Klebeband neu zusammengesetzt. Das neue Kostüm ist dabei einige Nummern größer geraten als das Original. Anno 2012 verbindet Keyboarder Hans Lundin in seiner Musik wie gehabt traditionelle Versatzstücke mit ausdrucksstarkem Gesang und folkigen Elementen. Diese Bestandteile kollidieren dabei nur selten, denn dichte Überlagerungen sucht man bei den Songstrukturen vergeblich. Auf Vittjar hat alles seine Zeit. In anderen Worten: Man braucht einen langen Atem, um dieses Werk in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu genießen.

Der Stilspagat überdehnt bisweilen meine Aufmerksamkeitsspanne. Hat da schon der nächste Song begonnen oder ist das gerade ein Longtrack? Warum steht der QUEEN-ähnliche Gesang von Patrik Lundström nicht öfter im Rampenlicht? Warum bekommt Aleena Gibson nicht eine eingängige Rockpop-Nummer im Stil von Mike Oldfield auf den Leib bzw. auf die Stimme geschrieben? Warum verlieren sich die Gitarre und die Percussion-Raschelrumpel-Elemente sich in weiten Niedrigspannungsgebieten, wo doch die sporadischen Flöten und Streicher-Klänge richtig schön Farbe ins Geschehen bringen?

Obwohl der schwedisch gesungene Titeltrack ein wenig aus dem Rahmen fällt (kurz, eingängig, deutlicher Einfluss von klassischer Musik), ruft er genau die Szenerie vor meinem geistigen Auge wach, die für meinen Geschmack zu dieser Musik passt: Bei sommerlichem Wetter sitzt man in einem Café auf einem Platz einer geschichtsträchtigen Stadt, während ein paar Musiker herumziehen und im Hintergrund aufspielen. Nur ist die Musik kein lästiger Panflötenterror und auch kein dilettantischer Kettenraucher, der sich an den Werken von Cat Stevens vergreift. Nein, es gibt Rockmusik, es gibt balladeske Töne, es gibt schöne Melodien, die zwischendurch aufhorchen lassen. Zwischendurch kann man sich aber in Ruhe seinem Kaffee widmen. Ist das jetzt eine Reggae-Version von Peter Gabriels Solsbory Hill? Ach nein, das ist nur Treasure-House, das ist KAIPA. Und A Universe Of Tinyness ist auch nicht der Song zum nächsten James-Bond-Film, obwohl die etwas dramatischere Grundstimmung und der ausdrucksstarke Gesang durchaus in diese Richtung deuten.

Es fehlte insgesamt die Dringlichkeit, die diesen bestimmten Platz einzigartig macht. In einer anderen Stadt (anderes Album) – in einem anderen Land (andere Band) gibt es auch schöne Orte zum Draußensitzen. KAIPA sorgen für einen wirklich schönen Aufenthalt. Aber würde man nur wegen dieser Musik wiederkommen? Nun, ein Blick auf die Diskographie deutet daraufhin, dass es genügend Stammgäste gibt, die immer wieder in dieser ausschweifenden Klangwelten eintauchen und sich an den wundervollen Leadgitarren laben. Einen Sanierungsbedarf kann ich jedenfalls nicht ausmachen – wieder einmal haben alle Beteiligten sehr gute Arbeit abgeliefert. Die erwähnten Längen im Songwriting können allerdings nicht ganz von den spieltechnischen Fertigkeiten und der klaren Produktion überdeckt werden. Somit ist Vittjar in erster Linie für geduldige Menschen geeignet, die lieber auf Umwegen ans Ziel kommen und im Zweifelsfall einfach die Landschaft an Ort und Stelle genießen.

Veröffentlichungstermin: 24.08.2012

Spielzeit: 68:55 Min.

Line-Up:
Hans Lundin: Keyboards, Gesang
Per Nilsson (SCAR SYMMETRY): Gitarre
Morgen Agren: Schlagzeug
Jonas Reingold (KARMAKANIC, FLOWER KINGS): Bass
Patrik Lundström (RITUAL): Gesang
Aleena Gibson: Gesang
Label: Inside Out

Homepage: http://www.kaipa.info

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/kaipa

Tracklist:
1. First Distraction
2. Lightblue And Green
3. Our Silent Ballroom Band
4. Vittjar
5. Treasure-House
6. A Universe Of Tinyness
7. The Crowned Hillsides
8. Second Distraction

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