HORSEBACK: Half Blood

"Half Blood" hätte ein Antifolk-Americana Wunderwerk werden können, doch HORSEBACK wählen den schwierigen Weg.

Vorab: Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann ist es, HORSEBACK als dumme, kiffende Stoner-Band darzustellen. In den Appalachen mag es einige Hanfpflanzen in diversen Wintergärten geben, vielleicht probiert Jenks Miller das Zeug hier und da mal, aber um plumpes 420-Worshipping geht es bei HORSEBACK in keiner Weise. Es geht viel mehr um Evolution, um Vision und um Emotion. Auch wenn ihr Name bisher viel zu wenigen Menschen etwas sagt, musste ich HORSEBACK im Vorfeld eigentlich unerreichbar hohe Erwartungen stellen. Das Projekt des Multiinstrumentalisten Jenks Miller sorgte für reine Trancezustände mit dem folkigen, grimmigen letzten Album The Invisible Mountain, er legte mit dem unnahbaren Forbidden Planet seine Version des Black Metal vor und rührte mit dem Ambient-Album Impale Golden Horn zu Tränen. Kurz, so unbekannt HORSEBACK sein mögen, so variabel, innovativ und wegweisend sind sie. Pure Magie aus dem Underground.

Der Vorbote für Half Blood, dem zweiten Album für RELAPSE, war die fantastische Single On The Eclipse, mit einem sagenhaft eingängigem und mitreißenden Song, der HORSEBACK fast schon poppig, aber dennoch fies zeigte. Solche Songs, das erwartete ich auf Half Blood im Überfluss. Leider gibt es nur drei Stück davon zu hören. Der Rest besteht aus Ambient-Experimenten, Drone-Momenten und Fieldrecordings, mal krautig und harmonisch, so das man an SILVESTER ANFANG denken könnte, dann wieder kratzig, böse und kakophonisch. Half Blood, hätte mehr von diesen verqueren Antifolk und Americanasongs zwischen EARTH und irgendwie GLORIOR BELLI gebracht, und das enttäuscht ein wenig. Aber von dieser subjektiven Enttäuschung will ich mich nicht leiten lassen, denn Half Blood bietet wirklich eine Menge. Hätte mich jemand vorgewarnt, wie genau sich Half Blood verhält, wie es ausgerichtet ist, ich könnte mich eher hinein versetzen. So wächst Half Blood immerhin auch nach einigen Wochen noch munter weiter.

Es ist wie eine Welt, in die man hineingezogen werden müsste, derer man sich aber noch ein wenig sträubt. Ein Sog, der etwas verhalten ansetzt. HORSEBACK reißen zu Beginn von Half Blood gleich voll mit, Mithras und Ahriman sind ungeheuer treibend, repetitiv, graben sich in das Unterbewusstsein. Da wird der Hörer eins mit dem ausgiebig zelebriertem Rhythmus, der von Schlagzeuger John Crouch brillant und lebendig dargeboten wird. Die Gitarren sind so kunstvoll minimalistisch übereinander geschichtet, dass es keinen überflüssigen Ballast gibt, aber die doch auch nach zahlreichen Hören noch Neues erkennen lassen. Überhaupt sind die Riffs beinahe unverschämt eingängig. Dazu werden schöne Orgeln und Synthesizer addiert und als Kontrast thront Jenks Millers grimmige Black Metal-Stimme über allem. Leider gibt es nur mit Arjuna, das noch einmal durch eine kurze melodiöse Gesangseinlagen aufhorchen lässt, nicht noch mehr solche Stücke. Nur zwei oder drei mehr davon, und ich hätte an Half Blood absolut nichts zu meckern gehabt.

Außerdem die zahlreichen, liebevoll gestalteten und mit Akribie versehehen Ambient-Momente auf Half Blood ebenfalls sehr gut, sie sind mutiger als auf Impale Golden Horn, einfach unnahbarer und unberechenbarer. Das rundet den Gesamteindruck gut ab, zeigt zusätzlich die vielen Facetten von HORSEBACK. Inheritance (The Changeling) ist dabei unheimlich und bedrohlich, der abschließende Dreiteiler Hallucigenia, der über die Hälfte der ganzen Albumlänge vereinnahmt, fast schon betörend schön, auch trotz der grimmigen Stimme und klingt und fällt durch einen sanften Rhythmus am Ende von The Emerald Tablet doch ein wenig psychedelisch aus. Half Blood wirkt als Gesamtes wie eine Reise durch eine fremdes, wüstenartiges Biotop, unerklärlich für die Außenwelt und doch schlüssig in sich, dabei völlig autark. Jenks Miller hat somit durch HORSEBACK ein Medium parat, das gleichermaßen persönlich und kunstvoll ist.

Wären meine Erwartungen an Half Blood nicht so enorm gewesen – ehrlich gesagt rechnete ich mit nichts geringerem als dem Album des Jahres – HORSEBACK hätten mich vielleicht mehr verzaubern können. Das soll aber nicht heißen, dass Half Blood schlechter als andere Alben der Band sei, es ist eine logische, nur nicht immer ganz konsequente und ausgewogene Fortsetzung von The Invisible Mountain. Bin also nur ich nicht reif genug für Half Blood? Reife und vor allem Offenheit wird vom Konsumenten für dieses spannende Werk vorausgesetzt. Für Ecken und Kanten haben HORSEBACK jedenfalls gesorgt. Und das macht ja bekanntlich die interessantesten Alben mit der höchsten Halbwertszeit aus. Überraschen würde es mich also nicht, wenn das mit einem unglaublichen Artwork von Denis Forkas Kostromitin ausgestattete Half Blood den längeren Atem hat und doch noch weit vorne im Jahrespoll auftauchen wird. Es bleibt wunderbar spannend.

Veröffentlichungstermin: 25. Mai 2012

Spielzeit: 44:38 Min.

Line-Up:
Jenks Miller – Instrumente, Gesang
John Crouch – Drums
Label: Relapse Records

Homepage: http://horsebacknoise.com/

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/Horseback

Tracklist:
1. Mithras
2. Ahriman
3. Inheritance (The Changeling)
4. Arjuna
5. Hallucigenia I: Hermetic Gifts
6. Hallucigenia II: Spiritual Junk
7. Hallucigenia III: The Emerald Tablet

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