GRAVE MIASMA: Abyss Of Wrathful Deities

Auf meinem persönlichen „Pile Of Shame“ (aka alle Bücher, die herumliegen und warten, gelesen zu werden) liegt auch das Tibetische Totenbuch. Und obwohl es mich sehr interessiert, fand ich nie so richtig rein. Ob ich so lange brauche, bis ich dieses Buch lese, wie GRAVE MIASMA mit ihrem zweiten Album? Zwischen ihrem Debütalbum „Odori Sepulcrorum“ und „Abyss Of Wrathful Deities“ liegen ganze acht Jahre, dazwischen gab es nur die immerhin sehr üppige EP „Endless Pilgrimage“ zu hören. Nun motiviert mich dieses gut fünfzigminütige Death Metal-Ungetüm mit dem Konzept über tibetische Begräbnisriten dann aber doch zum Lesen. Denn was GRAVE MIASMA an zornerfüllten Wesenheiten heraufbeschwören, ist geradezu magisch.

Death Metal hat eine spirituelle Seite und GRAVE MIASMA lassen das auch erkennen – jedoch erst auf den zweiten Blick. Statt sich an Foltermethoden zu ergötzen und über Abscheulichkeiten zu referieren, ist die zum Trio geschrumpfte Formation in einer Welt zwischen Trance und Chaos gefangen. Denn wenn der Tod nicht spirituell ist, was dann? Das bedeutet, dass brachiale Riffs aufgetürmt werden, auf unbequeme Art und Weise zusammengefügt werden und sich auf diese Art und Weise komplexe Songs ergeben. Das sind wir von GRAVE MIASMA schon gewöhnt, auf „Abyss Of Wrathful Deities“ schaffen sie es jedoch, noch komplexer und durchdachter zu wirken. Somit entfalten sich die Songs nur langsam, statt sofort zu – pardon – Hits zu werden.

Death Metal zwischen Trance und Chaos – GRAVE MIASMA zelebrieren diese Mischung auf „Abyss of Wrathful Deities“

„Ancestral Waters“ verbindet Heaviness mit Energie, „Erudite Decomposition“ beginnt chaotisch und schnell und walzt dann alles Grund und Boden und „Under The Megalith“ ist tonnenschwer und sehr atmosphärisch. Diese drei Songs im Mittelteil des Albums sagen alles aus über die stilistische Bandbreite und kompositorische Kraft von GRAVE MIASMA. „Abyss Of Wrathful Deities“ überzeugt aber fast über die gesamte Spielzeit hinweg. Denn ein Death Metal-Album von dieser üppigen Spielzeit ist, Sogwirkung hin oder her, schon eine Aufgabe. Zumal die Band die Intensität auch fast über die gesamte Spieldauer aufrechterhält. Glücklicherweise wissen GRAVE MIASMA mit ihrer Vielschichtigkeit zu überzeugen – das Material bleibt von Anfang bis Ende fesselnd, nur mit „Demons of The Sand“ gibt es einen kleinen Durchhänger.

Statt eine weitere „Altars Of Madness“-Kopie abzuliefern, reihen sich GRAVE MIASMA in den zeitgemäßen wie zeitlosen Death Metal ein, der Substanz über Technik stellt. Viel mehr zeigen die Engländer, wie das Genre in seiner Tradition bewahrt werden kann, ohne auf gänzlich ausgetretenen Pfaden zu wandern. Dazu brauchen sie anno 2021 auch nicht mehr Black Metal-Einflüsse, die noch zu Zeiten des Debüts vorhanden waren. Von Jaime Gomez Arellano klanglich sehr authentisch eingefangen, ist „Abyss Of Wrathful Deities“ mit seinem „Temple Of Doom“-Artwork ein beängstigend guter Genrebeitrag. Auf dem Platten-„Pile of Shame“ der Death Metal-Connoisseure wird dieses Album jedenfalls nicht verstauben.

Wertung: 7 von 9 Himmelsbegräbnisse

VÖ: 14. Mai 2021

Spielzeit: 52:43

Line-Up:
Y – Vocals, Guitar
T. – Bass
D. – Drums

Label: Sepulchral Voice

GRAVE MIASMA „Abyss of Wrathful Deities“ Tracklist:

1. Guardians of Death
2. Rogyapa (Official Video bei Youtube)
3. Ancestral Waters
4. Erudite Decomposition (Official Audio bei Youtube)
5. Under The Megalith
6. Demons of The Sand
7. Interlude
8. Exhumation Rites
9. Kingdoms Beyond Kailash

Mehr im Netz:

https://gravemiasma.co.uk/
https://gravemiasma.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/gravemiasma

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