Da ist sie wieder die finnische Melancholie, die schon immer irgendwie in der DNA INSOMNIUMs verankert war. Das spürten wir auf dem letzten Studioalbum „Heart Like A Grave“ (2019) besonders stark, doch diesmal gehen die fünf Musiker einen Schritt weiter: „Argent Moon“ gibt sich völlig dieser nachdenklichen Seite hin. Es mag mit der pandemiebedingten Entschleunigung zu tun haben, dass INSOMNIUM in den vier neuen Kompositionen nun besonders sentimental werden. Doch war der Zeitpunkt für solch ein Experiment wohl nie besser, während das Format kaum passender gewählt sein kann.
Eine EP also, die zunächst in vertrauten Gewässern zögerlich etwas Mut sammeln muss. Der Einstieg bleibt mit „The Conjurer“ nämlich nahe am vorangegangenen Output „Heart Like A Grave“ (2019): Leichtfüßige Akustikgitarren schultern eine melancholische Leadgitarre, deren Schwermut von Niilo Sevänens Reibeisen-Growls flankiert wird. Keine Frage, hier befinden sich INSOMNIUM auf vertrautem Boden, spielen routiniert mit Laut-leise-Dynamik und nutzen in den ruhigen Momenten den Raum, den die perfekt abgestimmte Produktion zugesteht.
In der zweiten Hälfte von „Argent Moon“ werden INSOMNIUM etwas mutiger
Ein Selbstläufer ist auch „The Reticent“, das den bedrückend schönen Geist von „One For Sorrow“ atmet, dabei aber in den Strophen auf Jani Liimatainens reservierten Klargesang setzt. Experimenteller wird es in der zweiten Hälfte, wo „The Antagonist“ mit verhaltener Instrumentierung und einem bedrohlich raunenden Niilo Sevänen beginnt, bis sich Gitarrist Jani erstmalig mit seiner warmen Singstimme zu Wort meldet und den Song – auch dank der zusätzlichen Piano- und Streicheruntermalung – in eine romantische Richtung lenkt. Vielleicht hat das Ganze gar einen Hauch von HANGING GARDEN, ohne jedoch die INSOMNIUM-Trademarks dafür einzutauschen.
Auch „The Wanderer“ bleibt der bandeigenen Linie treu, bricht aber mit herkömmlichen Strukturen: Indem das Stück im Prinzip als ein einziges sechsminütiges Crescendo konzipiert ist, ziehen die Finnen die Daumenschrauben von Minute zu Minute weiter an, tauschen Akustikgitarren für Verstärker und Klargesang für markige Growls. Das funktioniert, auch weil die unterschwellige Depression die Sehnsucht nach einem befreienden Ende steigen lässt. Vergebens: Das Ziel der Reise erreicht der namengebende Wanderer vorerst nicht, was das Finale von „Argent Moon“ im Nachhinein zu einer bittersüßen Angelegenheit macht. Doch auch das ist ein Nebeneffekt dieser finnischen Melancholie: Nicht jede Geschichte hat ein Happy End.
Veröffentlichungstermin: 17.9.2021
Spielzeit: 23:14
Line-Up
Niilo Sevänen – Vocals, Bass
Ville Friman – Guitars
Markus Vanhala – Guitars, Vocals
Jani Liimatainen – Guitars, Vocals
Markus Hirvonen – Drums
Produziert von Samu Oittinen (Drums und Mix) und Teemu Aalto
Label: Century Media
Homepage: https://insomnium.net/
Facebook: https://www.facebook.com/insomniumofficial/