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ERSHETU: Yomi

Spoiler: ERSHETU interessieren sich auf ihrer Reise nach Japan nicht für die Kirschblüte. „Yomi“ führt die französische Formation ins Totenreich der Shintō und stellt eine Weiterentwicklung zum schon sehr guten Debütalbum „Xibalba“ dar.

Neues Jahr, neuer Todeskult: ERSHETUs Jet-Set-Leben führt sie nach blutrünstigen Mayas ins Japan der Shintō. „Yomi“, das nur ein Jahr nach dem Debütalbum „Xibalba“ ein neues Panorama eröffnet, ist in den Details neu, in seiner Gesamtheit definierter und markiert einen deutlichen Schritt nach vorne – auch wenn nur noch 50% der prominenten Mitmusiker an Bord sind. Ohne Lars Nedland als Frontsänger zwar, aber mit Vindsval (BLUT AUS NORD) als Sänger haben ERSHETU genügend Potenzial, um ihre cineastisch-schwarzmetallische Thanato-Weltreise sicher zur nächsten Station zu bringen.

„Yomi“ klingt trotz seiner Instrumentierung etwas weniger exotisch als „Xibalba“, das von den Flöten dominiert wurde. Daraus ergibt sich ein ausgewogeneres Klangbild, etwas, das mit einem Jahr Abstand, das größte Verbesserungspotenzial an ERSHETU hatte. Die stattdessen eingesetzten Instrumente Koto – eine japanische Zither – und eine dreiseitige Laute namens Samisen heben sich vom Soundkonzept weniger ab, als dass sie es organisch erweitern und subtil Harmonien einweben. In zahlreichen Stellen haben diese Instrumente ihren Auftritt, sind aber harmonisch in den Gesamtsound verwoben. „Yomi“ ist aber nicht nur durch das Sounddesign mitreißender als das Debüt, auch das Songwriting ist kohärenter und narrativer, aber auch kompakter: „Ketsurui“ leitet „Yomi“ stimmungsvoll ein, verschwendet in der Folge keine Zeit und steigert sich ad hoc in Richtung Epos, das auf den Punkt komponiert wurde, cineastische Gänsehautmomente inklusive.

Cineastischer, kohärenter, heroischer: „Yomi“ hebt das, was an ERSHETUs Debütalbum schon sehr gut war, auf das nächste Level

War „Xibalba“ eine labyrinthische Reise durch den unübersichtlichen südamerikanischen Dschungel, ist „Yomi“ strukturierter und heroischer. Statt blutige Opferungen dominiert das Ethos ritterlicher Samurai, der Tod als ultimative Selbstaufgabe an etwas, das größer ist, als das Selbst. So erzählen die sechs Songs von Komponist Sacr selbst eine Geschichte, für die man eigentlich keine Worte braucht. Und doch lässt die Zusammenarbeit mit Konzeptionalist und Lyriker Void das Album mehrdimensional werden, ein wenig wie ein Drehbuchautor zu einem Film, dessen Regisseur und Akteur Sacr ist. Dieser fokussiert sich vor allem auf die Elemente, die abseits vom Black Metal liegen – die traditionellen Instrumente, Flöte und Piano – sodass sich die Riffs, Leadgitarren und das Drumming über größere Strecken schon fast vornehm zurücknehmen und aus dem Vordergrund treten.

Gerade Vindsval, der neben Bass und einigen Gitarren nun auch die gesamten Vocals übernimmt, schafft Großartiges. Bei BLUT AUS NORD rückte seine Stimme in den vergangenen Jahren immer weiter Hintergrund, und auch bei ERSHETU ist sie weit wenig präsent als Lars Nedlands Beitrag. Vindsval weiß um seine Stärke, die Stimme eher einem Phantom gleich einzusetzen, was den Songs auf „Yomi“ eine fast schon übernatürliche Note verleiht. Der extreme Gesang schwebt jenseits der Musik wie ein boshafter Geist, die Chöre sind angenehm zurückhaltend, aber prägnant und tragen ebenfalls zum Storytelling bei. Führte Lars Nedlands prägnante Stimme „Xibalba“ an, integriert Vindsval den Gesang perfekt ins Gesamtbild. Obwohl Nedland der technisch bessere Sänger ist, funktionieren diese Vocals besser.

ERSHETU überzeugen auch ohne die Vocals von Lars Nedland – Vindsvals vielschichtiger, entweltlichter Gesang prägt „Yomi“ ebenso wie die japanischen Instrumente

Verglichen werden kann all das nur bedingt, denn beide Alben unterscheiden sich maßgeblich in Sachen Konzept. „Yomi“, das Totenreich mit der Feuerstelle, an der sitzend man nie wieder ins Reich der Lebenden zurückkehren vermag, ist ebenso verführerisch-wärmend wie die Musik, deren Abgründigkeit sich erst nach und nach bemerkbar macht. Seien es die virtuosen Klavierpassagen, zahlreichen Schichten aus Flöten, Chören und Gesängen, sowie Tempowechsel in „Sekiryō“ oder das melancholisch-leidenschaftliche „Abikyōkan“, ERSHETU beherrschen Variation im quasi-symphonischen Black Metal, ohne sich selbst im Laufe der Spielzeit zu wiederholen oder mit Platitüden zu nerven. Deshalb funktioniert auch Songs wie „Jikoku“ und „Kagutsuchi“ mit ihren grimmigen Tremoloriffs und Blast Beats so gut. Das vielschichtige, in einer gewaltigen Klimax gipfelnde „Nenokatasukuni“ als Abschluss fährt dann wieder alle epischen Register auf und sorgt für einen emotional runden Abschluss der Reise ins Todesreich der Shintō.

Obwohl „Yomi“ kein Album mit catchy Songs ist und vermutlich einigen Black Metal-Fans zu pompös sein wird, spielt es sich mit jedem Durchlauf mehr ins Herz. Trotz ihrer jungen Karriere, nach einem starken Start wie mit „Xibalba“, ruhen sich ERSHETU nicht aus, sondern lassen sich von der neuen konzeptionellen Umgebung umfassend inspirieren. Dank der instrumentalen Vielschichtigkeit, der souveränen Kompositionen von Sacr und der beeindruckend konzipierten Gesangsarbeit von Vindsval, ist „Yomi“ eine klare Weiterentwicklung und essentiell für das Publikum von symphonischem Black Metal ohne Scheuklappen. Kiai!

Wertung: 5 von 6 Sakurafeste in Aokigahara

VÖ: 8. November 2024

Spielzeit: 45:57

Line-Up:
Sacr – All Music & arrangements
Void – Concept & texts
Vindsval – Vocals, bass & additional guitars
Intza Roca – Drums & percussion

Label: Debemur Morti

ERSHETU „Yomi“ Tracklist

1. Ketsurui (Official Video bei Youtube)
2. Jikoku
3. Sekiryō (Official Audio bei Youtube)
4. Abikyōkan
5. Kagutsuchi
6. Nenokatasukuni

ERSHETU „Yomi“ Full Album Stream bei Youtube

Mehr im Netz:

https://ershetu.bandcamp.com/
https://www.instagram.com/ershetu_official
https://www.facebook.com/ershetu

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