JOACHIM WITT: Pop

Ein erstklassiges, eigenwilliges und sehr persönliches Album mit viel Pathos, Gefühl, eletronischen Spielereien, knackigen Gitarren, einer gewissen Tanzbarkeit und überhaupt und sowieso in allen Bereichen hoher Qualität – aber ich befürchte, dass es Joachim WITT auch dieses Mal nicht gelungen ist, den Geschmack ALLER zu treffen…

Es gibt nicht viele Solokünstler, die dermaßen polarisieren wie der in Schleswig Holstein lebende und am 22.Februar 1949 in Hamburg geborene JOACHIM WITT. Doch auch musikalisch gehen und gingen die Meinungen weit auseinander. Einerseits  (wiederholt) Arschbombe des Monats bei den Kollegen vom „Rock Hard“, andererseits ein hoher Chart-Entry nach dem anderen. Auf der einen Seite als DJ Ötzi der Kuttenträger beschimpft, andererseits mit vielen Super-Kritiken bedacht. Er selbst bezeichnet sich als linker Kosmopolit, was andere wiederum nicht daran hindert, den am 22. Februar 1949 geborenen Witt und bekennenden Wagner-Fan – der sich durchaus zu seiner Heimat bekennt – ihn in die rechte Ecke zu drängen (was auch nicht schwerfallen dürfte, wenn man ihn unbedingt in diese Schublade stecken will…). Einig sein kann/darf man sich aber, daß Joachim Witt ein wirklich interessanter Künstler mit Ecken und Kanten ist, oder? Nicht absprechen kann man Joachim eine gewisse Unverkennbarkeit und ein Charisma, was angesichts der unzähligen gesichts- und identitätlosen Produkte und Trendzug-Aufspringer, die es in JEDEM Genre (egal ob Metal oder Pop, Volksmusik oder Gangster-Rap) gibt, schon eine tiefe Verbeugung rechtfertigen würde (was auch nicht schwerfallen dürfte, wenn man unbedingt will…).

Auch „Pop“ (dreizehn Songs, 52:58 Min.), das elfte Album seiner Solokarriere (die mit der Veröffentlichung der LP Silberblick im Jahre 1980 begann) dürfte für die unterschiedlichsten, zwiespältigsten Meinungen und kontroversesten Diskussionen sorgen. Auf jeden Fall ist „Pop“ das Album, in dem wohl am meisten JOACHIM WITT drinsteckt, denn Herr Witt produzierte und mischte die Stücke nicht nur, sondern nahm sie auch auf, schrieb gleich acht davon im Alleingang und spielte sie auch in einem solchen ein. Doch auch den bei fünf Stücken, bei deren Fertigstellung er von seiner Lebensgefährtin Nadja Saeger, Richie Barton (Ex-SILLY), der singenden Schauspielerin JASMIN TABATABAI (u.a. „Bandits“, „Die Putzfraueninsel, „Late Show“ und „Das Sams in Gefahr“) sowie Torge Waack und Arne Röstermundt vom Lübecker Produzententeam von „Warp Acht“ unterstützt wurde, ist immer noch seine Mitarbeit und Handschrift zu hören. Doch nun zu den Songs : „Krieger Des Lichts“ und „Ich Will Mehr“ dürften allen gefallen, die auch die Stücke der „Bayreuth Eins“ mochten, denn hier geht es elektronisch, tanzbar, wuchtig-brachial und mit harten (naja, eher härteren) Gitarren zu Werke. Übrigens die einzigen Tracks, bei denen Witt-Hasser „Neue Deutsche Härte“-Trademarks entdecken KÖNNTEN (ich hab’ Witt nie in diese Schublade gesteckt. Warum auch? Er ist seine eigene…). „Fluch Der Liebe“ ist ein Song von eher düsterer und verzweifelter, aber weniger brachialer Natur. Etwas an die alten Scheiben wie „Silberblick“ oder „Edelweiß“ erinnern „Draussen Vor Der Tür“ und „You Make Me Wonder“, die ein ähnliches Flair wie z.B. „Tri-Tra-Trullala“ versprühen. Eher stampfend, aber auch tanzbar ist „Du Wirst Bald Geschichte Sein“. Im krassen Gegensatz dazu klingt „Für Den Moment“ eher melodisch und „Immer Noch“ eher balladesk. Sehr gelungen finde ich auch das mit düsteren Strophen und einem hymnenhaften Refrain versehene “Sag Was Du Willst“. Nicht gerade mein Albumfavorit, aber zumindest ungewöhnlich, ist das Remake von „Mein Freund Der Baum“, das im Original von der Schlager- und Chansonsängerin ALEXANDRA im Jahre 1968 (ein Jahr vor ihrem Unfalltod im schleswig-holsteinischen Tellingstedt) veröffentlicht wurde und hier von Herrn Witt hier mit dunklem Sprechgesang und Streicherklängen serviert wird. Klasse! JOACHIM WITT versteht und spricht die deutsche Sprache, macht sie zu seinem Spielball und schöpft auf „Pop“ alle Möglichkeiten aus, die seine Stimme ihm als Sänger gibt. In „Draussen Vor Der Tür“ und „Sag’ Was Du Willst“ (das Duett mit JASMIN TABATABAI) erklingt (endlich mal wieder, möchte ich fast sagen…) wieder die hohe Stimme des Künstlers, die ich besonders bei meinem Alltime-Favoriten „Kosmetik“ kennen- und schätzengelernt habe. Anklagend-weinerlich klingt er bei „Fluch Der Liebe“, verkündend-predigend bei „Ich Will Mehr“ und manches Mal auch düster und bedrohlich wie auf den beiden Bayreuth-Alben.
Zwei Dinge hab’ ich dann aber doch noch zu kritisieren. Erstens dass Joachim mit der im Booklet gezeigten Frisur wie eine extrem schwule Mischung aus Sven Väth, Brian Ferry und Wolfgang Joop aussieht und dass das „Pop“-Logo etwas zu extrem dem Bandlogo von P.O.D. ähnelt. Aber weder das eine, noch das andere sind wirkliche Haare in der Suppe. Ein erstklassiges, eigenwilliges und sehr persönliches Album mit viel Pathos, Gefühl, eletronischen Spielereien, knackigen Gitarren, einer gewissen Tanzbarkeit und überhaupt und sowieso in allen Bereichen hoher Qualität – aber ich befürchte, dass es Joachim WITT auch dieses Mal nicht gelungen ist, den Geschmack ALLER zu treffen…

Veröffentlichung : 26.01.2004

Spielzeit: 52:58 Min.

Line-Up:
Joachim Witt (alle Songs instrumentiert & arrangiert)

mit Unterstützung von :

Richie Barton (Streicherarrangement)

Warp Acht (Ergänzungen)

Jasmin Tabatabai (Gesang)

Produziert von Joachim Witt
Label: Ventil / SPV

Homepage: http://www.joachimwitt.de

Tracklist:
Krieger Des Lichts

Fluch Der Liebe

Für Den Moment

Ich Will Mehr

Du Wirst Bald Geschichte Sein

Mein Freund Der Baum

Später

Vorwärts

Sag Was Du Willst

Erst Wenn…

Draussen Vor Der Tür

Immer Noch

You Make Me Wonder

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