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JULIE CHRISTMAS: The Bad Wife

JULIE CHRISTMAS einfach nur zwischen sanft und brachial, zwischen Diva und Riot Grrrl? Vergiss es, so einfach macht sie es uns nicht.

Was man der Frauenwelt nicht alles vorhält. Launenhaftigkeit, Biestigkeit, Hysterie, Naschhaftigkeit. Ist JULIE CHRISTMAS nun ein Vorzeigeweib, weil sie auf ihrem Soloalbum all diese Attribute vereint, oder spielt sie gar nur mit diesen Klischees? Weder noch. Die Form ihres Ausdrucks hat sich seit dem Debütalbum von MADE OUT OF BABIES, Trophy, deutlich verändert. Anhand der Entwicklung von MADE OUT OF BABIES, sowie auch ihrem inzwischen beendetem Projekt BATTLE OF MICE lässt sich gut nachvollziehen, wie JULIE CHRISTMAS mittlerweile bei dem gelandet ist, was sie auf The Bad Wife, ihrem ersten Soloalbum, darbietet. Liegt Julie nun zwischen sanft und brachial, zwischen Diva und Riot Grrrl? Nein, so einfach macht sie es uns nicht.

Zerpflücken wir The Bad Wife, erhalten wir eher eine Fortsetzung von den bisher aufgelösten BATTLE OF MICE, als von MADE OUT OF BABIES. Natürlich zeigt JULIE CHRISTMAS nach wie vor, wie unberechenbar sie schreien kann, aber in höherem Maße, wie leidensfähig sie ist. Und reden wir Klartext, wären die ruhigen Stücke auf The Bad Wife nicht vertreten, das Album wäre nach zwei Durchläufen in den Plattenschrank gewandert, und A Day Of Nights hätte eine Renaissance erlebt. So wächst Julies erstes Soloalbum, vor allem, weil sich zwischen den heftig gerifften Stücken immer wieder die besonderen Momente befinden. Aber der Reihe nach, denn der Beginn July 31st ist nicht gerade ein aufregendes Stück. Eher ein Song der Marke CANDIRIA-light, immerhin mit einem mitreißenden Refrain. Danach zeigen Julie und ihre Mitstreiter, vor allem John LaMacchia eben von CANDIRIA, aber was in ihnen steckt: Das Cover des JAQUES BREL-Chansons If You Go Away ist recht zurückhaltend einerseits, aber der zerbrechliche und doch stolze Gesang tut sein Übriges und sorgt für pure Gänsehaut. Das leise Secrets All Men Keep (Salt Bridge, Part II) und Six Pairs Of Feet And One Pair Of Legs fallen in dieselbe Sparte, zeigen sich aber auch musikalisch sehr eindrucksvoll. Hier kommt es auf die Details an, gerade die Rhodes- und Piano-Einlagen geben diesen Songs das gewisse Etwas.

Je weiter The Bad Wife voranschreitet, desto mehr zieht JULIE CHRISTMAS die Daumenschrauben an. The Wigmaker´s Widow ist das ungewöhnlichste Stück des Albums, ein Chanson mit Akkordeon, Tango-Rhythmus und einer Femme Fatale am Mikrofon, das mit Blut verklebte Messer noch in der Hand. Danach wird es geradezu trüb und grau, das kurze WILLIE NELSON-Cover I Just Detroyed The World ist pure Selbstgeißelung, bei der Julie zeigt, was sie in Sachen Theatralik drauf hat. Nach diesem Showdown der Seele endet The Bad Wife wieder etwas dichter arrangiert und bietet mit When Everything Is Green einen epischen Schlusspunkt. Ihre Wildheit hingegen lässt JULIE CHRISTMAS nur kurz aufflammen. Im Falle von Bow entsteht ein wunderbar manisches Stück mit starken Gesangseinlagen, das mehr nach MADE OUT OF BABIES klingt, als der Song, der eben komplett von MADE OUT OF BABIES geschrieben und eingespielt wurde: Headless Hawks beginnt dank dem pulsierendem Bass von Cooper sehr gut, flacht dann aber leider ziemlich ab.

Die Bandbreite, die JULIE CHRISTMAS auf The Bad Wife parat hat, fällt zunächst gar nicht so sehr auf, aber nach einigen Durchläufen bemerkt der Hörer, wie viele unterschiedliche Facetten das Album bietet. Das liegt einerseits an den teils unterschiedlichen Instrumentalisten und Songschreibern, teils an Julies vielen Charakterzügen, die direkt in die Musik einfließen. Dennoch, die meisten Stücke stammen aus der Feder von John LaMacchia, MADE OUT OF BABIES-Gitarrist Brandan Tobin liefert immerhin mit A Wigmaker´s Widow das andersartigste Lied des Albums. Dazu kommt eine Fülle von Musikern der Brooklyn-Szene, der Qualifikation nach an die jeweiligen Songs angepasst. Eine weitere wichtige Person in diesem Clan ist Produzent und Bassist Andrew Schneider, der ein recht raues Soundkleid parat hat, in dem JULIE CHRISTMAS eben nicht unnötig in den Vordergrund gemischt wurde, sondern bei dem die Instrumente ebenso beachtet werden.

So zuckersüß wie der rosa Torten- und Zuckergussalbtraum auf dem Cover ist The Bad Wife zu keiner Sekunde. Und JULIE CHRISTMAS beweist, dass sie weder eine Lady, noch eine Diva, noch eine Zicke ist. Sie ist eine Künstlerin mit ganz eigener Handschrift, eine Texterin, von erheblicher Tiefe und eine Performerin, wie es sie auf dieser Welt kein zweites Mal gibt. Freunde von MADE OUT OF BABIES und BATTLE OF MICE müssen Geduld mitbringen, bis sie mit The Bad Wife warm werden, werden aber letzten Endes für die Mühe belohnt werden. Für ihr Soloalbum Nummer zwei kann sie sich aber schon mal drauf einstellen, dass ich nur Chansons hören will.

Veröffentlichungstermin: 9. November 2010

Spielzeit: 41:51 Min.

Line-Up:

Julie Christmas – Vocals
John LaMacchira – Guitar, Programming, Wurlizer, Piano
Brendan Tobin – Guitar
Andrew Schneider – Bass, Manipulated Piano-Arrangements, Ebow, Sounds, Bowed Cymbal, Mellotron
Cooper – Bass
Tony Maimone – Basses
Joe Tomino – Drums
Troy Young – Drums
Matt Egan – Drums
Mike Ushinski – Drums, Percussion
Mel Lederman – Piano, Rhodes
Joe Fassler – Accordian
Zoe Sundra – Trumpet
Ricardo Galindez – Electronic Arrangements, Rhodes

Produziert von Andrew Schneider
Label: Rising Pulse Records
MySpace: http://www.myspace.com/juliechristmas

Tracklist:

1. July 31st
2. If You Go Away
3. Bow
4. Secrets All Men Keep (Salt Bridge, Part II)
5. Six Pairs Of Feet And One Pair Of Legs
6. Headless Hawks
7. The Wigmaker´s Widow
8. I Just Destroyed The World
9. When Everything Is Green

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